Die Presse/ Wien 8.1.2000

Israel und Syrien reizen Friedenspoker aus

Stillstand bei den Friedensverhandlungen in Shepherdstown.

SHEPHERDSTOWN (ag.; c. u.). Trotz engagierter Vermittlungsbemühungen von US-Präsident Bill Clinton sind die israelisch-syrischen Friedensverhandlungen in Shepherdstown auch am fünften Tag nicht vom Fleck gekommen. Syriens Außenminister Faruk Scharaa beharrt nach wie vor darauf, direkt in Gespräche über den künftigen Grenzverlauf einzusteigen. Israels Premier Ehud Barak will hingegen zuerst über Sicherheitsfragen und eine Normalisierung der Beziehungen diskutieren, bevor er Landkarten auf den Tisch legt und den heikelsten Punkt der Verhandlungen anschneidet: den Umfang des Rückzugs von den seit 1967 besetzten Golan-Höhen. Schuld an dem Stillstand trägt naturgemäß die jeweils andere Partei. Aus israelischen Delegationskreisen drang die Klage, daß Syrien keine Sicherheitsgarantien anbiete. Die syrische Tageszeitung "Al Thawara", Sprachrohr der regierenden Baath-Partei, warf Israel vor, am Frieden nicht ernsthaft interessiert zu sein und deshalb übertriebene Sicherheitsforderungen vorzuschieben. In Israel sinkt indessen die Zustimmung zu einem Golan-Abzug. Laut Umfrage der Tageszeitung "Yediot Aharanot" befürworten nur noch 41 Prozent der israelischen Bevölkerung die Aufgabe der Golan-Höhen; im Dezember waren es noch 45 Prozent. Um das drohende Scheitern abzuwenden, hat sich Clinton seit Montag bereits viermal in die Verhandlungen eingeschaltet. Auch am Freitag ließ er sich von Washington in das 120 Kilometer entfernte, verschlafene Städtchen Shepherdstown einfliegen. Abseits dieser dramatischen Gesten ziehen US-Außenministerin Madeleine Albright und ihr Vermittlerstab in sogenannten indirekten Annäherungsgesprächen die Fäden. Ziel der Amerikaner ist es, ein offizielles Arbeitspapier unter Dach und Fach zu bringen, das erste Kompromisse absichern und den Fahrplan zum Friedensvertrag umreißen soll. Israel fordert Milliarden Für Unruhe in US-Regierungskreisen sorgt das militärische "Kompensationspaket" im Umfang von 17 Milliarden Dollar, das Israel den USA im falle eines Friedensschlusses mit Syrien abringen will. "Das sind unrealistische Träumereien", hieß es dazu im Pentagon. Barak hat offenbar noch ganz andere Vorstellungen. Nach Angaben der Tageszeitung "Haaretz" will er in Washington eine Gesamtrechnung von 65 Milliarden Dollar für einen umfassenden Nahost-Frieden vorlegen. 1 Dollar= 13,68 S=0,99 Euro