taz, 20.1.2000

Koalitionskrach lohnt sich

Das Bundeskabinett beschließt strengere Richtlinien für den Rüstungsexport.

Ein Export von Panzern an die Türkei ist demnach nicht mehr möglich

Von Eberhard Seidel

Berlin (taz) - Ein Export von Leopard-II-Panzern an die Türkei ist bis auf weiteres nicht mehr möglich. Die Grünen können aufatmen. Der Koalitionskrach im vergangenen Oktober, als der Bundessicherheitsrat die Lieferung eines Test-Panzers an Ankara genehmigte, hat sich gelohnt. Gestern hat das Bundeskabinett in Berlin verschärfte Richtlinien für den Rüstungsexport beschlossen. Danach dürfen Rüstungsgüter nicht mehr ausgeführt werden, wenn sie in den Empfängerländern zur internen Repression und zur Verletzung der Menschenrechte missbraucht werden können. Dieses gilt nach Angaben des Auswärtigen Amtes im Einzelfall auch für Nato-Länder wie die Türkei.

Die menschenrechtspolitische Sprecherin der Grünen, Claudia Roth, die an der Ausarbeitung der Richtlinien beteiligt war, bezeichnet die neuen Grundsätze als "deutliche Verbesserung". Erstmals solle eine restriktive Rüstungsexportpolitik verwirklicht werden. Die Zustimmung zur Ausfuhr bleibt allerdings eine politische Entscheidung der Bundesregierung, wenngleich die Kriterien, an denen sie sich orientieren sollte, nun präziser gefasst sind.

Künftig werden die möglichen Empfängerländer von Rüstungsgütern in zwei Gruppen eingeteilt. Der ersten Gruppe gehören neben den Nato-Ländern und den EU-Mitgliedstaaten die Schweiz, Neuseeland, Japan und Australien an. Für diese Gruppe ist die Genehmigung der Regelfall, auch wenn es Ausnahmen, wie möglicherweise bei der Türkei, geben kann.

Der zweiten Gruppe gehören alle übrigen Staaten an. Bei diesen Ländern soll die Ablehnung der Regelfall sein. Jeder Rüstungsexport muss als Ausnahme begründet werden. Dies bedeutet, dass künftig auch die Asean-Staaten nicht mehr den Nato-Mitgliedern gleichgestellt sind. Geliefert wird nur, wenn außen- und sicherheitspolitische Interessen der Bundesrepublik sowie Bündnisinteressen dafür sprechen. Beschäftigungspolitische Interessen der Rüstungsindustrie sollen bei Belieferung der Länder dieser Gruppe keine ausschlaggebende Rolle mehr spielen.

Künftig, so sehen es die Richtlinien vor, wird die Lieferung von Kriegswaffen sowie von Anlagen und Unterlagen zur Herstellung von Kriegswaffen nicht mehr in Länder genehmigt, die in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind oder wo solche drohen. Bei der Beurteilung der Menschenrechtssituation im Empfängerland wird nicht mehr nur auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes zurückgegriffen. Es werden zusätzlich Erkenntnisse der UN, der EU, der OSZE, des Europarates sowie internationaler Menchenrechtsorganisationen einbezogen.

Bei der Entscheidung über die Exportgenehmigung wird nun auch berücksichtigt, ob die ökonomischen und sozialen Entwicklungschancen des Empfängerlandes durch unverhältnismäßig hohe Rüstungsausgaben ernsthaft beeinträchtigt werden. Ferner wird das bisherige Verhalten der Länder bei der Unterstützung von Terrorismus und der internationalen organisierten Kriminalität geprüft.

Auch an den Endverbleib werden strengere Anforderungen gestellt. Sprich: Die Empfängerländer müssen sicherstellen, dass sie die Waffen nicht in Drittländer exportieren. Länder, die gegen diese Klausel verstoßen, sollen bis auf weiteres kein Gerät mehr erhalten.

Damit auch alles transparent bleibt, legt die Bundesregierung künftig jährlich einen Rüstungsexportbericht vor.

Erwartungsgemäß kritisierte die Union die neuen Richtlinien. Sie seien keine ausreichende Grundlage für verlässliche Exportentscheidungen, monierte Paul Breuer, verteidigungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion. "Bei aller Bedeutung der Menschenrechte gerade in der europäischen Politik geht es auch um andere wichtige europäische Werte wie Stabilität und Bündnisfähigkeit." Deutschland drohe in die Isolation zu geraten.