Der Standard (A), 19.1.2000

Irak bleibt Spaltpilz im Sicherheitsrat

Keine Einigung auf Chef der neuen Abrüstungskommission

Gudrun Harrer

Wien/New York/Bagdad - Das Irak-Schlamassel ist fast perfekt. Einen Monat, nachdem der UNO-Sicherheitsrat in New York per Resolution eine neue Abrüstungskommission für den Irak, genannt Unmovic (U.N. Monitoring, Verification and Inspection Commission), geschaffen hat, demonstrieren die Sicherheitsratsmitglieder wieder einmal ihre fast schon legendäre Uneinigkeit in Sachen Irak. Es ist in der in Resolution 1284 vorgesehenen Frist nicht gelungen, einen Unmovic-Chef aufzutreiben, obwohl UN-Generalsekretär Kofi Annan mit einer Liste bis zu 25 Namen hausieren ging.

Zuletzt blieb Annan am Montag nichts anderes übrig, als in Eigenregie einen Kandidaten zu nominieren - ausgerechnet den Schweden Rolf Ekeus, der die Unmovic-Vorgängerorganisation Unscom von 1991 bis 1997 leitete und sich bei seinen Versuchen, den irakischen Massenvernichtungsprogrammen auf die Spur zu kommen, eine Reihe anschaulicher Schimpfnamen von irakischer Seite einhandelte ("räudiger Hund" etc.).

China und Russland haben prompt signalisiert, dass eine Zustimmung zu Ekeus für sie nicht in Frage kommt, auch Frankreich tönt skeptisch ("Zweifel an Reformwillen"), und aus Bagdad kam ja schon vorher eine totale Ablehnung von 1284, obwohl einige Bemerkungen in letzter Zeit - etwa dass man keinen Unmovic-Chef aus einem Nato-Land akzeptieren würde - darauf hinzuweisen schienen, dass Saddam Hussein wie schon öfter seine Meinung ändern und einlenken könnte. Auch dass Bagdad einer Delegation der IAEO (Internationalen Atomenergieorganisation) die Einreise für die routinemäßige Überprüfung der irakischen Bestände von schwach angereichertem Uran erlaubt, interpretierten Beobachter als Abschwächung des Konfrontationskurses. Immerhin läuft Resolution 1284 unter Kapitel 7, das heißt Gewaltandrohung bei Nichtbeachtung.

Seit einem Jahr finden im Irak keine Rüstungskontrollen statt, die - im Geruch der Spionage für die CIA stehende - Unscom wurde vor einem viertägigen Militärschlag gegen den Irak im Dezember 1998 abgezogen. Im Gespräch mit dem STANDARD gibt Christian Seelos, Biochemiker und Ex-Unscominspektor, der Unmovic, sollte sie operativ werden, durchaus Chancen. Im Gegensatz zur Unscom, die 1991 im Glauben geschaffen wurde, in ein paar Monaten werde die Abrüstung des Irak erledigt sein, habe man in Resolution 1284 der Unmovic effiziente Strukturen gegeben. Seelos sieht (abgesehen von der Aufhebung der Obergrenze der Ölimporte unter der Abmachung "oil for food", Anm.) als Anreiz an den Irak, dass diesmal "Qualitätskontrollen für beide Seiten" und klare zeitliche Richtlinien für die Abwicklung der Arbeit vorgesehen seien.

Die irakische Führung hat die Unscom jahrelang an der Nase herumgeführt, ihrer 1991, nach dem Golfkrieg, beschlossenen Verschleierungspolitik der ABC-Waffenprogramme folgend. Erst ab 1995 wurde das erschreckende Ausmaß des irakischen Massenvernichtungsarsenals klar. Der Irak gibt an, das laut Unscom heute noch ausständige Material selbst vernichtet zu haben, kann das aber nicht schlüssig belegen und beschuldigt die UNO, aus rein politischen - amerikanischen - Interessen die Anschuldigungen - und damit die UNO-Sanktionen - aufrecht zu erhalten.