Tagesspiegel, 4.1.2000

Das neue Einbürgerungsrecht

Eine Iranische Rechtsanwältin erhält in Kiel den deutschen Pass nach den neuen Regeln Die doppelte Staatsbürgerschaft umgeht die oft problematische Auflösung der ursprünglichen Staatsangehörigkeit Pl

Die aus dem Iran stammende Anwältin und Menschenrechtlerin Behjat Moaali (50) hat am Montagvormittag im schleswig-holsteinischen Innenministerium als erste Ausländerin in dem nördlichsten Bundesland und "mit großer Wahrscheinlichkeit" auch in Deutschland einen deutschen Pass nach dem neuen Staatsbürgerschaftsrecht erhalten. Sie besitzt damit sowohl die deutsche wie auch die iranische Staatsangehörigkeit. Das teilte das Kieler Innenministerium am Montag mit. Der Staatssekretär im Kieler Innenministerium, Hartmut Wegener, wies bei der Übergabe der Urkunde an Behajt Moaali darauf hin, dass nach dem früheren Recht eine Iranerin für eine Einbürgerung in Deutschland die Zustimmung ihrer Regierung benötigt hätte. Das habe auch für die Gewährung einer doppelten Staatsbürgerschaft gegolten. Mit dem neuen Recht, nach dem Ausländer unter bestimmten Voraussetzungen nach acht Jahren einen Anspruch auf Einbürgerung haben, kann nach Wegeners Worten auch die Mehrstaatigkeit häufiger akzeptiert werden, weil Asylberechtigten nicht zuzumuten sei, "sich mit ihrem Heimatstaat bei der Entlassung aus dessen Staatsangehörigkeit auseinandersetzen zu müssen". Die Iranerin, die mit neun Geschwistern aufgewachsen ist, war 1989 aus ihrem Heimatland nach Deutschland gekommen. Sie war im Iran eine bekannte Rechtsanwältin, die sich unter anderem um die Rechte der Frauen kümmerte. Wegen ihres Engagements in Menschenrechtsfragen musste sie das Land verlassen. In Deutschland erhielt sie als politisch Verfolgte Asyl. Seit drei Jahren betreut sie in der Fördestadt traumatisierte Flüchtlinge aus Ländern, in denen Krieg oder Bürgerkrieg herrscht und ist zudem vereidigte Dolmetscherin und Übersetzerin für die persische und aserbaidjanische Sprache im Landgerichtsbezirk Kiel.

In mehreren deutschen Städten gab es am Montag vermehrt Anfragen nach dem neuen Staatsbürgerschaftsrecht, das Ausländern nach acht statt bisher nach 15 Jahren einen Anspruch auf Einbürgerung einräumt. Auch alle in Deutschland geborene Kinder sind seit Jahresbeginn Deutsche, wenn ein Elternteil seit acht Jahren in der Bundesrepublik lebt. Bis zum Alter von 23 Jahren müssen sie sich für die deutsche Staatsangehörigkeit oder die ihrer Eltern entscheiden. Das erste Baby, das in den Genuss der Neuregelung kommt, ist eine in der Neujahrsnacht in Berlin geborene Türkin.

In München und Nürnberg registrierten die Stadtverwaltungen am Montag eine erheblich gestiegene Zahl von Ausländer-Anfragen. In erster Linie gehe es dabei zunächst um Beratungsgespräche zur erleichterten Einbürgerung, hieß es beim Münchner Kreisverwaltungsreferat. In einer bundesweit einzigartigen Informationskampagne hatte die Stadtverwaltung in München alle 160 000 potenziellen Anwärter für die erleichterte Einbürgerung angeschrieben. Mit der rund 140 000 Mark teuren Kampagne sollten die in Frage kommenden Ausländer so viel Vorinformation wie möglich bekommen.

Die Einbürgerungsbehörden zwischen Rhein und Weser verbuchen schon seit einigen Monaten "lebhaftes Nachfragen", aber noch keine Antragsfluten. "Wir sind auch nicht davon ausgegangen, dass die ausländischen Mitbürger jetzt nichts Besseres zu tun haben als das Amt zu stürmen", meinte eine Sachbearbeiterin im Kölner Rathaus. Unter den rund 18 Millionen NRW-Bürgern leben knapp zwei Millionen Ausländer. Das Düsseldorfer Innenministerium wies darauf hin, dass rund 650 000 der in NRW gemeldeten Ausländer schon über 20 Jahre in Deutschland lebten, ohne bislang einen Einbürgerungsantrag gestellt zu haben.