Hamburger Abendblatt 4.1.2000

Die Wächter des Wassers

Israel und Syrien verhandeln um den Frieden

Shepherdstown/Jerusalem - Israel und Syrien haben einen neuen Anlauf genommen, nach fünf Jahrzehnten Feindschaft Frieden zu schließen. Der israelische Ministerpräsident Ehud Barak und der syrische Außenminister Faruk el-Schara nahmen in dem kleinen Ort Shepherdstown im US-Bundesstaat West Virginia Verhandlungen auf, die auf zunächst eine Woche angesetzt waren. Die amtliche syrische Zeitung "El Thaura" schrieb, Damaskus gehe mit dem "ehrlichen Wunsch nach Frieden" in die Gespräche. Auch Schara hatte zuvor Optimismus geäußert. Der Sprecher des US-Präsidialamtes Joe Lockhart sagte, die USA erwarteten in den kommenden Tagen zähe Verhandlungen um die Kernpunkte einer Einigung. Dabei gehe es im Wesentlichen um den Rückzug Israels von den 1967 besetzten Golanhöhen, Fragen der Sicherheit und der Wasserrechte sowie um den Zeitplan eines Abkommens. Nach Angaben von US-Präsident Bill Clinton gebe es die "historische Chance für einen Frieden zwischen Israel und den Nachbarstaaten". Die Gespräche in Shepherdstown begannen unmittelbar nach dem Eintreffen Clintons. Die Delegationen sollten während der gesamten Zeit von den Medien abgeschirmt werden, um ungestörte und intensive Verhandlungen zu ermöglichen, teilten US-Vermittler mit. Clinton, der sich im letzten Jahr seiner Präsidentschaft gern mit der Vermittlung eines umfassenden Nahost-Friedens schmücken würde, werde nur bei Bedarf in die Gespräche eingreifen. Syrien ließ Verhandlungsbereitschaft in der Frage der Wasserrechte erkennen. In diplomatischen Kreisen hieß es, Damaskus wolle Israel eine faire Aufteilung von Wasserreserven auf den besetzten Golanhöhen anbieten. In der Delegation Scharas befinden sich zahlreiche Wasserexperten. Bei dem Streit ums Wasser geht es um den See Genezareth und zwei Quellen des Jordanflusses. Israel will keinen syrischen Zugang zum Nordostufer des Sees, der wichtigsten Wasserquelle Israels. Die Dan-Quelle des Jordan liegt in Nordisrael, die Banias-Quelle im von Israel besetzten Gebiet. Israel will auch die Banias-Quelle weiterhin kontrollieren und Syrien als Austausch ein Gebiet um Hamat Gader unterhalb des Golan anbieten. Syrien lehnt das ab. Barak hatte zuvor erklärt, eine Einigung werde es nur geben, wenn Syrien einer Reihe von Bedingungen zustimme. Dazu zählten Sicherheitsgarantien und eine völlige Normalisierung der Beziehungen. Die israelische Seite äußerte zudem Bedauern, dass der syrische Staatschef Hafis el-Assad nicht an den Gesprächen teilnehme. Barak bestritt, Syrien bereits konkrete Zugeständnisse gemacht zu haben. Dennoch sind viele Israelis überzeugt, dass der Abzug von den 1967 besetzten Golanhöhen längst beschlossene Sache ist. Die Zeitung "Jedioth Ahronoth" schrieb unter Berufung auf US-amerikanische und syrische Regierungsvertreter: "80 Prozent des Abkommens mit Syrien sind bereits ausgehandelt." (HA)