Dieses Dokument ist Teil des Buches „Wie geschmiert - Rüstungsproduktion und Waffenhandel im Raum Hamburg“, 1998

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Plath Navigation - Automation

22081 Hamburg (Barmbek), Stückenstr. 1-3
bis ca. 1991 unter dem Namen „C. Plath Fabrik nautischer Instrumente“ in der Gertigstr. 48 (Winterhude)

Kapital: 2,2 Mio DM (1996)
Beschäftigte: 280 (1982), 180 (1991), 50 (1994)
Umsatz: 30 Mio DM (1986)
Geschäftsführer: Norbert Kliemann (bis ca. 1991), Richard Hopman (seit ca. 1991)



Die Geschäftstätigkeit besteht in der Entwicklung, im Vertrieb und in der Wartung von Navigations- und Automationsgeräten für Schiffahrt und Industrie. Die Firma liefert vor allem Kreisel-und Magnetkompasse, Sextanten, Autopiloten für die Schiffahrt und Satellitennavigationsempfänger.

Das Unternehmen gehört zu dem Firmennetz des amerikanischen Technologie- und Rüstungskonzerns Litton Industries (Zentrale: Beverly Hills). Persönlich haftende Gesellschafterin ist die in demselben Gebäude ansässige -> Litton-Systems GmbH. Die Kapitalanteile liegen seit Anfang der 80er Jahre zu 93,18 Prozent bei der Litton-Systems GmbH, Hamburg, und zu 6,82 Prozent bei der LITEF GmbH (früher Hellige GmbH), Freiburg/Breisgau.

Ein schwerer Einschnitt in die bisherige Unternehmensstruktur erfolgte 1991/92. Unter Hinweis auf die schlechte Wettbewerbssituation im Schiffbau kündigte die Firmenleitung im September 1991 an, die eigene Produktion in Hamburg einzustellen.15 Nur noch der Vertrieb, der Service und die Systementwicklung wurden hier aufrechterhalten, bestimmte Fertigungen wurden zum Schwesterunternehmen LITEF in Freiburg verlagert. Die Belegschaft in Hamburg wurde von 180 auf 50 abgebaut.

Der Exportanteil erreichte um 1987 80 Prozent und dürfte auch heute noch sehr hoch liegen.

Einen 45-Prozent-Anteil hält die Firma an der -> C. Plath GmbH Nautisch-Elektronische Technik in Hammerbrook.

Beteiligung am Rüstungsgeschäft

Für die Fregatten F 122 der Bundesmarine fertigte Plath digitale Peilwertübertragungsanlagen und Navigationsdatenverteiler.16

Auf jeden Fall bis 1987, wahrscheinlich aber noch bis zur Zäsur von 1991 lieferte Plath „eine Vielzahl hochgenauer mechanischer Bauteile“ für das Marinenavigationssystem PL-41 zur Entfertigung an LITEF, Freiburg.17

Die taz Hamburg berichtete, in den 80er Jahren habe Plath auch am Tornado-Kampfflugzeugprogramm mitgewirkt.18 Hierfür konnte allerdings kein Beleg ermittelt werden.

Beiträge zur irakischen Raketen- und Atomrüstung?

Im September 1990 durchsuchte die Zollfahndung die Firmenräume von C. Plath, die sich damals noch in der Gertigstrasse befanden. Worum es dabei ging, wurde erst später deutlich: um die Frage, ob C. Plath dem Irak Ende der 80er Jahre bei der Aufrüstung in besonders sensiblen Bereichen geholfen hat.

Ende Januar 1991 - zwei Wochen nach Beginn des Golfkriegs - meldete der „Spiegel“, die Hamburger Firma C. Plath stehe „im Verdacht, an etlichen Kreisel-Kompassen für die irakische Scud B gebastelt zu haben“19 Den von Plath gelieferten Spezialkompassen komme deswegen besondere militärische Bedeutung zu, so hiess es bald in anderen Medien, weil sie die Zielgenauigkeit der Scud-Geschosse verbessern könnten. Es wurde von einem Auftragswert von 30 Millionen DM gesprochen. Die Firma stritt alles ab.

Im Fall des Verdachts auf Beihilfe zur irakischen Atomrüstung wurde zunächst keine konkrete Firma genannt. Durch Anfragen der Frauenfraktion in der Hamburger Bürgerschaft wurde zwar bekannt, dass die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Hamburg seit dem 31. Januar 1991 mit einem Vorgang „Vertragsabschlüsse zur Lieferung von Maschinenteilen für eine Gas-Ultra-Zentrifuge in den Irak im Jahre 1989“ befasst war.20 Doch auf die Frage von Krista Sager, welche Hamburger Firma die Verträge abgeschlossen hätte, wollte der Senat „aus Gründen des Daten-und Persönlichkeitsschutzes“ nicht antworten. Im Dezember 1992 wurde der Schleier der Diskretion jedoch gelüftet. Das Hamburger Abendblatt berichtete:

„Das Hamburger Unternehmen C. Plath soll einer der Hauptzulieferer bei Saddam Husseins Kernwaffenprogramm gewesen sein. Das geht aus einem bislang unveröffentlichten Bericht hervor, der dem Weltsicherheitsrat vorliegt. Die Wiener Internationale Atomenergieagentur (IAEO) hatte die geheime Studie im Mai dieses Jahres (d.h. 1992, d.Verf.) ausgearbeitet. Demnach soll die Firma eine Zentrifuge hergestellt haben, mit der Irak Waffen-Uran für Sprengköpfe anreichern wollte. (...)
Die Ermittlungen der Hamburger Staatsanwaltschaft, so wurde damals angekündigt, würden wohl noch bis zum Herbst 1993 dauern. Verschiedene Gutachter seien eingeschaltet worden, die prüfen sollten, ob die Firma Plath überhaupt belangt werden kann.“
21

Der Prozess hat sich immer weiter verzögert. Es wurde zwar am 25.November 1994 gegen zwei Plath-Verantwortliche, den ehemaligen Geschäftsführer Dr. Kliemann und Produktionsleiter Günter Schmidt, Anklage erhoben, aber im März 1995 lehnte das Landgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens ab. Nach einigem Hin und Her innerhalb der Justiz hiess es Anfang 1996, dass es nun doch zu einer Gerichtsverhandlung vor der Grossen Strafkammer 15 kommen solle. Allerdings stand bis zum Juni 1997 noch immer kein Prozesstermin fest.

Möglicherweise hängt die Verzögerung des Verfahrens damit zusammen, dass immer wieder neue Informationen über die Verwicklung deutscher Unternehmen bzw. deutscher Spezialisten in das irakische Atomrüstungsprogramm bekannt werden. In neuerer Zeit haben der „Spiegel“ und andere Medien vor allem über den Ingenieur Karl-Heinz Schaab aus Kaufbeuren berichtet, der zusammen mit dem inzwischen gestorbenen Bruno Stemmler eine wichtige Rolle beim Gaszentrifugen-Geschäft gespielt haben soll. 22

Konversion?

Der Vertriebsleiter von C. Plath, Heinrich J. Drespe, versicherte im Dezember 1992 der Öffentlichkeit, dass die Firma seit 1991 „ganz bestimmt nicht mehr“ auf dem Rüstungs-Sektor tätig sei. 23 Zu fragen ist allerdings, ob Neuentwicklungen wie der vollelektronische faseroptische Kreiselkompass, den C. Plath im Oktober 1996 auf der Messe „Shipbuilding Machinery & Marine Technology“ in Hamburg vorstellte, nicht auch für den Kriegsschiffs-Sektor bedeutsam sind.

Proteste/Kritik

Ende April 1984 veranstaltete die Friedensgruppe der Bodelschwingh-Gemeinde Winterhude eine 27stündige Mahnwache vor dem Plath-Gebäude in der Gertigstrasse unter dem Motto „Leben wider den Tod - Stoppt den Rüstungswahnsinn“.24

Am 1. Februar 1991 kam es bei Plath im Zusammenhang mit dem Golfkrieg zu einer Blockade-Aktion. Das Hamburger Abendblatt berichtete: „Rund 100 Frauen und Männer haben am Freitag morgen knapp zwei Stunden lang die Zufahrt zum Werksgelände der Firma C. Plath an der Gertigstrasse (Winterhude) blockiert. Mit der friedlichen Aktion protestierte die Gruppe gegen Lieferungen des Unternehmens in den Irak (...).“25 Laut taz nahmen an der Aktion rd. 70 KriegsgegnerInnen teil. Die Unternehmensleitung war auf die Blockade offensichtlich vorbereitet und hatte der Belegschaft für die Morgenstunden freigegeben.26

Geschichte

Die Firmengeschichte geht bis auf das Jahr 1837 zurück.27 Damals als Handel mit nautischen Büchern und Seekarten von dem Husumer David Filby gegründet, wurde das Unternehmen 1862 von Carl Christian Plath übernommen, der sich auf die Entwicklung nautischer Instrumente spezialisierte. 1915 bezog Plath einen Neubau am Stubbenhuk 25 beim Baumwall, das als äKompasshausä allgemeine Bekanntheit erlangte. Im Ersten Weltkrieg erhielt die Firma, die bis dahin ganz überwiegend Kreiselkompasse für die Handelsschiffahrt produziert hatte, erstmals in grossem Umfang Militäraufträge. Die Aufrüstung ab 1933 führte bei C. Plath zu einer solchen Produktionsausweitung, dass 1935/37 eine neue Betriebsstätte in Bahrenfeld aufgebaut wurde (Bahrenfelder Chaussee 139). 1937 arbeiteten bei Plath bereits 400 Beschäftigte, hauptsächlich an Aufträgen der Luftwaffe. Bis 1942 stieg die Beschäftigtenzahl auf ca. 650; darunter waren laut Jerchow rd. 40 russische Fremdarbeiterinnen. (Zwangsarbeiter russischer und polnischer Herkunft wurden ausserdem in einer Anfang 1944 in Betrieb genommenen Plath-Produktionsstätte in Scharfenwiese/Polen eingesetzt.) Plath fertigte damals auch Magnetkompass-Baugruppen für Hitlers Vergeltungswaffe V 1.

Trotz der 1948 erfolgten Demontage des Bahrenfelder Betriebs konnte Plath bereits 1949 wieder mit der Produktion nautischer Instrumente beginnen. Die 1950 eingerichtete Abteilung Funknavigation wurde 1954 in die selbständige -> C. Plath Nautisch-Elektronische Technik GmbH umgewandelt. 1957 zog die Plath in den Gebäudekomplex an der Gertigstrasse (Winterhude) um.

Die Übernahme durch den US-Konzern Litton 1962/63 stand im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Anlaufen des deutschen Starfighter-Beschaffungsprogramms: Plath produzierte seitdem schwerpunktmässig das von Litton für den Starfighter entwickelte Trägheitsnavigationssystem LN-3. Bis 1968 wurden dort über 1000 Exemplare dieses Systems gefertigt; rund 500 Personen waren bei Plath allein im LN-3-Bereich tätig. Ein weiteres Rüstungsprojekt war die Entwicklung des Navigationssystems PL-41 für die Bundesmarine (später bei LITEF in Freiburg in Serie auch mit grossen Exporterfolgen produziert). In den 70er Jahre verlagerte Plath den Schwerpunkt der Produktion wieder auf das Gebiet der Schiffsnavigation, d.h. vor allem auf die Fertigung von Kreiselkompassen (NAVIGAT-Familie).

1987 ehrte der Hamburger Senat die Firma zu ihrem 150jährigen Bestehen mit einem offiziellen Empfang und einer firmengeschichtlichen Ausstellung in der Rathaushalle.




Anmerkungen:

(15) Frankfurter Allgemeine Zeitung 4.9.1991
(16) Abb. bei Friedrich Jerchow: Vom Sextanten zur Satellitennavigation. 1837-1987 150 Jahre C. Plath, Hamburg 1987, S. 126 u. 136
(17) Jerchow (wie Anm. 2), S. 130
(18) taz (Hamburg) 2.2.1991
(19) Spiegel Nr. 6/1991 S. 35.
(20) Bürgerschaftsdrucksachen 13/7599 (Große Anfrage, Komplex III, Antwort zu Frage 11) und 13/7772 (Schriftl. Kleine Anfrage)
(21) Die Welt (Hamburg) 29.12.1992
(22) Vgl. Spiegel Nr. 3/1996 S. 29ff.
(23) Hamburger Abendblatt 28.12.1992
(24) Hamburger Rundschau 3.5.1984
(25) Hamburger Abendblatt 2./3.2.1991
(26) taz (Hamburg) 2.2.1991
(27) Vgl. zum Folgenden Jerchow (wie Anm. 2)