Frankfurter Rundschau, 8.1.2000

Altfallregelung

Kirchenasyl und der Fall Karaca

Er sei "nicht die vierte Gewalt", sagt Gießens Landrat Willi Marx (SPD). Er könne sich nicht über die Rechtsprechung hinwegsetzen. Seit September 1998, seit mehr als einem Jahr also, lebt die kurdische Familie Karaca in Gießen-Kleinlinden im Kirchenasyl. Die Petition im Landtag ist abgelehnt, der Eilantrag auf Aussetzung der Abschiebung verworfen. Nein, sagt der Landrat, nach seiner Definition komme die Familie nicht in den Genuss der Altfallregelung. Ein Grund sei der rechtswidrige Aufenthalt der fünf Menschen aus Anatolien am Stichtag 19. November 1999. Ohnedies habe Innenminister Bouffier (CDU) in einem Brief im Juli vergangenen Jahres bestätigt, dass die Leute "vollziehbar ausreisepflichtig" seien.

Die garantierten Rechtswege, die jedem Bürger zustünden, seien alle ausgeschöpft worden, so Marx. "Jetzt muss die Kirche entscheiden, wie sie mit der Situation umgeht". Ein "rechtsfreier Raum" sei Kirche schließlich nicht.

Marx sagt, dass es zwischen Staat und Kirche ein besonderes Vertrauensverhältnis gebe. So lange Nasir Kararca, dessen Unterstützer wegen exilpolitischer Tätigkeiten Repressalien bei der Rückkehr in die Türkei befürchten, unter Obhut der Kirche stehe, "wird nicht vollzogen".

Karaca war vor zehn Jahren nach Deutschland gekommen. Zwei seiner drei Kinder sind hier geboren. "Wir versuchen, was zu bewegen", sagt der Pfarrer. Doch es klingt nicht mehr hoffnungsfroh. tru