Süddeutsche Zeitung, 31.1.2000

Wer den deutschen Pass will, muss Deutsch können

Der Sprachtest - noch knobeln die Experten

Innenministerium entwickelt die Kriterien für die Prüfung

Von Sven Loerzer

Deutsch lernen, und zwar möglichst gut - für Ausländer wird das dringender denn je. Können einbürgerungswillige Ausländer keine ausreichenden deutschen Sprachkenntnisse nachweisen, so muss die Einbürgerungsbehörde nach den Verwaltungsvorschriften zum neuen Staatsangehörigkeitsrecht zum Sprachtest bitten. Und auch die Münchner CSU, die am Samstag in Wildbad Kreuth in Klausur ging, fordert, den Aufenthaltsstatus von Ausländern nur dann zu verbessern, wenn sie belegen können, dass sie auch ihr Deutsch verbessert haben (siehe Seite 1 des Lokalteils).

Aber nach welchen Kriterien sollen die Beamten die Sprachkenntnisse überprüfen? Das weiß auch Rosemarie Kühnel, Leiterin der Einbürgerungsbehörde des Münchner Kreisverwaltungsreferats, noch nicht. Ständig kommen dazu Anfragen, mehr als 6000 in München lebende Ausländer haben seit dem 1. Januar Einbürgerungsanträge gestellt. Eine einheitliche Regelung des Sprachtests stehe kurz bevor, kündigte Michael Ziegler, Sprecher des Bayerischen Innenministeriums, auf Nachfrage der SZ an. Dabei dürfte es sich um eine abgespeckte Version der Prüfung zum "Zertifikat Deutsch" handeln, die künftig von Dozenten der Volkshochschule unmittelbar in den Räumen der Kreisverwaltungsbehörde abgenommen werden könnte.

Wer keine ausreichenden Kenntnisse der deutschen Sprache hat, dem wird der deutsche Pass versagt. Was aber bedeutet ausreichend? Der "Vorläufigen Verwaltungsvorschrift" vom Dezember 1999 zufolge ist dies der Fall, "wenn sich der Einbürgerungsbewerber im täglichen Leben einschließlich der üblichen Kontakte mit Behörden in seiner deutschen Umgebung sprachlich zurecht zu finden vermag und mit ihm ein seinem Alter und Bildungsstand entsprechendes Gespräch geführt werden kann. Dazu gehört auch, dass der Einbürgerungsbewerber einen deutschsprachigen Text des alltäglichen Lebens lesen, verstehen und die wesentlichen Inhalte mündlich wiedergeben kann". Wer das "Zertifikat Deutsch" oder ein gleichwertiges Sprachdiplom vorlegen kann, ist der Vorschrift nach ebenso fein raus, wie derjenige, der vier Jahre lang eine deutschsprachige Schule mit Erfolg besucht, einen Hauptschulabschluss erworben hat, in die zehnte Klasse einer weiterführenden deutschsprachigen Schule versetzt worden ist, oder ein Studium an einer deutschsprachigen Hochschule oder Fachhochschule oder eine deutschsprachige Berufsausbildung erfolgreich abgeschlossen hat.

Wer keinen dieser Nachweise erbringen kann, bei dem soll laut Verwaltungsvorschrift "das persönliche Erscheinen des Einbürgerungsbewerbers zur Überprüfung der Sprachkenntnisse angeordnet werden. Die Anforderungen des Zertifikats Deutsch sind dafür ein geeigneter Maßstab." Rosemarie Kühnel hat sich erkundigt, wie diese Prüfung aussieht: "Sie besteht aus einem dreistündigen schriftlichen und einem 20-minütigen mündlichen Teil." Damit sei allein schon wegen des Zeitaufwands klar: "Das können wir nicht machen." Eher vorstellen könne sie sich eine spezielle Volkshochschul-Prüfung, etwa nach Berliner Muster, wo ein Dozent einen höchstens 30-minütigen Test durchführen soll.

In der Zwischenzeit würden Sprachschulen als auch Einbürgerungswillige dauernd nachfragen, wie der Test aussehen werde: "Aber ich kann dazu immer noch nichts Definitives sagen. Das ist sehr unbefriedigend." Weil die Test- Kriterien noch fehlen, mag es auch zu erklären sein, dass Sprachschulen, wie etwa die "Sprachbörse", noch keine Anfragen nach Spezialkursen melden. Für das Zertifikat Deutsch bietet Schulleiterin Gabriele Schwarz dagegen einen Intensivkurs an, der bei 20 Unterrichtsstunden pro Woche drei Monate dauert.

Konkrete Testvorschriften entwickelt das Innenministerium in Zusammenarbeit mit den Volkshochschulen. "Wir wollen uns an das Zertifikat Deutsch anlehnen. Wer hier eingebürgert wird, soll nicht nur sagen können, ,ich deutschen Paß'. Wir wollen aber auch keine übertriebenen Anforderungen stellen, vom Arbeiter an der Drehbank Akademikerdeutsch verlangen", sagt Ministeriumssprecher Michael Ziegler. Orientierungsmaßstab sei die Sprache eines gleichaltrigen Deutschen in gleichen Lebensverhältnissen. Einbürgerungswillige müssten einen Artikel aus einer normalen Tageszeitung verstehen, den Inhalt wiedergeben und sich schriftlich einigermaßen ausdrücken können. "Von der ursprünglichen Überlegung, ein Diktat zu verlangen, sind wir wieder abgerückt. Statt dessen soll in eigenen Worten etwas geschrieben werden, zum Beispiel ein Lebenslauf oder eine fiktive Bewerbung."