Anschlag gegen MAN, Nürnberg (August 77)

Mit ihrer Aktion in Nürnberg am 22.08.77 haben die Revolutionären Zellen auf die Rolle von MAN im imperialistischen Atomgeschäft und dessen staatliche Unterstützung hingewiesen.
Der Anschlag auf MAN richtet sich gegen die Beihilfe zur Herstellung südafrikanischer Atombomben. Während die westdeutschen Imperialisten über den Verlust ihrer Profite am Atomkraftwerksbau lamentieren, weil sich inzwischen Tausende gegen die drohende Vernichtung des Lebens durch Atomenergie wehren, exportieren sie ihre Atomtechnologie. Hat das Brasilien-Geschäft großes Spektakel verursacht, weil sich die USA und die BRD um den Gewinn gestritten haben, geht das Atomgeschäft mit dem Faschistenregime in Südafrika leiser über die Bühne. MAN exportiert Verdichter für eine Urananreicherungsanlage in Pelindabe in Südafrika. Das Materialamt der Bundeswehr versieht die Lieferungen mit NATO-Codifizierungsnummern, was für militärische Güter vorgesehen ist. Das Trenndüsenverfahren, nach dem die Anlage gebaut wird, wurde durch die staatseigene »Gesellschaft für Kernforschung« in Karlsruhe, die Firma STEAG in Essen und MBB (Messerschmidt-Bölkow-Blohm) in München entwickelt. Südafrika als Atomstaat - damit wird ein rassistisches Unterdrückungssystem weiter abgesichert, das für schwarze Afrikaner u.a. bedeutet:
* Leben unter dem Existenzminimum; jedes Jahr verhungern tausende von Kindern;
* Zwangsumsiedlung in Reservate, die sog. »homelands«, derjenigen, die in den »weißen« Gebieten keine Arbeit haben. Diese Reservate umfassen nur 14 % des Landes, sind völlig überbevölkert und können die Menschen kaum ernähren. Sie sind für den weißen Imperialismus ein Reservoir an Menschen, die für eine Hungerlohn als Wanderarbeiter in den »weißen« Gebieten arbeiten müssen.
* Versuch, jeden Widerstand gegen diese Ausbeutung und Unterdrückung zu vernichten; z.B. wurden hunderte von Jugendlichen und Kindern bei den Kämpfen von Soweto [15] ermordet. Erfahrungen, die nur zu größerem Widerstand und besserer Bewaffnung führen werden.
Die BRD-Regierung sichert die Atomgeschäfte durch Versicherungsgarantien ab (»Hermes-Bürgschaften«), aufgrund wirtschaftlicher (z.B. Uranlieferungen) und strategischer Interessen. Konsequenterweise wird Südafrika dann auch mit nur leicht getarnten Militärgütern aller Art beliefert, z.B. Raketen und Militärflugzeuge von MBB und das ACOCAAT-Radarüberwachungssystem am Kap von MAN, AEG und Siemens reiht Südafrika praktisch in strategische NATO-Konzepte ein.
Der Imperialismus verachtet jeden Lebensausdruck! Atomwaffen und -anlagen sind nur dessen extremster Ausdruck.





Anschlag gegen Klein, Schanzlin & Becker AG, Frankenthal (August 77)

Nach unserer Aktion gegen den international geachteten Konzern MAN am 22.8.77 in Nürnberg möchten wir mit der Aktion bei Klein, Schanzlin & Becker AG (KSB) in Frankenthal am 30.8.77 einen Kandidanten vorstellen, der ganz im Stillen, aber dort im großen Rahmen wirkt.
Die KSB AG ist ein Industriebetrieb auf dem Sektor des Maschinenbaus mit einem Jahresumsatz von 766,3 Mio. DM (1976) und 8.465 »Beschäftigten« allein im deutschen Werk. Dazu kommen »Tochter«-Firmen im Ausland. Groß sind zwar auch andere, aber als der Welt größter Pumpenhersteller spielen diese Leute eine wesentliche Rolle des Zulieferns für Kernkraftwerke in aller Welt. 30 % der Umsatzsteigerungen im Jahr 1976 hat sich KSB durch das Atomgeschäft ergaunert. Insofern ist KSB nur ein exemplarischer Fall - die deutsche Industrie braucht die Atomenergie für ihre Profite, nicht für unser Wohl.
Vorstandsvorsitzender Kühlborn sagte das bei einer Vorlage des Geschäftsberichts ganz deutlich: Ihr Profit käme »ins Schleudern«, wenn die »Katastrophe« einträte, daß keine Atomkraftwerke mehr gebaut würden. Da riskieren die Leute schon lieber die Katastrophe, die wir alle fürchten: daß die Menschen und ihre Umwelt radioaktiv verseucht zugrunde gehen.
Den Baustopp für Atomkraftwerke, die unser Leben bedrohen, als Katastrophe zu bezeichnen, weil ihnen ihre Profite durch die Lappen gehen, macht den Zynismus und die Menschenverachtung dieser »ehrbaren« Industriellen mehr als deutlich. Sie drohen auch noch den Arbeitern, die für ihre Profite schuften: »Denn sollten sich die Störungen(!) in der Vergabe von Kraftwerksvorhaben weiter fortsetzen, werde KSB nicht umhin können, die Belegschaft zu verringern.« (zitiert nach FAZ vom 25.5.77). Mit dieser dreckigen Erpressung sollen die Arbeiter gezwungen werden, den Bau von Atomkraftwerken zu unterstützen, damit ihre Arbeitsplätze gesichert werden und obendrein noch neue geschaffen werden. [...]





Aktionen gegen den Wach- und Kontrolldienst Nord und den Leiter Schutzpolizei Duisburg (Mai 78)

Warnung an alle Kettenhunde: wir beissen zurück!
Wir haben heute - am 8. Mai 1978, dem Jahrestag der bedingungslosen Kapitulation des Nazideutschlands im Jahr 1945 - zwei besonders ekligen Kettenhunden des Atomfaschismus eins auf die Nase gegeben. Am Morgen des 8. Mai gingen beim Wach- und Kontrolldienst Nord und Niedersachsen in ihrer Verwaltungszentrale in Stade die Lichter an. Mit unserer Bombe wollen wir daran erinnern, daß dieser halbmilitärische Werkschutz, der eng mit Polizei und Verfassungsschutz zusammenarbeitet, in Gorleben nicht zum ersten Male aufgefallen ist. Die fast 1.000 Bullen dieses Werkschutzes haben schon in Brokdorf und Grohnde kräftig mitgemischt und stoßen sich auf diese Art am Atomwahn gesund.
Die besonderen Dienste des leitenden Schutzpolizeidirektors von Duisburg, Wilhelm Lembert, wissen auch wir zu würdigen. Nachdem ihn Innenminister Hirsch von NRW im Oktober 1977 mit dem Verdienstkreuz am Bande auszeichnete, ließen wir uns nicht lumpen und verliehen ihm am Abend des 8. Mai das Verdienstauto im Brande! (erster Klasse natürlich, wie es sich gehört, einen Mercedes.) Herzlichen Glückwunsch!





Aktion gegen die Nordwestdeutschen Kraftwerke, Lübeck (Juli 78)

Am 21.7. wurde im Lübecker Hauptverwaltungsgebäude der Nordwestdeutschen Kraftwerke (NWK) ein Brandsatz gezündet. Die NWK sind neben den Hamburger Elektrizitätswerken einer der größten Atomanlagenbetreiber in Norddeutschland. In diesen Bürostuben wurde unter anderem die Propaganda und Planung zum Bau des AKW Brokdorf koordiniert.
In einer Zeit, wo die legalen Widerstandsformen zunehmend illegalisiert werden und die Staatsschutzbehörden nichts anderes zu tun haben, als AKW-Gegner zu monatelangem Knast zu verurteilen (Grohnde-Prozesse) können wir es uns nicht leisten, nur rumzusitzen und zu debattieren, sondern wir müssen auch alle Formen des praktischen und militanten Widerstands jetzt und sofort organisieren. Wir dürfen uns im Kampf gegen die lebensvernichtenden Atomanlagen unsere Widerstandsformen nicht von den Herrschenden und der Atommafia vorschreiben lassen. Greifen wir die Verantwortlichen überall da an, wo sie nicht auf uns vorbereitet sind. Unsere Kraft und Phantasie finden immer einen Weg, »denn wir gehen nicht unter in Niederlagen, aber in Kämpfen, die wir nicht kämpfen.«
Wir fordern:
- sofortige Stillegung aller Atomanlagen!
- Einstellung aller Straf- und Ermittlungsverfahren gegen AKW-Gegner! [...]
Es ist Zeit, uns zu entscheiden!





Anschlag auf den Wetterturm Ahaus und gegen Fa. Seeland, Hamburg (November 79)

In Ahaus dient ein Wetterturm der Erforschung der klimatischen Bedingungen und damit der Vorbereitung des Baus der Zwischenlagerung. Gleichzeitig wurden dort bereits umfangreiche Vorbereitungen (Enteignung, Probebohrungen, Kanalisation, Straßenbauvorbereitungen) getroffen, um die Errichtung des Zwischenlagers im kommenden Jahr zügig durchzuziehen. Als nun kürzlich in der Schweiz bei einem Atomprojekt ein ähnlicher Wetterturm von AKW-Gegnern gefällt wurde, haben wir uns gedacht: was schon die Schweizer nicht wollen, ist auch bei uns überflüssig. Wir wissen sehr wohl, daß wir mit unserer Aktion der ortsansässigen BI Schwierigkeiten machen und sie sich mit dem »Terrorismus-Vorwurf« wird auseinandersetzen müssen. Wir meinen aber, daß sich der Widerstand gegen das Zwischenlager auch an konkreten Ergebnissen messen lassen muß und wir deshalb ein Recht auf diese Aktion haben.
In Hamburg haben wir bei der Spedition Seeland mehrere Transportfahrzeuge unbrauchbar gemacht, indem wir Zucker in Tanks und Messer in Reifen reingetan haben. Die Spedition Seeland hat sich im September in Gorleben an den Transportarbeiten zur Errichtung des Bohrlochs KZ's 1003 beteiligt. Sie wurden von verschiedenen Bürgerinitiativen mehrmals auf ihre schädliche Rolle hingewiesen: wer nicht hören will, muß schieben.
Der Widerstand gegen das Atomprogramm ist in einer schwierigen Situation. Die Bonn-Demonstration [16] ist genauso folgenlos geblieben, wie es zuvor von großen Teilen der Anti-AKW-Bewegung befürchtet worden war. Der praktische konkrete Widerstand ist schwach und unbeständig: während in Gorleben mehrere hundert auf den Bäumen hockten, kamen nach Bonn 100.000.
Die Ohnmachtsgefühle angesichts der zügigen Arbeiten, der polizeilichen Übermacht in Gorleben, das Nicht-Weiter-Wissen, die verbreitete Ratlosigkeit über realistische und trotzdem effektive Widerstandsformen verleitet viele dazu, auf den parlamentarischen Dampfer aufzuspringen. Diejenigen, die politische Bewegungen schon immer als Manövriermasse für taktische Ziele betrachtet haben, machen zur Zeit in große Politik. Seien es die Grünen, wo sich Gruhl [17] und Dutschke [18] in den Armen liegen; sei es der BBU, der für ein geringes Zugeständnis der Bundesregierung immer noch die Grünen von einer Kandidatur abhalten will. Sie wollen nichts davon hören, daß die Anti-AKW-Bewegung ihre Kraft gerade dadurch gewonnen hat, daß sie sich unabhängig von den Staatsparteien organisiert, außerparlamentarische Opposition betreiben, daß sie sich nicht an den Buchstaben der Gesetze allein, sondern an den Notwendigkeiten des Widerstandes - wenn auch zu selten und zu vereinzelt - orientiert hat.
Viele verlassen die Bewegung. Manche wollen die bisherige Arbeit in BI's und AKW-Gruppen durch eine illegale Praxis ersetzen. Dabei ist aber der Kampf gegen das Atomprogramm keine militärische Sache allein. Wenn es überhaupt eine Chance gibt, den Ausbau des Atomprogramms zu verhindern, den Wahnsinn zu begrenzen, dann nur über die Kombination politischer und militärischer Methoden und auch dann nur sehr langfristig. Es würde den parlamentarischen reformistischen Tendenzen in der Anti-AKW-Bewegung geradezu entgegenkommen, wenn die militanten und radikalen Teile freiwillig das Feld räumen würden, um sich auf die Vorbereitung illegaler Aktionen zu konzentrieren. Natürlich wird ein Widerstand gegen die Atomenergie, der sich auch gegen die politische Struktur wendet, die das Atomprogramm möglich macht, nicht auf den schulterklopfenden, augenzwinkernden Beifall der Medien stoßen, wie ihn derzeit z.B. die Gewaltlosen einheimsen können. Es ist so banal wie wichtig: die pazifistische Orientierung eines Teils der Bewegung wird von denen gelobt und gefördert, die selbst alle Gewaltmittel in der Hand haben und bereit sind, sie für die Durchsetzung des Atomprogramms auch einzusetzen. Die Anwesenheit und Auseinandersetzung der Militanten in der Bewegung ist unverzichtbar. Es ist auch die Vorbedingung dafür, daß vielleicht einmal hunderte von kleinen Gruppen illegalen Widerstand organisieren, Strommasten sprengen, die Atomkonzerne angreifen und sabotieren, die Charaktermasken der Atommafia verunsichern und veränstigen, daß mehr Bahngleise besetzt, Jauche abgekippt, Mist geschüttet, Steine geschmissen, Bohrlöcher usw. werden.
Wir haben unsere Praxis da in Frage gestellt, wo Aktionen allein dazu dienen, aufzuzeigen, daß Widerstand mögich ist, da symbolische militante Aktionen abstrakt bleiben und Widerstand erst erfahrbar wird durch konkrete Ergebnisse wie Behinderung, Sabotage, Verzögerung. Wir sind aber weiterhin überzeugt, daß die Entwicklung illegaler und militanter Kampfformen unabdingbar ist, daß Massenaktionen und Aktionen kleiner Gruppen, Zentralisation und Dezentralisation, die militärische und politische Seite nicht voneinander zu trennende, sich gegenseitig bedingende, vorantreibende Momente sind.
Die allumfassende Harmlosigkeit mag ein guter Schutz vor Ärger und Repression sein, verändern tut sie nichts mehr.





Anschläge auf Interatom in Bensberg, die Gesellschaft für Reaktorsicherheit in Köln und einen Strommast in Kalkar (November 82)

Schneller als der Schnelle Brüter?
1. Die Demo vom 2.10.82 könnte ein neuer Auftakt zur weiteren Mobilisierung gegen den Schnellen Brüter sein, obwohl sich die Bedingungen hierfür auf den ersten Blick verschlechtert haben. Der Klotz konnte in aller Ruhe gebaut werden, fünf Jahre lang, ohne daß wir in der Lage waren (vor allem nach der September-Demo 77), nennenswert zu stören. Die Vorgeschichte zu dieser Demo ist auch Ausdruck der Hilflosigkeit gegenüber dem Atomprogramm der BRD. Die Mobilisierung zur Demo waren weniger das Ergebnis einer langjährigen Auseinandersetzung der Anti- Kalkar-Gruppen mit dem Brüter; sie war vielmehr ursprünglich gedacht als Entscheidungshilfe für die Abstimmung im Parlament und als Unterstützung der »kritischen Enquetemitglieder« und als solche von der BBU und den Grünen in die Diskussion gebracht worden. Die Diskussion um den Demo-Aufruf hat die beiden Linien in der Anti-Akw-Bewegung öffentlich gemacht:
Auf der einen Seite BBU und Teile der Grünen, fixiert auf den Parlamentarismus und dessen Spielregeln - sie wollten die gewaltfreien Massen gewaltfrei vorführen - und auf der anderen Seite die BIs und Autonomen, die den Abriß des Brüters auf die Tagesordnung setzten, über das Wie jedoch auch wenig äußerten.
Auf der Demo selbst spiegelten sich die Linien wieder:
Der BBU hielt eine Kundgebung ab, wenige Meter weiter versuchten 400 Leute, die Bullen auf Trab zu bringen, um so wenigstens den Friede-Freude-Charakter der Veranstaltung zu stören. Und zwischen den Steinewerfern und den Wasserwerfern warfen Gewaltfreie die Arme hoch, um die Wasserwerfer und die Bullen vor den Steinewerfern zu schützen.

2. Der Schnelle Brüter wird nach dem Willen von Staat und Industrie zu Ende gebaut. Bei der Hoffnung der Grünen, daß das Gezeter um Finanzierungslücken das Signal für das langsame Sterben bedeutet, war wohl auch der Wunsch der Vater des Gedankens. Der Brüter und der Hochtemperaturreaktor sind Symbole für ihren Fortschritt. Der Regierungswechsel [19] ändert nur insofern etwas daran, als sich die CDU/FDP nicht mehr um den letzten Schein von Sozialstaatlichkeit zu scheren braucht. Birne macht dort weiter, wo Schmidt nicht mehr konnte, wie er wollte.
Der Weiterbau des Brüters steht für die Glaubwürdigkeit einer Regierung, die in der umfassenden Durchsetzung einer menschenverachtenden und zerstörenden Großtechnologie ihren Weg zu Wirtschaftswachstum, Macht und Expansion sieht.
Obwohl Herr Riesenhuber [20] von der Notwendigkeit der finanziellen Beteiligung der Atomindustrie spricht, werden im neuen Haushalt große Summen des Finanzlochs bei Brüter und Hochtemperaturreaktor aufgebracht. Die Diskussion, die zwischen von Bülow [21] und den EVUs (Energieversorgungsunternehmen) und Konzernen um die Finanzierung der Projekte begann, hat zwei Funktionen:
* Die Umverteilung der Kosten müßte neu geregelt werden, weil der Staat nicht mehr die Finanzierung von Forschung und Entwicklung allein tragen konnte und wollte. Daß bei der Diskussion der Deal: mehr Geldeinsatz der EVUs und Industrie gegen einfachere Baugenehmigungsverfahren und politische Unterstützung herauskam, zeigt, daß die AKW-Betreiber noch auf dem Vormarsch sind.
* Die SPD hat in der letzten Phase der öffentlichen Diskussion ihre Oppositionsrolle vorbereitet. Sie weiß sehr genau, daß sie nach dem Verlust der Macht sich auf neue Partner einstellen muß. Mittlerweile signalisiert selbst ein Börner [22] Gesprächsbereitschaft an die Grünen und Vogels [23] Berliner Weg soll auch in Bonn gangbar gemacht werden. Die breit geführte Diskussion um neue Mehrheiten links von der CDU zeigt, daß die SPD in der Krise allemal in der Lage ist, Integrationsmodelle zu entwickeln. Sie hat angefangen, ihre Legende als ein Opfer von Verrat zu stricken, der Solidarisierungseffekt mit dem gemeuchelten König Schmidt ist offensichtlich.
Es wird jetzt schon geflissentlich verdrängt, daß die SPD in den letzten 13 Jahren verantwortlich die Entwicklung zum Überwachungsstaat betrieben hat, daß sie Hochsicherheitstrakte und Berufsverbot eingeführt hat, daß unter ihrer Regie Genossen und Genossinnen ermordet wurden, daß sie die Ausländerfeindlichkeit und Rassismus geduldet hat, daß unter ihr unsere Städte gesäubert wurden von allem Menschen- und Lebenswerten, daß die Massen ihrer Wähler in Betonburgen verwaltet werden, daß jeder Widerstand gegen die Zerstörung mit Bullengewalt gebrochen und verfolgt wurde, daß diese Sozialdemokraten das Leben aller sozial Schwachen ausgrenzten aus ihrer Wachstumsgesellschaft.
In der Opposition wird sie die Grünen umgarnen und versuchen, sie für eine um Ökoprobleme bereicherte sozialdemokratische Politik zu gewinnen.
Die Diskussion bei den Grünen zielt genau in diese Richtung eines Bündnisses mit der SPD. Ihre Widersprüche machen sich nicht an dem OB fest; mit wem und mit wem nicht, gilt es zu entscheiden.
So fanden die Gespräche von Bülows in einer Situation statt, in der das Ministerium nicht mehr zahlen konnte. Eine Erhöhung des Etats und die damit verbundene Belastung des Steuerzahlers konnte in einer Zeit vor einem erwarteten Regierungswechsel nur unklug sein.

3. Die Durchsetzung des Brüterprogramms hat gegenüber den anderen AKWs einen besonderen Stellenwert:
* Mit dem SNR 300 sollen die Erkenntnisse aus dem Karlsruher Versuchsreaktor im großen Stil, unter realen (also unseren) Bedingungen umgesetzt und getestet werden. Die Erwartungen an diesen Großversuch bleiben nicht bei der technischen Vervollkommnung und Weiterentwicklung stehen. Getestet werden soll auch die Auswirkung dieses atomaren Monsters auf Menschen, d.h. auf uns Menschen in NRW - wie wird unsere Arbeits- und Kommunikationsstruktur sich verändern? Verändern müssen? Wie werden wir als Menschen reagieren auf dieses zukunftsweisende Bauwerk? Mit Gewöhnung, mit Flucht, mit Angst, mit Stolz, mit Sabotage?
* Die Brütertechnologie muß beherrscht werden, um der BRD einen Spitzenplatz in der internationalen Konkurrenz zu sichern, der mit jedem Jahr Verzögerung gefährdet scheint.

Die BRD verfügt nicht über eigene Uranvorkommen. Im internationalen Atomgeschäft spielt für sie der Verkauf von Know How und Technologie die weitaus größte Rolle. Dieses Verhältnis trifft auf fast alle Rohstoffe zu, die die BRD importieren muß. Die Industrie kauft Rohstoffe aus Ländern, in denen mit ihren Maschinen und Ingenieuren das Zeugs aus dem Boden geholt und verarbeitet wird. Wie wichtig auch der Bundesregierung diese Wissensmacht ist, zeigt der letzte Forschungsetat, der die Masse der Gelder in Brüter, HTR, Mikroelektronik und Biotechnologie investiert und auch der neue Etat des Herrn Riesenhuber spart überall, nur nicht an der Ecke. Brüter, HTR, Mikroelektronik und Biotechnologie bleiben von allen Kürzungen ausgenommen.
* Der Brüter steht für die fortschreitende Europäisierung des Atomprogramms. Die Beteiligung von holländischen, belgischen und englischen Firmen am SNR 300 sowie der Franzosen und Italiener am Folgereaktor ist zwingend, wenn die BRD an der Entwicklung anderer europäischer Brüterlinien teilhaben will. Die Beteiligung der Deutschen am Superphenix [24] soll einen wissenschaftlich-technischen Alleingang der Franzosen verhindern, was die Marktchancen für die BRD schwächen könnte.
* Die BRD sichert ihren imperialistischen Einfluß durch Verkauf von ganzen AKWs und bestimmt damit direkt die innenpolitische Entwicklung der betroffenen Ländern. Mit dem Bau des Brüters muß etabliert werden, was verkauft werden soll.

4. Auf den ersten Blick haben wir schlechte Karten. In der 'Automomie' 4/5 schrieben wir:
»Unsere Vorstellung ging dahin, die Atommafia da anzugreifen, wo das Atomprogramm konzipiert, wissenschaftlich vorbereitet, propagandistisch aufbereitet und materiell durchgeführt wird, also nicht den Bauplatz als Schlußpunkt des Programms, sondern die ganze Struktur des Atomprogramms zum Angriffspunkt zu machen. Wir glauben immer noch, daß dadurch die Möglichkeit einer kontinuierlichen politischen und militanten Praxis in jeder Stadt gegeben ist, wir die Möglichkeit der überraschenden Initiative behalten und uns nicht ausschließlich einige Standorte zu 'Entscheidungsschlachten' aufdrängen lassen brauchen.«
Das ist heute noch die Kampfperspektive. Dabei kann es nicht nur um die Rettung des ökologischen Gleichgewichts allein gehen - das ist wahrscheinlich eh schon kaputt. Die Finanzierung des Brüters wird im Angriff auf unsere Lebensbedingungen durchgesetzt. Die Milliarden des Forschungsetats kommen aus Steuergeldern. Sozialhilfe, Kindergeld, Arbeitslosengeld werden gekürzt, Strompreise werden erhöht. Der Bau des Schnellen Brüters führt deshalb unmittelbar zu einer Verschlechterung unserer Lebenssituation. So betrachtet ist die Perspektive unseres Kampfes umfassender, schließt die Menschen mit ein, die sich einer Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen widersetzen, macht es uns möglich, auf viel breiterer Ebene aufzuwiegeln und anzugreifen. [...]
Unsere Chance besteht darin, dort ein- und anzugreifen, wo der Brüter noch fertiggestellt werden muß. Sie rechnen selbst noch mit 5 bis 6 Jahren Bauzeit. Jahre, in denen Transporte nach Kalkar fahren, Firmen ihre Aufträge erfüllen und Material anliefern, in denen die Betreiber und Erbauer Steuergelder einstecken, in denen der Niederrhein verkehrsmäßig atomgerecht verändert wird. Jahre, in denen die EVU's versuchen werden, den Strompreis anzuheben. Jahre, in denen wir Zeit haben zu boykottieren, zu sabotieren, zu besetzen, zu sperren, zu sprengen. - Auf geht's !
Wir haben angefangen, die Brütermafia anzugreifen. Möglichkeiten sind da viele, denn das Netz von Brüter-Entwicklern, Brüter-Forschern, Brüter-Bauern etc. ist ausgedehnt.
Angefangen haben wir mit Interatom und der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS). In der Nacht vom 1.10. haben wir einen Sprengsatz bei Interatom in Bensberg und in Köln bei der GRS gezündet. Interatom mußte seinen Lehrlingen einen Tag freigeben. Bei der GRS ist die Druckwelle nicht nur hinten rein gegangen, sondern auch vorne wieder raus mit 'ner ziemlichen Wucht, wobei eine Menge Scheiben auf der Strecke geblieben sind.
Interatom gehört zu 100 % der KWU und die wiederum voll und ganz Siemens. Interatom sitzt in Bensberg und besitzt seinerseits wiederum zu 70 % die INB - Internationale Brutreaktorengesellschaft (neben einer belgischen und niederländischen Firma). Selbige ist erst 1972 zum Zweck des Brüterbaus gegründet worden. Im Produktionsprogramm von Interatom finden sich neben den Schnellen Brütern auch gasgekühlte Hochtemperaturreaktoren, auch Urananreicherungsanlagen mit Gaszentrifugen- und Trenndüsenverfahren. Da werden Trainingsreaktoren und Forschungsreaktoren und Brennelemente angeboten. Selbst Standortuntersuchungen und Gutachten zur Reaktorsicherheit verkaufen die. Interatom hat selbst wieder 'ne Tochter - die GHT, Gesellschaft für Hochtemperaturtechnik - und noch andere nukleare Teiltöchter. Interatom ist ein Gesellschafter in der Kenntnisverwertungsgesellschaft für Schnelle Brutreaktoren. Interatom baut in Indonesien einen Forschungsreaktor. Interatom ist zu 10 % bei NUCLEI beteiligt, eine (bis auf 15 % STEAG) brasilianische Gesellschaft, die dort eine Demonstrationsanlage zur Urananreicherung nach dem Trenndüsenverfahren baut. Interatom liefert mit STEAG zusammen den Ingenieur-Architekt zu diesem Projekt. Know-How, der Export davon, mitmischen im europäischen Wissenshandel - genug, um ihnen etwas anzutun, wenn's auch noch zu wenig war.
In der Gesellschaft für Reaktorsicherheit sind die TÜVs verschiedener Länder und des Bundes zusammen mit dem LLoyd vertreten. Neben der Beratung des BMI bei kerntechnischer »(Un)Sicherheit« und des nuklearen »Umgebungsschutzes« hat die GRS eine Reihe anderer Funktionen. Sie erstellt Gutachten im Auftrag des BMI und der atomrechtlichen Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden, untersucht neue Konzepte und Systeme bei kerntechnischen Anlagen und arbeitet Vorschläge für Forschungsvorhaben aus. Zu ihren Aufgaben gehört auch die Durchführung von Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf dem Gebiet der »Sicherheit« von kerntechnischen Anlagen und sie arbeitet an Regeln und Richtlinien im Bereich »Sicherheits«-Technik mit. Die Öffentlichkeit und interessierte Stellen werden von ihr in allen Fragen der »Sicherheit« von Atomanlagen »beraten«, und sie betreut die Reaktorsicherheits- und Strahlenschutzkommission fachlich und organisatorisch.

Am 1. November haben wir einen Sprengsatz an einem Strommast gelegt, der schnurstracks und ausschließlich zum Brüter führt. Wir wollten damit eine Zwangspause für wenigstens einige Tage erreichen, in denen im Gelände lediglich mit Notgeneratoren das Notwendigste beleuchtet und belüftet werden kann.
Jeder Tag Verzögerung beim Bau in Kalkar heißt Geld und Ärger und Gerede für sie - und Zeit und Luft für uns.




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