Westdeutsche Zeitung, 6.1.2000

"Noch immer fehlen viele medizinische Geräte"

Von Jens Höhner

Krefeld. Nach der Erdbebenkatastrophe meldeten sich die DRK-Schwestern Dagmar Langwald und Heidi Zorembek zum Hilfseinsatz im türkischen Gölçük.

Sie war auf fast alles vorbereitet. Nur darauf dann doch nicht: "Plötzlich musste ich auch als Geburtshelferin einspringen", schildert Dagmar Langwald. Und diese Arbeit sei nicht leicht gewesen. "Denn noch immer fehlen wichtige medizinische Geräte", sagt die 36-jährige Krankenschwester und erinnert sich an eine Frühgeburt: Einen Brutkasten gab es für den winzigen Säugling nicht.

Für rund drei Wochen vertauschte Dagmar Langwald, sonst in der Inneren Intensivstation beschäftigt, den Kittel des Krefelder Klinikums mit der Kluft einer Katastrophenhelferin: Als die hiesige Schwesternschaft des Deutschen Roten Kreuzes im August freiwillige Kräfte für Einsätze in den türkischen Erdbebengebieten suchte, meldete sich die Krefelderin sofort. Und mit ihr auch Heidi Zorembek (56), die in der Chirurgie des Cäcilien-Hospitals arbeitet. Sie kehrte erst vor kurzem aus dem Camp, im osttürkischen Gölçük gelegen, nach Hüls zurück - begleitet von einem herzlichen "Allah schütze Euch" und einer dringenden Bitte der Menschen in Gölçük: "Vergesst uns nicht". "Der Wiederaufbau wird Jahrzehnte dauern", vermutet Heidi Zorembek.

Zwar werden im Notfallhospital Dienstpläne aufgestellt und Aufgaben eingeteilt, doch ist dies eigentlich bloß Formsache: "Jeder muss überall anpacken - zu jeder Zeit", betont Dagmar Langwald. Schlaf ist damit knapp: Rund 200 Patienten behandeln die Ärzte und Schwestern täglich in der Zeltstadt, der Emergency Rescue Unit. "Keiner schläft länger als ein paar Stunden", so die DRK-Schwester. Fünf Kilometer weiter hat die Organisation inzwischen ein Container-Krankenhaus aufgebaut und 6500 Feldbetten, 2000 Winterzelte und natürlich Medikamente in die Türkei geliefert viele dieser Güter wurden aus Mazedonien herbeigeschafft.

"Ohne Spenden geht es aber nicht", berichtet Karin Meincke, Oberin der Schwesternschaft. Sie sucht derzeit nach neuen Helfern, die dann auf solche Notfälle vorbereitet werden. So sollten die beiden Krefelderinnen eigentlich im Kriegsgebiet Kosovo Hilfe leisten. Vor ihrer Abfahrt indes war der Einsatz dort schon beendet.

Heute besteht der Alltag in Gölçük auch aus der Routine. Anfangs war dies kaum möglich: Dagmar Langwald erlebte im September noch die Nachbeben mit Stärken von 5,7 auf der Richterskala. "Natürlich hatte ich furchtbare Angst, als mitten in der Nacht das Feldbett wackelte", gesteht sie. Zählten zu dieser Zeit noch Norweger, Amerikaner, Deutsche und Türken zur Emergency Rescue Unit, so sind derzeit deutsche und türkische Kräfte, die sich um die medizinische Grundversorgung kümmern. "Wir behandelten Knochenbrüche, Quetschungen und offene Wunden der Opfer", berichtet Dagmar Langwald und Heidi Zorembek führt fort: "Jetzt kurieren wir Grippe-Erkrankungen - die Zahl der Obdachlosen ist riesig."

Für zukünftige Einsätze, und darin sind sich die beiden Krankenschwestern einig, melden sie sich erneut. "Dann aber möchte ich beim Aufbau und der Organisation eines solches Camps helfen", verrät Dagmar Langwald.