Hannoversche Allgemeine Zeitung, 8.1.2000

CSU will Türkei nicht in der EU haben

Angesichts der massiven politischen und wirtschaftlichen Unterschiede würde die Aufnahme der Türkei die Integrationskraft der Europäischen Union ebenso überfordern wie die Anpassungsfähigkeit der Türkei, heißt es in einem Diskussionspapier, das der CSU-Landesgruppe am Freitag bei ihrer Klausurtagung im oberbayerischen Wildbad Kreuth vorlag. Der EU-Gipfel hatte der Türkei Anfang Dezember den Status eines Beitrittskandidaten gegeben, ohne sie in die eigentlichen Aufnahmeverhandlungen mit einzubeziehen. Diesen Schritt nennt die CSU in dem Papier einen Fehler. Statt des "unerfüllbaren Versprechens" einer Vollmitgliedschaft müsse dem Land eine ehrliche, realistische Perspektive für eine stabile Partnerschaft eröffnet werden. Edmund Stoiber, CSU-Vorsitzender und bayerischer Ministerpräsident, forderte am Rande der Klausur, die EU müsse ihre Grenzen definieren. Ein Großteil des türkischen Staatsgebietes liege außerhalb Europas. Auch Länder wie Marokko und Tunesien hätten ihr Interesse an einer Aufnahme in die EU angemeldet. Die Gemeinschaft müsse deshalb festlegen, was sie selbst als ihre Grenzen verstehe. Eine Unterschriftenaktion gegen den türkischen EU-Beitritt wird es Stoiber zufolge aber nicht geben. "Das ist Quatsch", sagte er. Nach einem Zeitungsbericht soll es entsprechenden Überlegungen in der CSU geben. Nach der Klausurtagung will Stoiber am Sonnabend fast zeitgleich mit dem CDU-Vorsitzenden Wolfgang Schäuble die Grundzüge der gemeinsamen Pläne für eine Steuerreform präsentieren. Das endgültige Konzept soll bis Ende Januar stehen. Geplant ist eine Nettoentlastung von rund 50 Milliarden Mark. Die CSU erklärte sich bereit, mit der rot-grünen Bundesregierung über die Steuerreform zu reden. Der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Michel Glos, sagte, die Union werde Gespräche nicht blockieren. "An uns soll es nicht scheitern", betonte Glos. Er bekräftigte aber die Forderung, den Mittelstand bei der Reform stärker zu entlasten.

dpa/rtr, Kreuth