junge Welt, 29.1.2000

Dubiose Allianzen

Der lange Schatten des türkischen National-Islamismus erreicht nun auch die Aleviten-Föderation in der BRD

Bekannterweise versucht die türkische Regierung seit einigen Jahren verstärkt, die in Deutschland lebenden Landsleute und ihre Organisationen im Sinne einer Lobbyarbeit für ihre Zwecke zu nutzen. Bereits mit der Gründung der rechtsgerichteten CEM-Vakfi (Republikanische Erziehungszentrale) vor drei Jahren versuchten türkische Regierung und türkische Lobby in Deutschland, auch die Aleviten für ihre politischen Ziele auszunutzen und in den nationalistisch-islamistischen Fluten zu ertränken. Am Samstag sollen nun ausgerechnet mit Unterstützung des Bundestagsabgeordneten Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) die demokratischen türkischen Vereine mit militant- nationalistischen und islamistischen Gruppierungen an einen Tisch gebracht werden.

Waren die Aleviten als demokratisch und laizistisch eingestellte Minderheit bisherigen Versuchen dieser Art nur schwer zugänglich, zeichnet sich, zumindest was die momentane Führungsriege der Föderation der Aleviten Gemeinde (AABF) - die größte Organisation der Aleviten in Europa - betrifft, eine unerwartete Kehrtwendung ab. Noch 1995 wurden alevitische Stadtteile in Istanbul von rechtsradikalen und fundamentalistischen Terrorbrigaden angegriffen und Aleviten ermordet, nun bezeichnet der jetzige Vorsitzende Turgut Öker, ehemaliges Mitglied der revolutionären Gruppe Devrimci Yol (Revolutionärer Weg) und seit kurzem politischer Flüchtling aus der Türkei, seine ehemaligen politischen Kontrahenten als »mögliche Partner im Angehen von gemeinsamen Problemen in der BRD«.

Ende September 1999 hatte das türkische Massenblatt Sabah in großen Lettern geschrieben: »Wir sind zerstückelt!« und angekündigt, daß die Alevitische Föderation u.a. mit der DITIB (staatliche Anstalt der Türkisch-Islamischen Union für Religion), der ATIB (Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa) und der »Türk-Föderation« ein »Gipfeltreffen« organisieren würde. Die »Türk Föderation« ist ein Ableger der faschistischen MHP und gleichzusetzen mit dem Mob, der 1978 in der ostanatolischen Stadt Maras über 1 000 Aleviten massakriert hat. Eine offizielle Stellungnahme zu den Aleviten ist von dieser Organisation bisher nie erfolgt. Die Minderheit existiert für die Nationalisten einfach nicht. Zu fragen ist daher, welche Rolle die AABF bei diesem »Gipfeltreffen« erfüllen soll und welche Gruppierung Öker als AABF-Vorsitzender repräsentieren möchte?

Nach den Ankündigungen von Sabah und weiteren »Hinweisen auf geplante Treffs« zwischen Öker und in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachteten Organisationen war es Ende des vergangenen Jahres zum Eklat im Vorstand der AABF gekommen, wonach fünf Vorstandsmitglieder austraten. Der frühere Sekretär Ali Bingöl begründete seinen Austritt: »Wir haben dagegen Protest eingelegt und auf den Bruch unserer Satzung aufmerksam gemacht. Einer der wichtigsten Gründe unseres Rücktrittes waren die Treffen zwischen dem jetzigen Vorstand und rassistischen Organisationen.« Bingöl verwies auf Verbindungen zwischen Kreisen um Öker und der JetPa- Holding sowie der Kombassan-Holding, zwei islamisch- fundamentalistische Konzerne, die an der Finanzierung des Wahlerfolges der inzwischen verbotenen Refah-Partei in der Türkei beteiligt waren. Direkte Gespräche hat Öker, der zugleich Gründungsmitglied und Großgesellschafter der von alevitischen Kleinunternehmern gegründeten Firma »Mozaik« ist, allerdings stets bestritten.

Ein weiterer Meilenstein auf dem Weg »zum Gipfeltreffen« zwischen demokratischen, säkularen Alevitenorganisationen und rassistischen, nationalistischen und fundamentalistisch- islamischen Gruppen soll das Treffen im AABF-Gebäude in Köln am heutigen Samstag sein.

Öker bestand trotz heftiger Proteste seiner Basis auf diesem Treffen. Zwar wurde er am vergangenen Sonntag auf einer außerordentlichen Versammlung der alevitischen Gemeinden und Vereine in Nordrhein-Westfalen zur Absage aufgerufen. Doch Öker verwies darauf, daß »Deutschland die Vereinigung« der Immigranten-Organisationen wünsche. Man müsse in diesem Sinne »als Ausländer zusammenhalten«.

Auch Cem Özdemir, Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen, hätte seine Zustimmung für die Zusammenkunft der Aleviten mit islamistischen Organisation signalisiert, hatte Öker in der vergangenen Woche gegenüber der türkischen Zeitung Evrensel erklärt. Özdemir wolle diese fördern und beschleunigen.

Interessant ist die Liste der nach Köln eingeladenen Organisationen. Darunter befinden sich unter anderem die DITIB, die CEM-Vakfi und der RTS (Rat türkischer Staatsangehöriger). Beim RTS handelt es sich um ein Bündnis von nationalistischen, faschistischen, islamistischen und konservativen Vereinigungen aus der Türkei, das sich Anfang 1990 gegründet hat. Dem RTS gehören z.B. islamistisch- fundamentalistische Organisationen wie die dem Bundesamt für Verfassungsschutz gut bekannte Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) an. Weitere Mitglieder sind unter anderem die islamistisch-rechtsradikale Organisationen IKM (Süleymanci-Orden) und die ATIB von Serdar Celebi. Keine dieser Organisationen hat sich bisher glaubhaft von den Anschlägen auf Aleviten in der Türkei distanziert - und doch werden sie von Özdemir nun über die Hintertür hoffähig gemacht.

Fikret Aslan

(Aslan ist Mitautor des Buches »Graue Wölfe heulen wieder. Türkische Faschisten und ihre Vernetzung in der BRD«, erschienen im Unrast-Verlag, 1997)