Hamburger Abendblatt, 27.1.2000

Wieder Besetzer bei der SPD

Demonstranten forderten bessere Haftbedingungen für Ilhan Y.

Parteizentrale nahm die Situation gelassen

Von TORSTEN GERBER

Knapp ein Jahr nach der spektakulären Besetzung der Hamburger SPD-Zentrale an der Kurt-Schumacher-Allee durch PKK-Sympathisanten ist das Gebäude am Mittwochnachmittag erneut besetzt worden. Diesmal ging es jedoch nicht um die Kurdenpro-blematik. Die Besetzer wollten auf die Haftbedingungen des 34 Jahre alten Türken Ilhan Y. aufmerksam machen, der zurzeit im Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis auf sein Revisionsverfahren wartet.Wie berichtet, befindet sich der wegen Mordes und Geiselnahme zu lebenslanger Haft verurteilte Y. seit dem 30. November 1999 im Hungerstreik. Er ist Funktionär der verbotenen linksextremen Organisation DHKP-C. Den Zugang zum Kurt-Schumacher-Haus verschafften sich die acht Besetzer (vier Männer, drei Frauen, ein Kind) gegen 13.20 Uhr mit einem Trick: Dem Pförtner gegenüber gaben sie an, dringend mit einem Politiker sprechen zu wollen und wurden eingelassen. Sofort stürmten die Leute in den ersten Stock und entfalteten auf der Balustrade über dem Eingang ein Transparent. "Aufhebung der Isolation - sofort" stand darauf. Diese Forderung wiederholten sie zusätzlich im Chor. Bei der SPD sah man die Aktion vergleichsweise gelassen. Landesgeschäftsführer Werner Löwe jedenfalls sah keinen Anlass, von seinem Hausrecht Gebrauch zu machen: "Wir wollen das ganze auf jeden Fall friedlich beenden", sagte er. Man habe sich mit den Besetzern darauf geeinigt, sie bis 14 Uhr als "Gäste" zu betrachten. Gegen 14.20 Uhr rollten die Besetzer dann tatsächlich absprachegemäß das Transparent ein und kamen vor die Tür, um ihre Forderung näher zu erläutern: "Ilhan Y. sitzt seit über einem Jahr ohne Grund in Isolationshaft", so Santiago Gonzales vom Ausländerbeirat Hannover und Sprecher der Besetzer. Y. dürfe lediglich morgens zwischen 4 und 5 Uhr auf den Gefängnishof. Außerdem werde er vom Vollzugspersonal schikaniert. Ferner sei seine Gesundheit durch die Haftbedingungen angegriffen; er habe einen Hörsturz erlitten. Auch Susanne Uhl von der Regenbogen-Gruppe in der Bürgerschaft ist empört: "Ich sympathisiere nicht mit der DHKP-C, aber Isolationshaft ist unter dem Gesichtspunkt der Menschenrechte nicht vertretbar und unserer Demokratie unwürdig". "Von Isolationshaft kann keine Rede sein", widerspricht Simone Käfer, Sprecherin der Justizbehörde. "Ilhan Y. befindet sich auf Grund seiner DHKP-C-Zugehörigkeit lediglich in Einzelhaft. So soll verhindert werden, dass er Kontakte zu Mithäftlingen zur politischen Agitation nutzt. Besuch von Verwandten darf er natürlich empfangen und selbstverständlich auch von seinem Verteidiger". Y. werde ärztlich überwacht, sein Gesundheitszustand sei trotz des Hungerstreiks stabil, wie Simone Käfer klarstellte. Das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) hat gestern einen Beschluss gefasst, nach dem Y. sofort in die Justizvollzugsanstalt Vierlande verlegt werden kann. Bedingung sei aber, dass er seinen Hungerstreik abbreche, da er dort nicht intensivmedizinisch betreut werden könne. Dies hat Y. jedoch abgelehnt.