Neue Luzerner Zeitung, 25.1.2000

Signale an den «grossen Satan»

Iran­USA: Teheran erklärt sich bereit, über die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zu verhandeln

VON BIRGIT CERHA, NIKOSIA

Der «grosse Satan», wie Revolutionsführer Khomeini einst die USA beschimpfte, erhitzt auch 21 Jahre nach dem Sieg der islamischen Revolution die Gemüter im Iran wie kein anderes aussenpolitisches Thema. Der von Präsident Mohammed Chatami eingeleitete Versuch, die «Mauer des Hasses» zwischen den beiden Nationen zu durchstossen, erweist sich vorerst als kaum erfolgreich. Winzige Schritte zur Annäherung stossen auf grosse Hürden.

Von gleich zu gleich

Nun aber stellte Aussenminister Charrasi klar, dass der Iran «bereit» sei, mit den USA über die Wiederaufnahme der vor 20 Jahren abgebrochenen Beziehungen «zu verhandeln». Allerdings müssten solche Gespräche auf der «Basis gemeinsamer Interessen und der Gleichheit» geführt werden. «Im Fussball», fügte Charrasi aus aktuellem Anlass hinzu, seien «beide gleich, in der Politik aber nicht». Ein Spiel zwischen den beiden Nationalteams im kalifornischen Pasadena zu Monatsbeginn endete 1:1. Die Annäherungsversuche stossen vor allem in Iran auf harte interne Widerstände. Die Demütigung der Supermacht, die mit der 444 Tage andauernden Besetzung der US-Botschaft 1979/80 und der Gefangenhaltung von 55 US-Diplomaten gelang, half den Iranern in den Augen der Revolutionsführung, ihre nationale Würde wiederzuerlangen. In Iran hat man nicht vergessen, dass die Supermacht zuvor mehr als 25 Jahre lang im Land Interessenpolitik betrieben hatte. Und die konservativen Kräfte des Regimes verzeihen es Washington nicht, dass es in den vergangenen zwei Jahrzehnten alles versuchte, um Khomeinis Republik zu destabilisieren.

Klare Bedingungen

Deshalb bleibt Chatamis Handlungsspielraum eng begrenzt, wenn er auch die Amerikaner zum «Dialog der Zivilisationen» aufruft. Dieser Dialog ­ das stellte auch Charrasi erneut klar ­ lässt sich nach Teheraner Vorstellungen erst dann auf politische Ebene heben, wenn Washington seine Haltung gegenüber der islamischen Republik entscheidend ändere. Charrasi fasste jüngst die «praktischen Signale» zusammen, die die Iraner von Washington erwarteten. Dazu zählt das Ende der «feindseligen Propaganda», der wirtschaftlichen Sanktionen und vor allem auch die Freigabe der seit 20 Jahren eingefrorenen iranischen Guthaben. Als Zeichen dafür, dass Chatami den Amerikanern entgegenkommen wolle, gaben die Iraner deutlich zu erkennen, dass sie einem nahöstlichen Friedensabkommen nicht im Wege stehen würden, wenn die Palästinenser dieses akzeptierten. Und US-Präsident Clinton räumte jüngst ein, die Iraner hätten ein Recht, böse zu sein, da sie in der Vergangenheit «durch diverse westliche Länder misshandelt» worden seien.

Beidseits Anlass zur Klage

Doch Teheran wertete diese Worte nicht als die geforderte offizielle Entschuldigung für amerikanisches Verhalten. Annäherungsversuche erlitten mehrfach schwere Rückschläge. So löste etwa die angeblich schlechte Behandlung, die eine Gruppe iranischer Universitätsprofessoren bei der Einreise in die USA durch die Einwanderungsbehörden erfuhr, daheim helle Empörung aus. Ist der Iran Atommacht?

Ebenso erzürnt die jüngste Warnung des US-Geheimdienstes CIA, der Iran sei schon sehr bald in der Lage, Atomwaffen zu produzieren. Teheran leugnet dies. Und zum 20. Jahrestag der Besetzung der US-Botschaft am 4. November stellte der oberste geistliche Führer Chamenei erneut klar, dass an die Aufnahme der Beziehungen zum «grossen Satan» nicht zu denken sei. Die Amerikaner kontern mit dem Vorwurf, Teheran halte sein Versprechen nicht, keine «Terror-Gruppen» mehr zu unterstützen.

Öffentliche Diskussion erlaubt

Dennoch lassen die jüngsten Ereignisse erkennen, dass sich die politischen Realitäten mehr und mehr verändern. Erstmals gab es am 4. November auch eine Kundgebung, die nach Dialog mit den Amerikanern rief. Und in der Öffentlichkeit wird die Diskussion über die Neugestaltung der Beziehungen zum «grossen Satan» nicht länger unterdrückt. Diverse gemeinsame sportliche Veranstaltungen fördern die Bereitschaft, die alte Feindschaft zu über denken. Die Chatami nahestehenden Medien sprechen von «neuen Realitäten». Manche Kreise drängen auch auf die rasche Verbesserung der Beziehungen zu Washington, damit die wachsende europäische Handelspräsenz in Iran eine gesunde Konkurrenz erhalte. Noch freilich vermögen sich die mächtigen Konservativen solch pragmatischer, kommerzieller Denkweise nicht anzuschliessen.