Tirol online, 19.1.2000

Kurden auf Autobahn ausgesetzt

Schlepper-Organisationen schmuggelten 56 Männer, Frauen und Kleinkinder nach Tirol.

MATREI, INNSBRUCK. 20 bei Nacht und Nebel auf der Brennerautobahn ausgesetzte Männer, Frauen und Kinder. 36 in einem Klein-Lkw zusammengepferchte Kurden - "ärger wie in einem Tiertransporter", so Gendarm Pepi Fink, Leiter der AGM-Gruppe Zirl.

Innerhalb weniger Stunden mussten sich Tirols Gendarmen am Dienstag um insgesamt 56 Kurden, darunter Kleinkinder und eine hochschwangere Frau, kümmern, die von Schlepper-Organisationen nach Tirol geschmuggelt worden waren.

Der erste Fall flog kurz nach Mitternacht auf: Zwei Gendarmen auf der Heimfahrt entdeckten bei Matrei eine Gruppe von "Spaziergängern", die scheinbar ziellos der Brennerautobahn entlang irrte. Autobahngendarmen und Beamte der AGM-Gruppe Zirl stellten wenig später 20 Kurden, darunter zwei Frauen und vier Kleinkinder.

Besonders brutal die Vorgangsweise der Schlepper: Die Lenker der beiden Schmuggel-Lkw, angeblich Türken, setzten ihre Passagiere einfach bei der Agip-Tankstelle in Matrei aus und überließen sie ihrem Schicksal. "Die 20 Kurden dachten, sie seien bereits in Deutschland", so Pepi Fink. Dass die Menschenschmuggler kalte Füße bekommen und daher die Kurden auf der Autobahn ausgesetzt haben, liegt vermutlich an der Gendarmerie. "Offenbar hat ein Späher den Lkw-Lenkern die Gendarmerie-Kontrollen in Schönberg gemeldet."

3500 Dollar für Reise nach Deutschland

Wie die Ermittlungen ergaben, dürften die Kurden pro Person für den Transport 3500 Dollar bezahlt haben. Die Schlepper sind über alle Berge. Die ausgehungerten Einwanderer wurden zunächst mit Nahrung und Medikamenten versorgt und dann nach Italien abgeschoben.

Dienstag gegen 8.30 Uhr stießen Gendarmen auf der Inntalautobahn beim Ampasserhof auf das zweite Einwanderer-Drama. In einem gemieteten Klein-Lkw entdeckten die Beamten 36 zusammengepferchte Kurden aus Syrien. "Etwa die Hälfte sind Kleinkinder, auch eine hochschwangere Frau war im Lkw", ist Gendarm Pepi Fink erschüttert.

Die Schlepper, zwei Deutsche, wanderten in Untersuchungshaft, die Kurden wurden nach der Versorgung im ehemaligen Zollamt Brenner nach Italien ausgewiesen. Sicherheitsdirektor Ferdinand Knapp nimmt die Schmuggelfälle wieder einmal zum Anlass, auf die fehlende Infrastruktur aufmerksam zu machen: "Seit drei Jahren fordern wir eine Anhaltestation, wo wir die Menschen entsprechend versorgen können, bisher vergeblich."