Frankfurter Neue Presse, 19.1.2000

Türkei diskutiert über Verbot der Tugend-Partei

Istanbul. Der türkische Generalstaatsanwalt Vural Savas hat am Dienstag das Verbot der islamistischen Tugend-Partei (FP) gefordert. "Wenn wir nicht unsere Pflicht tun, dann schaffen wir die Grundlage für den Anfang vom Ende der Türkischen Republik", sagte er am Dienstag vor dem Verfassungsgericht in Ankara.

Die Partei stelle eine "deutliche und gegenwärtige Gefahr" dar. Savas wirft der Tugend-Partei vor, dass sie sich gegen die laizistische Grundordnung - die Trennung von Staat und Religion - wende. Die Tugend-Partei ist die bedeutendste Oppositionspartei. Nach Ansicht von Savas habe die Partei auch den Streit um die "Kopftuch-Abgeordnete" Merve Kavakci geplant.

Die Istanbuler Abgeordnete war im vergangenen Jahr zur feierlichen Vereidigung im Parlament mit Kopftuch erschienen und hatte damit einen Tumult ausgelöst. In der Türkei wird das Tragen eines Kopftuches als politisches Symbol angesehen und ist daher in öffentlichen Einrichtungen wie an Schulen und Universitäten nicht erlaubt.

In der kommenden Woche werden die Anwälte der Tugend-Partei ihre Verteidigungsreden vortragen. Die islamistische Tugend-Partei war Ende 1997, kurz vor dem Verbot ihrer Vorgängerin, der fundamentalistisch eingestuften Wohlfahrtspartei (RP) gegründet worden. (dpa)