Frankfurter Rundschau, 11.1.2000

Belgien bewacht Grenzen mit Hunden und Helikoptern

Illegal Eingewanderte können gültige Papiere beantragen / Brüssel befürchtet verstärkten Menschenschmuggel

Von Thomas Roser

Illegal eingewanderte Ausländer, die seit Jahren in Belgien leben, können innerhalb der kommenden drei Wochen eine zeitlich unbegrenzte Aufenthaltsgenehmigung beantragen. Mit verstärkten Grenzkontrollen hofft Brüssel, das Einschmuggeln weiterer illegal Eingewanderter zu verhindern.

BRÜSSEL, 10. Januar. Seit Montag werden Reisende nach Belgien erstmals seit 1995 bei der Einreise wieder streng kontrolliert. Das Innenministerium in Brüssel hat Hunderte zusätzlicher Polizisten, Helikopter und Suchhunde zur Überwachung der Grenzen aufgeboten. Die Identität aller einreisenden Personen werde überprüft, versichert ein Gendamerie-Sprecher: "Illegale, die an der Grenze geschnappt werden, schicken wir sofort zurück." Eigentlich sieht der 1995 in Kraft getretene Vertrag von Schengen den Wegfall von Personenkontrollen zwischen den Grenzen der Unterzeichnerstaaten vor. Doch der liberale Innenminister Antoine Duquesne fühlt sich nun zur zeitlichen Aussetzung des Vertrages genötigt. Er befürchtet, dass Schlepperbanden gezielt Ausländer nach Belgien einschleusen wollen. Der Grund: Drei Wochen lang können sich in Belgien lebende illegal Eingereiste unter bestimmten Bedingungen bei den Gemeinden um eine nachträgliche Aufenthaltsgenehmigung bemühen.

Bei den Koalitionsverhandlungen im vergangenen Sommer hatten die grünen Schwesterparteien Agalev und Ecolo die Legalisierung langjähriger so genannter Illegaler zur Bedingung für den Eintritt in die Sechsparteienregierung des liberalen Premiers Guy Verhofstadt gemacht. Ursprünglich wollte die Regierung das Amnestievorhaben bereits im Oktober über die Bühne bringen. Doch nach einer erfolgreichen Verfassungsklage des rechtsextremen Flämischen Blocks musste die Koalition das Projekt erst vom Parlament verabschieden lassen. Duquesne sieht es positiv: Brüssel habe so mehr Vorbereitungszeit erhalten. "Ich bin überzeugt, dass nun alle Bedingungen erfüllt sind, um die einmalige Legalisierungsprozedur zu einem Erfolg zu machen."

Anrecht auf eine nachträgliche Aufenthaltsgenehmigung sollen im Prinzip alle illegal eingewanderten Ausländer haben, die nachweisen können, dass sie bereits seit sechs Jahren in Belgien leben. Auch Asylbewerber, die schon länger als vier Jahre auf ihren Bescheid warten, und lebensgefährlich Erkrankte dürfen sich Hoffnung auf eine Aufenthaltsgenehmigung machen. Eine zweite solche Amnestie werde es nicht geben, betont Duquesne. Dimitry Neuckens vom flämischen Minderheitenzentrum weist darauf hin, dass in Frankreich, Spanien und Italien wiederholt "einmalige" Legalisierungskampagnen gestartet wurden - allerdings ohne das Phänomen der illegalen Einwanderung zu beseitigen. "Südeuropäische Länder wollen mit diesen Kampagnen legale Arbeitskräfte finden. Nordeuropa legalisiert meist aus Scham."

In den Großstädten ließen am Montag tausende illegal Eingereister ihre Anträge auf Aufenthaltsgenehmigung registrieren. Duquesne rechnet damit, dass etwa 25 000 der schätzungsweise 70 000 Betroffenen sich bei den Gemeinden melden werden. Menschenrechtsgruppen werfen dem Minister jedoch vor, die Zielgruppe unzureichend informiert zu haben und mit der Verstärkung der Grenzkontrollen unnötig Ängste vor einer "Invasion von Illegalen" zu schüren.