Am kommenden Donnerstag, den 17. Dezember, soll der größte deutsche Rüstungsexport dieses Jahres endgültig vollzogen werden. An diesem Tag soll das Kriegsschiff "Salih Reis", benannt nach einem Kriegshelden des Osmanischen Reiches, bei B+V offiziell an das türkische Militär übergeben werden. Wie bei früheren Auslieferungen von Fregatten an die Türkei werden wieder viele Uniformen zu sehen sein, Soldaten werden die türkische Flagge küssen, und es wird wieder ein Stelldichein von Prominenz aus Militär und Rüstungswirtschaft mit Festreden, Festessen und Champagner geben; der Belegschaft von B+V wird sogar ein kostenloser Erbseneintopf spendiert. Ach wie nett!
In der öffentlichen Darstellung dieses Ereignisses wird es dem größeren Teil der Medien erfahrungsgemäß darauf ankommen, vergessen zu machen, daß die Türkei ein kriegführender Staat ist, ein Staat, der mit seinen Truppen immer wieder auf fremdes (nämlich irakisches) Territorium vorstößt. Die Türkei ist ein Staat, in dem das Militär die tatsächliche Macht ausübt und der seine Nachbarn, insbesondere Griechenland, aber auch - wie vor wenigen Wochen - Syrien mit Kriegsdrohungen zum Nachgeben zu zwingen versucht. Mit der Fregatte "Salih Reis" bekommt das türkische Militär ein neues und sehr schlagkräftiges Gewaltinstrument in die Hand, mit der es eben diese Politik der permanenten Kriegsdrohung gegenüber den Nachbarländern fortsetzen kann. Die "Salih Reis" soll als modernstes Schiff der türkische Armada die Rolle eines Flaggschiffes übernehmen; d.h. von diesem Schiff aus werden einmal, wenn die von der Türkei angeheizten Konflikte heiß werden sollten, die Seekriegsoperationen koordiniert werden. Nach meinem Verständnis wäre die Auslieferung dieser Fregatte, wenn sie denn tatsächlich jetzt stattfindet, eine Handlung, die geeignet ist, "das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören" und damit nach Artikel 26 Grundgesetz verfassungswidrig. Aber selbstverständlich, so verstehen die Verantwortlichen die Verfassung ganz offensichtlich nicht!
Die "Salih Reis" ist bereits die siebte Fregatte, die die türkischen Seestreitkräfte aus der Zusammenarbeit mit den Deutschen erhalten; eine achte - "Kemal Reis" - wird zur Zeit noch nach Plänen von B+V in der Türkei gebaut. Auch viele Zulieferungen für dieses achte Kriegsschiff laufen über den Hamburger Hafen.
Ich muß an dieser Stelle - da es offenbar immer noch wenig bekannt ist - an die Absurdität erinnern, daß wir alle - soweit wir in diesem Lande Steuern zahlen - die türkische Aufrüstung zur See aus der eigenen Tasche mitbezahlen. Allein für die beiden neuesten Türkei-Fregatten hat die alte Kohl-Regierung 150 Millionen DM aus dem Bundeshaushalt bereitgestellt. Ich erinnere auch daran, daß die SPD und die Grünen, damals in der Opposition, noch 1995 ganz entschieden die Streichung dieses 150-Mio.-Geschenks und die Nichtrealisierung dieses Rüstungsexports gefordert haben. Es wäre zu hoffen, daß die heutige Regierung diese Vorgeschichte nicht vergessen hat. Laut Koalitionsvereinbarung soll bei künftigen Rüstungsexporten eventuell "der Menschenrechtsstatus möglicher Empfängerländer als zusätzliches Entscheidungskriterium" eingeführt werden. Also, wenn dies ernst gemeint sein sollte, gäbe es bei der Auslieferung der "Salih Reis" die Möglichkeit, dies zu zeigen!
Natürlich sind die türkischen Kriegsschiffsaufträge für die beteiligten deutschen Firmen vor allem ein äußerst lukratives Geschäft - und zwar ohne Risiko, denn der Bund hat auch hier die entsprechenden Hermesbürgschaften übernommen. Übrigens: Neben der Deutschen Bank und vielen anderen Banken ist an der Finanzierung der Türkei-Fregatten auch die bundeseigene Kreditanstalt für den Wiederaufbau mit mehreren hundert Millionen DM beteiligt - der Name dieses Geldinstituts erweist sich hier also als grob irreführend!
Wir wissen alle, daß B+V als Tochter von Thyssen, jetzt von Thyssen-Krupp, große Profite mit diesen Exporten einführt. Das türkische Militär ist seit 15 Jahren der größte Kunde der Werft, noch vor der deutschen Marine.
B+V - die Werft lieferte einst die "schwimmenden Särge" für Kaiser und "Führer" - ist heute Deutschlands "Systemführer" im Entwurf und im Bau von Überwasserkriegsschiffen. Es scheint, als wolle das Unternehmen nun diese Führungsrolle für ganz Europa übernehmen. Mit Militärs aus aller Welt laufen Verkaufsverhandlungen, und gerade erst hat B+V zusammen mit der Kieler HDW-Werft die ausländische Konkurrenz bei einem große Kriegsschiffdeal mit Südafrika auf sehr undurchsichtige Weise aus dem Rennen geworfen. Für uns bedeutet dies: Der Weg in die falsche Richtung wird fortgesetzt.
Aber sind solche Aufträge nicht gut für die Arbeitsplätze? Ehrlich gesagt, ich kann diese Frage nicht mehr hören. Die Arbeitsplatzbilanz bei B+V seit dem Zeitpunkt, zu dem von vorwiegend ziviler Produktion auf vorwiegend militärischen Schiffbau umgestellt wurde, ist niederschmetternd. Um 1975 arbeiteten bei B+V noch rund 4.000 Werftarbeiter, heute sind es noch gerade einmal 400.
Zum Schluß: Wir fordern hiermit diejenigen, die politische Verantwortung in diesem Lande tragen, noch einmal auf,
die geplante Auslieferung der Fregatte "Salih Reis" an das türkische Militär zu stoppen,
den bisherigen Worten nun auch konkrete Taten zur Unterbindung der deutschen Rüstungsexporte und zur Konversion folgen zu lassen.
Wir erheben diese Forderung im Interesse anderer, die unter den Folgen solcher Geschäfte schon leiden oder noch leiden werden, aber auch in unserem eigenen Interesse. Denn - dies ist unsere, aus der Geschichte dieses Landes abgeleitete Grundauffassung - eine Gesellschaft, die darauf verzichtet, die Waffenindustrie und den militärisch- industriellen Komplex im Zaum zu halten, lebt auf die Dauer ausgesprochen gefährlich.
<Quelle: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 26, Jg. 11, 30.12.1998, auch abgedruckt in Lokalberichte Hamburg>