taz, 10.1.2000 Seite 4

Anti-Terror-Streit frühestens im Sommer

Verschärfung des Paragrafen 129a sorgt für Kopfschmerzen bei den Grünen

Freiburg (taz) - Die geplante Verschärfung des Anti-Terror-Paragrafen 129a im Strafgesetzbuch wurde verschoben. SPD und Grüne haben damit einen neuen Koalitionskonflikt vorerst abgewandt.

Es geht um die Umsetzung einer EU-Vorgabe aus dem Jahr 1998. Die Justiz- und Innenminister der 15 EU-Staaten hatten sich auf eine einheitliche Definition einer "kriminellen Organisation" geeinigt. Ziel ist eine bessere Polizei- und Justizzusammenarbeit bei Ermittlungen und bei der Auslieferung vermeintlicher Straftäter. In Deutschland müsste dafür allerdings ein entscheidendes Detail geändert werden. Bisher ist eine "kriminelle" oder "terroristische Organisation" so definiert, dass sie zumindest eine "Teilorganisation" auf deutschem Boden haben muss. Künftig soll es auch genügen, wenn sie ihr Tätigkeitsfeld in einem der EU-Staaten hat. Dies sollte im Strafgesetzbuch mit einem neuen Paragraf 129b klargestellt werden. Ein entsprechender "Vorentwurf" des Justizministerium war in diesem Sommer bereits an die Länder verschickt worden. Der löste bei den Grünen allerdings Kopfzerbrechen aus: Nach dem Ende der RAF wollten sie solche Sondergesetze wie den Paragraf 129a eigentlich lieber abschaffen, statt sie auch noch zu verschärfen. Betroffen wären von Däubler-Gmelins Vorentwurf nämlich nicht nur Mafiosi und bewaffnete Attentäter gewesen, sondern zum Beispiel auch deutsche ETA-Sympathisanten. Da der Paragraf 129a auch die bloße "Werbung" für eine terroristische Vereinigung erfasst, könnte künftig in Deutschland eine unbedachte Diskussion über den baskischen "Freiheitskampf" kriminalisiert werden. Bisher waren Debatten über ausländische Guerillagruppen strafrechtlich nicht relevant.

Das Justizministerium hat den drohenden Konflikt nun entschärft, indem der Vorentwurf kommentarlos wieder zurückgezogen wurde. Offiziell heißt es dazu lediglich, Ministerin Herta Däubler-Gmelin wolle die EU-Vorgabe im Sommer gemeinsam mit anderen Strafrechtsänderungen erledigen.

Christian Rath