Frankfurter Rundschau, 7.1.2000

Die Nato verteidigt sich

Echo auf verfälschte Kriegs-Videos / Position zu Angriff bleibt

Von Arnd Festerling und Axel Vornbäumen

FRANKFURT A. M./BERLIN, 6. Januar. Die Nato sieht keinen Anlass, sich im Fall ihrer verfälschten Videos aus dem Kosovo-Krieg einen Vorwurf zu machen. Dass die Videos zu schnell liefen, sei ein technischer Fehler, der die Beurteilung des Bombenangriffs vom 12. April 1999 auf eine Brücke bei Grdelicka nicht beeinflusse, sagte Nato-Sprecher Jamie Shea der Frankfurter Rundschau am Donnerstag. Die Nato bedaure den Angriff - bei dem mindestens 14 Menschen in einem Personenzug starben, der bei dem Bombardement auf die Brücke fuhr - zutiefst. Shea beharrte darauf, dass dies ein Unfall gewesen sei, der wegen des schnellen Erscheinens des Zuges leider nicht zu vermeiden gewesen sei. Tatsächlich fuhr der Zug allerdings viel langsamer, als es das Nato-Video erscheinen ließ.

Der Nato-Sprecher bestand ferner darauf, dass die Informationspolitik der Nato nach bestem Gewissen offen und ehrlich sei. Er habe während und nach dem KosovoKrieg namens der Nato bereits etliche Fehlinformationen korrigiert, sobald sie ihm bekannt geworden seien. Schließlich habe auch die FR alle erfragten Informationen im Fall der Grdelicka-Videos erhalten.

Shea sagte, er selbst habe erst kurz vor Weihnachten von dem Video-Fall erfahren, als deutsche Journalisten in der Sache angefragt hätten. Am Mittwoch hatte das Oberkommando der US-Luftwaffe in Europa erklärt, es sei bereits vor einiger Zeit durch einen anonymen Hinweis, der auch die FR erreichte, auf den "technischen Fehler" aufmerksam geworden.

Im Übrigen, so Shea, sei die Pressekonferenz, in der US-General Wesley Clark die Videos gezeigt habe, vom Oberkommando der Nato-Streitkräfte in Europa veranstaltet worden und nicht von ihm selbst, dem Sprecher der Nato.

Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums in Berlin verwies auf Anfrage der FR zu den Videos am Donnerstag auf die Zuständigkeit der Nato. Die Hardthöhe will damit eine politische Einschätzung der Angelegenheit vermeiden.

Während des Kosovo-Kriegs hatte es unter den Nato-Staaten des öfteren Meinungsverschiedenheiten über die Informationspolitik des Militärbündnisses gegeben - sowohl was die Beschaffung und interne Weitergabe von Aufklärungsmaterial als auch was die Weitergabe an die Öffentlichkeit anging. Militärexperten verwiesen im Gespräch mit der FR auf den "enormen Druck", den die Medien seinerzeit entfacht hätten, um Material zu erhalten, das nicht von den Serben stamme.