Süddeutsche Zeitung, 18.1.2000

Auch Menschenrechte als Kriterium

Grüne rechtfertigen die neuen Richtlinien zum Waffenexport

Der Kosovo-Krieg war noch nicht lange vorbei, da erlebten die Grünen im vergangenen Herbst ihren außenpolitischen Gau. Ihr Außenminister wurde im Bundessicherheitsrat überstimmt, die Türkei bekam ihren Testpanzer Typ Leopard II. Der Panzerdeal beschäftigt die Grünen bis heute. Es gibt kaum eine Basisversammlung, bei der Bundestagsabgeordnete nicht versichern müssen, dass sie alles in ihrer, wenn auch begrenzten, Macht Stehende täten, um zu verhindern, dass dem Testpanzer weitere 1000 Kettenfahrzeuge folgen werden. "Jetzt geht das Geschäft nicht mehr", sind die Grüne Wehrpolitikerin Angelika Beer und die Abgeordnete Claudia Roth überzeugt.

Roth und Beer erläuterten am Montag in Berlin dem Parteirat der Grünen die neuen Rüstungsexportlinien der Koalition, die am Mittwoch auch das Kabinett verabschieden soll, wenn eine Staatssekretärsrunde zuvor das Papier noch gutheißt.

Triumphgeheul hat das Papier bei den Grünen nicht ausgelöst, aber die Partei ist entschlossen, die neuen Richtlinien zu verteidigen. Roth sagt: "Wir haben nicht gedacht, dass wir soviel erreichen." Skeptischere Stimmen aus den Reihen des Parteirats meinten, erst die Praxis im Bundessicherheitsrat, der über Rüstungsexporte entscheidet, werde zeigen, was die neuen Richtlinien wert sind.

Beer ist schon "gespannt, wie die Industrie darauf reagiert", und ob jetzt wieder das Argument "vom Job-Killer Rot-Grün" kommt, denn, so glaubt auch die grundsätzlich vorsichtige Wehrpolitikerin: "Es wird deutlich, dass wir in der Bundesregierung Veränderungen vornehmen". Als wichtigsten Erfolg werten die Grünen, dass als zusätzliches Kriterium für den Waffenexport nun die Lage der Menschenrechte im Empfängerland gilt. Für diese Forderung bekamen die Grünen im Dezember auch die Unterstützung des SPD-Parteitags. Zur Lagebeurteilung sollen neben offiziellen Berichten auch die von Nichtregierungsorganisationen wie amnesty international dienen. Länder, die Rüstungsimporte unerlaubt an andere Nationen weitergeben, sollen keine Waffen mehr geliefert bekommen. Neu ist auch ein jährlicher Rüstungsexportbericht für das Parlament.

Darauf allerdings beschränkt sich auch schon die parlamentarische Kontrolle. Die Grünen wollten noch mehr Transparenz, waren damit aber in den Verhandlungen mit Michael Steiner, dem außenpolitischen Berater des Bundeskanzlers, und den Staatssekretären der beteiligten Ressorts chancenlos.

Schwer kontrollierbar bleibt der Bereich der europäischen Rüstungskooperation. In den Richtlinien aus dem Jahr 1982 wurde den Kooperationsinteressen noch "Vorrang" eingeräumt. Der Vorrang ist zwar weg, aber das "besondere Interesse" an der Kooperationsfähigkeit der Industrie wird immer noch betont. Bei neuen Verträgen sollen die Partner aber nun ein "Konsultationsverfahren" verabreden. Wenn die Exportwaffen zu "internen Repressionen" eingesetzt werden könnten, soll die Bundesregierung von "wirksamen Einwendungen" Gebrauch machen. Ob dies dann das Ende einer Kooperation bedeutet, wird erst die Praxis zeigen. Rückwirkend, also bei bereits eingegangene Verträgen, werden die Richtlinien nicht gelten. "Es wird nicht so sein, dass es gar keinen Export mehr gibt", sagt Beer. Das müssten auch die Grünen wissen.

Christiane Schlötzer