newsclick, 20.1.2000

Salzgitter

Das Bündnis will weiter gegen Gewalt und Ausländerfeindlichkeit antreten

Kurden-Familie in der Türkei besucht

Von Jörg David

Walter Gruber klang schon ein wenig resigniert, als er während des jüngsten Treffens die Situation beschrieb, in der sich das Bündnis gegen Gewalt und Ausländerfeindlichkeit nach seiner Einschätzung derzeit befindet. Da war zunächst das Schicksal der kurdischen Familie Genç, die trotz aller Bemühungen abgeschoben worden war. Und dann vermisste der Bündnissprecher wohl auch Unterstützung der am Bündnis beteiligten Organisationen: "Wir sind in einer kritischen Lage!"

Immerhin verschickte Gruber zu Treffen wie dem in der Fredenberger Friedenskirche 110 Einladungen - meist vergeblich. Auch diesmal seien nicht einmal 20 Unentwegte erschienen. Mit Ausnahme der Grünen lasse sich beispielsweise seit langem keine der politischen Parteien mehr sehen. "Dabei kann man auch heute noch an fast jedem Tag von ausländerfeindlichen Gewalttaten in der Zeitung lesen", berichtete Gruber.

Von Katastrophe gezeichnet

Nur vortragen konnte er die Reiseeindrücke von Pfarrer Hartmut Barsnick, der frühere Fredenberger Seelsorger hatte seinen Besuch witterungsbedingt abgesagt.

So gab es keine Dias vom derzeitigen Aufenthaltsort der kurdischen Familie Genç, die derzeit in Mersin an der türkischen Südküste lebt. Die bereits vor einigen Jahren von Erdbeben betroffene Region um Adana, wo die Familie beim Bündnis-Besuch lebte, sei allerdings immer noch von der Katastrophe gezeichnet.

Türkische Sitzungsteilnehmer ergänzten, dass in diesem Gebiet allerdings auch die einheimische Bevölkerung immer noch in Notquartieren leben müsse. Barsnick und Gruber fördern derzeit von Deutschland aus die Schulanmeldung, unter anderem müssen die Kinder mit Schuluniformen ausgestattet werden. Keine neuen Erkenntnisse gebe es zum Aufenthaltsort des kurdischen Familienvaters. Gruber erklärte, dass nicht klar sei, ob der Mann untergetaucht oder verhaftet worden sei.

"Acht von zehn Kirchenasylen sind erfolgreich, was haben wir falsch gemacht?" Auf Grubers Frage entgegnete Gerhard Graw, dass die Abschiebung dieser Familie natürlich eine Enttäuschung für das Bündnis gewesen sei: "Wir haben damals unheimlich viele Kräfte gebunden, aber Bedarf gibt es immer noch."

Im März Tag gegen Rassismus

Auch die übrigen Diskussionsteilnehmer fanden immer wieder Beispiele für Themen, zu denen das Bündnis gefragt sei oder Informationen vermitteln müsste. So werde die Abschiebepraxis immer härter, gelte es die Ursachen der immer noch spürbaren Fremdenfeindlichkeit aufzuzeigen und Informationslücken zum neuen Staatsbürgerschaftsrecht zu schließen. Hier müsse das Bündnis auch überprüfen, wie das geänderte Einbürgerungsrecht in Salzgitter umgesetzt werde. Nahziel soll aber zunächst die von Werner Kubitza angeregte Beteiligung am Tag gegen Rassismus am Dienstag, 21. März, sein.