Die Welt, 22.1.2000

Gute Stimmung in Ankara

Türkei und Griechenland treffen Abkommen über Terrorismus und Umwelt

Von Evangelos Antonaros

Athen - "Holsgeldiniz Jorgo" - "Willkommen Jorgo". Mit diesen Worten begrüßte "Hürriyet", die größte Tageszeitung der Türkei, Georgios Papandreou, der als erster griechischer Außenminister seit 1962 dem Nachbarn Türkei einen offiziellen Besuch abstattete. "Eisiges Wetter, warme Atmosphäre bei den Gesprächen", stellte Athens Zeitung "Ta Nea" fest.

In der Tat demonstrierten Papandreou und sein türkischer Gastgeber Ismail Cem, dass ein neues Kapitel in den schwierigen Beziehungen der beiden Nato-Nachbarn zueinander begonnen hat. Die Pressekonferenz hielten die polyglotten Außenminister bezeichnenderweise auf der gemeinsamen Verständigungssprache Englisch - sehr zur Verblüffung nicht nur der Medienvertreter, sondern auch der Nationalisten auf beiden Seiten, die die vorsichtige Annäherung mit größter Skepsis verfolgen. Unterzeichnet wurden in Ankara vier bilaterale Abkommen zur Terrorismusbekämpfung, zur Eindämmung der illegalen Einwanderung, zu

Umweltschutzfragen, zum Fremdenverkehr und zu Investitionsfragen. Vier weitere Verträge sollen beim Gegenbesuch Cems in zwei Wochen in Athen unterzeichnet werden.

Mühselige Kleinstarbeit war vorangegangen, die trotz des weitgehend unpolitischen Charakters der bisherigen Abmachungen die beiden Minister keineswegs unterschätzen wollen: "Durch solche Abkommen entsteht Vertrauen, die beiden Länder können näher aneinander rücken", haben Papandreou und Cem nahezu gleichlautend festgestellt. Die Verbesserung im atmosphärischen Bereich ist beeindruckend, zumal die Beziehungen der beiden Länder vor knapp einem Jahr im Zuge der Öcalan-Affäre einen absoluten Tiefststand erreicht hatten. Die Bildung einer neuen Regierung in Ankara sowie Athens strategische Entscheidung, den Weg der Türkei in Richtung Europa freizumachen, erleichterten das Rapprochement.

Seit Athen auf dem Helsinki-Gipfel im Dezember die Türkei als EU-Beitrittskandidaten akzeptierte, kommt die Annäherung mit zusätzlichem Elan voran. Athen will Ankara mit seinen eigenen Erfahrungen bei den EU-Verhandlungen aktiv unterstützen. Zum ersten Mal seit vielen Jahren werden Einheiten der türkischen Streitkräfte am Nato-Manöver Dynamic Mix 2000 in Griechenland teilnehmen. Und sogar im Sportbereich sucht man nach gemeinsamen Wegen: Beide Länder wollen sich gemeinsam um die Fußball-Europameisterschaft 2008 bemühen.

Die Divergenzen in den politischen Hauptfragen - vor allem hinsichtlich des Territorialdisputs in der Ägäis, aber auch die Zypernfrage - bleiben von diesen Annäherungen freilich weiterhin unberührt. Aus griechischer Sicht sollten sie vorsichtig und nur nach gründlicher Vorbereitung angegangen werden. Nach Papandreous Auffassung könnten Fortschritte zunächst weniger im politischen Bereich als vielmehr in Fragen der Wirtschaftsbeziehungen erzielt werden und schrittweise zur Überwindung der Gegensätze beitragen. Ankaras Regierungschef Bülent Ecevit plädierte im Gespräch mit Papandreou dagegen für einen "allumfassenden Dialog" und lud Griechen-Premier Kostas Simitis nach Ankara ein.

Unbestritten ist indes, dass beide Regierungen sehr umsichtig vorgehen. Denn die Nationalisten auf beiden Seiten lauern auf vermeintliche Fehltritte, um dann den "Ausverkauf der nationalen Interessen" anzuprangern.