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Que Se Vayan Todos

- Argentinas Popular Uprising -


Ein Augenzeugenbericht des finanziellen Zusammenbruchs und der fortschreitenden Grasswurzelrebellion

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La Lucha es una sola (Der Kampf ist derselbe)

15. Februar 2002
Heute Nacht genießen wir den Vorzug, die verschiedenen Strömungen dieses Kampfes zu betrachten, als sie auf dem Plaza de Mayo zusammenkommen. Plötzlich gibt es Tumult an der Ecke des Platzes, welcher sich durch die Menge bewegt, da sich alle Augen wendeten, um Zeugen von der Ankunft der Pitqueteros zu werden, heldenhaft, wie wenn eine Befreiungsarmee die Stadt betritt. Maskiert, tätowiert und grimmig, jeder trägt einen Stock aus Eisen oder Holz mit sich, welche sie zusammenhalten, um eine Absperrkette um sich herum zu bilden. Sie werden, als sie, mit einer kraftvollen, rauen und kämpferischen Energie und Haltung, auf den Platz strömten, mit enormem Jubel begrüßt. Feuerwerk explodiert über der Menge, als die Mütter des Plaza de Mayo nach vorne kommen, um sie zu grüssen, ihre kleinen alten Gesichter, von den weißen Kopftüchern umrahmt, auf welchen die Namen ihrer verschwundenen Kinder stehen. Über der Menge wehen die blauen und weißen Fahnen der Mütter auf der einen Seite und die hölzernen Keulen der Piqueteros auf der anderen. Umrahmt von ihren Erkennungszeichen umarmen sie sich und die Nacht widerhallt die Gesänge des gesamten Platzes, "Piquete y cacerolazo, la lucha es una sola", Streikposten und Cacerolazo (Kochtopfprotest), der Kampf ist derselbe. Was wir heute Nacht sehen ist ein unglaubliches Zusammenkommen von Unterschieden, ein Zusammentreffen, welches so viele Grenzen zwischen Klassen und Kulturen überschreitet. Es scheint, dass aller sozialen Bereiche, die an dieser Rebellion beteiligt war, anfangen zusammenzuarbeiten und sich gegenseitig zu unterstützen. Revolutionäre Epochen sind immer Perioden des Zusammentreffens - sie sind Momente, wenn scheinbar seperate Prozesse zusammenkommen, um eine explosive soziale Krise zu provozieren. Argentinien ist bereits jetzt explosiv - alles könnte geschehen - es ist ein enormes soziales Experiment, dass gut zum ersten großen Massenaufstand gegen Kapitalismus im 21. Jahrhundert werden könnte.
Um vier am Morgen hat sich der Platz geleert. Die Menge hat sich langsam aufgelöst, die Menschen sind in ihre Kieze zurückgekehrt und die Stadt ist wieder ruhig. Trauben junger Menschen sitzen im Grass, reden, trinken, rauchen - es könnte irgendeine Freitag Nacht sein, in irgendeiner Stadt, nicht aber für die Leute, die den Platz mit den Namen derer beschriften, die im Dezember getötet wurden, oder die kleine Gruppe, die über einer mobilen Textiliendruckpresse kauern und dutzende T-Shirts drucken mit dem simplen Slogan yo decido, ich entscheide.

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