Die Zeit online, 6.1.2000

Ecevit: Kurdenkrieg so gut wie vorbei

- Türkischer Premier gegen Hinrichtung Öcalans

Der Krieg im türkischen Kurdengebiet ist nach Ansicht des türkischen Ministerpräsidenten Bülent Ecevit nach mehr als 15 Jahren so gut wie vorbei. Die Aktivitäten der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) seien "fast auf Null zurückgegangen", sagte Ecevit in einem Interview im türkischen Fernsehen. Der Ministerpräsident räumte damit erstmals ein, dass die PKK die Friedensappelle ihres zum Tode verurteilten Anführers Abdullah Öcalan befolgt. Öcalan hatte von seiner Gefängniszelle aus ein Ende des Krieges verlangt. Die PKK leitete daraufhin nach eigenen Angaben ihren Rückzug aus der Türkei ein; dies wurde von türkischer Seite bisher aber als Propaganda abgetan. Ecevit bekräftigte in dem Interview, er sei gegen eine Hinrichtung Öcalans.

Der Regierungschef deutete an, dass bei einer Vollstreckung des Todesurteils gegen den PKK-Chef mit neuen Anschlägen der Kurdenrebellen zu rechnen wäre: Die Türkei solle keine Schritte unternehmen, um die Gewalt wieder anzufachen, sagte er. Im seit 1984 andauernden Krieg der PKK gegen die türkische Armee sind rund 36.500 Menschen ums Leben gekommen.

Zum Todesurteil gegen Öcalan sagte Ecevit, er selbst und seine linksnationalistische Partei DSP seien schon seit langem gegen die Todesstrafe. Er hoffe auf eine Einigung in seiner Regierungskoalition bei diesem Thema. "Es geht hier nicht um Öcalan", sagte Ecevit. "Die Frage ist, was die Türkei durch die Hinrichtung gewinnt oder verliert", fügte er in Anspielung auf die Europa-Perspektiven seines Landes hinzu. Am kommenden Mittwoch trifft sich Ecevit mit den beiden anderen Parteichefs der regierenden Dreier-Koalition, um über das Schicksal Öcalans zu entscheiden. Die rechtsextreme Koalitionspartei MHP tritt bisher für eine Hinrichtung Rebellenchefs ein.