junge Welt, 20.1.2000

Grüner Umweltengel

Kabinett verabschiedet Rüstungsexport-Richtlinien

Die zur Schau getragene Freude der grünen Menschenrechtsexpertin Claudia Roth über die am Mittwoch im Bundeskabinett abgesegneten neuen Richtlinien für künftige deutsche Rüstungsexporte erinnert stark an Jubel-Pirouetten der Grünen nach der Verkündung des Atomausstiegs in 30 Jahren. Roth, die mit Gernot Erler (SPD) am Entwurf des vor allem von den Grünen eingeforderten Waffenexportregelwerks entscheidend beteiligt war, ist ernsthaft der Ansicht, daß nun erstmals eine restriktive Rüstungsexportpolitik betrieben werden kann. Die in der einen oder anderen Form auch international definierten Menschenrechte werden dabei zu einem Zauberwort.

Als Politschablone sollen sie schon immer anrüchigen Handel mit Waffen nun einen rot-grünen Unbedenklichkeitsstempel aufdrücken. Claudia Roth beruhigt: Falls ein »hinreichender Verdacht« bestehe, daß bestellte Waffen in anderen Ländern zur »internen Repression oder zu systematischen Menschenrechtsverletzungen mißbraucht werden«, dürfe keine Genehmigung erteilt werden.

Das sind Worte, die nach einem gegen die SPD erstrittenen Kompromiß in jedem Einzelfall auszulegen sind. Schon gestern merkte Gernot Erler an, daß hier ein »Balance« gelungen sei zwischen politischer Exportkontrolle und dem deutschen Interesse, auch künftig industriell kooperationsfähig auf dem Rüstungsgebiet zu sein. Der Schutz des Rüstungsstandorts ist zumindest der SPD genauso wichtig wie per Gesetz saubere Hände in Sachen Waffenexport. So kann die Industrie für Lieferungen in NATO- und EU-Staaten, nach Australien, Neuseeland, in die Schweiz oder Japan ein generelles Export- Ja voraussetzen.

Das kann angesichts der bisherigen Exportpraxis so schwer nicht sein. Im Fall Türkei etwa pocht auch Claudia Roth darauf, daß natürlich angesichts der Unterdrückung der Kurden derzeit keine Panzer in die Türkei geliefert werden dürfen. Kriegsschiffe schon. Die sind ja nicht für den Krieg gegen die Kurden zu gebrauchen. Auch 145 deutsch- französische Kampfhubschrauber Tiger werden wohl ohne deutschen Einspruch geliefert werden können, selbst wenn die Deutschen in solchen Kooperationen eine Art Veto anmelden wollen. Ganz zu schweigen von 500 000 Heckler-und-Koch- Gewehren, die nicht im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion stehen. In US-Statistiken, die Neugeschäfte auflisten, rückte Deutschland als Waffenhändler mit 9,2 Milliarden Mark auf Platz zwei hinter die USA. Das ist die Praxis zum Papier.

Bernd Verter