Dieses Dokument ist Teil des Buches „Wie geschmiert - Rüstungsproduktion und Waffenhandel im Raum Hamburg“, 1998

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Autoflug GmbH & Co.

Industriestr. 10, 25462 Rellingen

Stammkapital: 11,5 Mio. DM
Beschäftigte: 250 (1997)
Umsatz: ca. 80 Mio DM (1996)
Geschäftsführer: Andreas Sedlmayr, Heinrich v. Paulgerg

90 Prozent der Gesellschaftsanteile werden von der Gebr. Sedlmayr GmbH & Co, Rellingen, gehalten. Dahinter steht die Familie Sedlmayr, München, die auch in der bayrischen Bierbrauerszene aktiv ist. Die übrigen 5 Prozent hält Dr. Hans-Georg Barth (Hamburg). Um 1992 beschloss die Firmenleitung, sich von dem grössten zivilen Produktionsbereich, dem Autozuliefergeschäft (Produktion von Sicherheitsgurten) zu trennen, begann aber das Engagement im militärischen Bereich zu verstärken. Sie verkaufte den Autozulieferbereich, in dem damals 900 von insgesamt ca. 1.200 Autoflug-Beschäftigten arbeiteten, an die zum schwedischen Electrolux-Konzern gehörende Firma Autoliv. 10 Dafür erwarb Autoflug 1992 den Geschäftszweig Luftfahrt der in Konkurs gegangenen Kurt Eichweber Präzisionsgerätewerk GmbH & Co. in Hamburg mit einem Jahresumsatz von 10 Mio DM. Dies entsprach der "strategischen Zielsetzung des Unternehmens, seine Position im militärischen Geschäft durch neue Aufgaben auf hohem technischen Niveau zu stabilisieren". 11 1995 übernahm Autoflug ausserdem Aufträge und Mitarbeiter der Hamburger Betriebsstätte von Steinheil Optronik GmbH.

Zu der Autoflug-Gruppe gehören weitere Unternehmen, darunter die 1991 gegründete GECO Systemtechnik GmbH und die 1995 gegründete Autoflug Lagerungstechnik GmbH in Brüsewitz/Schwerin.

Beteiligung am Rüstungsgeschäft

Als "wehrtechnische Produkte" bietet die Firma an:12
"Rettungs- und Sicherheitsgeräte wie Martin-Baker-Schleudersitze, energieverzehrende Hubschraubersitze, Fallschirme, Flugzeugbremsschirme, Fallschirm-Bergungssysteme, Anschnallgurt-Systeme, Schlauchboote, Rettungsinseln, Schwimmwesten, aufblasbare Zelte, Anti-g-Bekleidung*, ABC-Schutzausrüstung, persönliche Ausrüstung für Piloten und Soldaten. Flugzeugausrüstung wie pneumatische Ventilsysteme, Anti-g-Ventile, Mehrfachlastträger, Navigationsinstrumente, Flug- und Taktiksimulator, Tankmesseinrichtungen, Kabelbäume, Mikroprozessoren, elektronische Zugangskontrollen, Bodendienstprüfgeräte, Bergungsroboter. Mechanische Kreisel für Waffenstabilisierungsanlagen und Navigation. Langzeitlagersysteme, Modulare Schutzbehälter, Mobile Raumzellen, Überwachungs- und Steuerungssysteme. Service, Instandsetzung und Wartung, Software-Erstellung, Dokumentation, logistische Betreuung."

* Zur Erläuterung: Anti-g-Bekleidung schützt den Körper von Kampfjetpiloten vor den Auswirkungen der enormen Beschleunigungskräfte, die beim Kurvenflug mit hohen Geschwindigkeiten auftreten.

Für das Kampfflugzeug Tornado fertigte Autoflug Teile des Schleudersitzes Mk 10A sowie - in der Nachfolge von Eichweber - Messanlagen für das Kraftstofftanksystem.

Sehr frühzeitig hat sich Autoflug für Aufträge aus dem Programm Jäger 90/Jäger 2000/European Fighter Aircraft EFA interessiert. Bereits 1983 bot die Fa. für dieses Projekt an: "Schleudersitz, Kabinendach-Absprenganlage, Flugzeugpneumatik, Sauerstoffsystem, selbstdichtende Kraftstofftanks, Bremsschirm, ABC-Schutzausrüstung." 13 Durch die Übernahme der ursprünglich an die Steinheil Optronik GmbH vergebenen Entwicklungsaufträge "EFA Fuel Level Sensor" und "EFA Fuel Gauging Interface Unit" hat sich Autoflug eine weitere Scheibe des grossen Eurofighter-Kuchens gesichert.

Einen energieabsorbierenden Helikoptersitz hat Autoflug zusammen mit Martin-Baker für den künftigen deutsch-französischen Panzerabwehr- bzw. Kampfhubschrauber "Tiger" entwickelt. Dieser mit einer gepanzerten Schale verbundene Sitz soll "die bei Abstürzen entstehende Aufprallenergie auf ein für die Besatzung erträgliches Mass" reduzieren. Allein die Entwicklungskosten für den Sitz belaufen sich auf 5 Mio DM. 14 Von dem Kampfhubschrauber "Tiger" sollen 215 Maschinen für das französische Militär und 212 für die Bundeswehr gebaut werden (Stand: September 1996). 15

Umfangreich ist das Autoflug-Angebot im Bereich der Fall- und Flugzeugbremsschirme. Mit Fallschirmen dieses Herstellers können Soldaten, Lasten und auch Bomben vom Himmel segeln. Autoflug ist europäischer Produzent des Flugzeugbremsschirms VPCR (Variable Porosity Continuous Ribbon), der für das US-Kampfflugzeug F-16 Fighting Falcon genutzt wird. Zur Lieferpalette gehören ebenso Fallschirme für andere Kampfflugzeuge (F-4 Phantom, F-5 Tiger, F-104 Starfighter, Mirage, Hunter) und für verschiedene Kampf-, Aufklärungs- und Zielflugdrohnen. 16 Übrigens hat Autoflug auch für das europäische Projekt des Raumgleiters "Hermes" ein dreistufiges Fallschirmsystem entwickelt. 17

Autoflug bezeichnete sich 1983 als "Spezialist mit mehr als 15jähriger Erfahrung in der Entwicklung und Fertigung von U-Boot-Rettungsflössen, die weltweit im Einsatz sind". 18

1993 warb Autoflug in einer speziellen Anzeige für Minenfeldschuhe (SAWAPLAT-2), die Soldaten das Betreten von Minenfeldern ermöglichen sollen. 19

In der Tochterfirma Autoflug Lagerungstechnik GmbH in Brüsewitz werden "intelligente Langzeitlagersysteme für den militärischen Bedarf projektiert und betreut".

Geschichte

Die Autoflug GmbH wurde 1919 von dem Flugpionier Gerhard Sedlmayr, der 1913 mit einem 6-Stunden-Flug einen deutschen Dauerflugrekord aufgestellt hatte, in Berlin-Johannisthal als "Spezialhaus für das Automobil- und Flugwesen" gegründet.20 Seit den 30er Jahren produzierte sie vor allem Irvin-Fallschirme, die zur Standardausrüstung der Deutschen Luftwaffe gehörten. Da der Standort Berlin für den Wiederaufbau des zerstörten Werks nach 1945 ausschied, siedelte sich das Unternehmen ab 1959 in Rellingen an. Dort nahm sie u.a. in Koproduktion mit dem britischem Unternehmen Martin-Baker die Fertigung von Schleudersitzen für das Kampfflugzeug Starfighter auf.


Anmerkungen:

(10) Frankfurter Allgemeine Zeitung 30.3.1992.
(11) Frankfurter Allgemeine Zeitung 7.10.1992.
(12) Handbuch der Bundeswehr und der Verteidigungsindustrie 1995, S. 450 (Anzeige).
(13) Wehrtechnik Nr. 12/1983, S. 79.
(14) Die Welt (HH), 14.6.1990.
(15) Hamburger Abendblatt 23.9.1996.
(16) International Defence Equipment Catalogue 1992/93, Vol. II S. 144; Wehrtechnik Nr. 12/1983 S. 79.
(17) "Sicherheit hat einen Namen - Autoflug", Werbebroschüre o.J. (nach 1991), S. 26.
(18) Wehrtechnik Nr. 5/1983, S. 76.
(19) Wehrtechnik Nr. 11/1993, S. 25.
(20) Zu G. Sedlmayr vgl. Heinz J. Nowarra: Geschichte eines deutschen Flugrekordes, in: Köhlers Flieger-Kalender 1961; zum Folgenden vgl. Wehrtechnik Nr. 4/1983, S. 116f., Nr. 12/1983, S. 79, Handelsblatt 22.10.1984.