taz Hamburg, 17.1.2000

Dolmetscher darf nicht übersetzen

Fast 30.000 KurdInnen in Hamburg und kein Dolmetscher für ihre Sprache: Hüseyin Dozen klagt auf Zulassung

Von Elke Spanner

Als Dolmetscher arbeitet Hüseyin Dozen seit 15 Jahren. Unzählige Male hat er bei Gericht und Behörden übersetzt. Doch vor jedem Prozess muss er erneut einen Eid sprechen, manchmal vier Mal die Woche. Denn Dozen übersetzt auf Kurdisch - und das wird von der Innenbehörde nicht als amtliche Sprache anerkannt. In Hamburg gibt es zwischen 25.000 und 30.000 kurdischsprachige MigrantInnen und Flüchtlinge - und nicht einen vereidigten Dolmetscher für ihre Sprache. Um das zu ändern, ist Dozen nun vors Verwaltungsgericht gezogen. Dort klagt er auf allgemeine Vereidigung zum Dolmetscher und Übersetzer.

Was nicht das gleiche und in diesem Fall sogar ein wesentlicher Unterschied ist. Denn gedolmetscht wird mündlich, übersetzt schriftlich. Die Innenbehörde sagt, die kurdische Sprache sei ausschließlich gesprochen, folglich zum Dolmetschen, nicht aber zum Übersetzen geeignet. "Auf Kurdisch gibt es keine amtlichen Rechtstexte und Urkunden", begründet Sprecherin Susanne Fischer. Somit darf auch Dozen etwa bei Gericht mündlich von der einen in die andere Sprache vermitteln, "Übersetzer" nennen darf er sich hingegen nicht. Und eine allgemeine Vereidigung sieht das Hamburgische Dolmetschergesetz nur in der Kombination Dolmetscher und Übersetzer vor.

Doch ohne die wird Dozens Name nicht in die offizielle Liste der Sprachmittler aufgenommen, die bei Gerichten und Behörden vorliegt. Die dort aufgelisteten Dolmetscher werden bei Bedarf beauftragt. Er hingegen muss jedes Mal von neuem schwören, dass er übersetzen kann und das auch gewissenhaft tut.

Andere Bundesländer kennen ein solches Problem nicht. In Hessen und Niedersachsen etwa werden Dolmetscher für die kurdische Sprache allgemein vereidigt. Dozen selbst hat zwar keine Zulassung in Hamburg - in Lüneburg und Stade aber doch.

Seine Rechtsanwältin Cornelia Ganten-Lange hat dem Verwaltungsgericht dargelegt, dass Kurdisch sehr wohl auch eine Schriftsprache ist. Zeitschriften und Zeitungen erschienen in kurdischer Sprache. An der Uni Hamburg wird Kurdisch gelehrt. In Teilen des Irak werde in Schulen auf Kurdisch unterrichtet. Die dortige regionale Regierung habe im übrigen bereits über 100 Gesetze auf Kurdisch erlassen. Weltweit, so Ganten-Lange, würden 25 Millionen Menschen diese Sprache sprechen. Allein die Tatsache, dass sie keinen eigenen Staat haben, könne "wohl nicht dazu führen, dass 25 Millionen Menschen von der Benutzung ihrer Sprache über einen Sprachmittler ausgeschlossen sein sollen".

Ein aus Syrien stammender Freund von Dozen beispielsweise spricht außer Kurdisch keine weitere Sprache. Deshalb bat er Dozen vor kurzem, ihn zur Führerscheinprüfung zu begleiten. Der Freund mußte ohne Fahrerlaubnis wieder nach Hause gehen. Die Prüfung wurde ihm verwehrt. Weil er den falschen Dolmetscher an seiner Seite hatte. Der nämlich, stellte das zuständige Amt fest, stehe nicht auf der Liste der allgemein vereidigten Übersetzer.