Anhang

"Europa arbeitet in Deutschland"
(Fritz Saukel, "Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz") 1)

An den Kriegsfronten, in den besetzten Gebieten, wurde gemordet, geplündert und Männer, Frauen, Kinder verschleppt. Die Beute - Arbeitskräfte, Rohstoffe und Lebensmittel - wurde ins "Reich" verfrachtet, um die deutsche Bevölkerung zu versorgen und die Kriegswirtschaft in Gang zu halten. An der Heimatfront wurden Kriegs-gefangene, KZ-Häftlinge und ZivilarbeiterInnen gezwungen für den deutschen Krieg zu arbeiten - "Arbeitseinsatz", so nannten es die Nazis.
Kriegs- und Heimatfront waren keine getrennten Welten im Alltag der deutschen Bevölkerung, sondern verzahnt zu einer Kriegs- und Vernichtungsgesellschaft. Erich Koch 2), Reichskommissar der Ukraine, benennt voll Stolz dieses brutale Zusammenspiel: "Unsere Soldaten haben ihr Blut in diesem Lande (Ukraine) nicht vergossen irgendwelcher Menschheitsbeglückungsideen willen, sondern um die hier lagernden Reichtümer für Front und Heimat und damit für ein neues Europa nutzbar zu machen. Die vom Führer in diesem Lande eingesetzte zivile Verwaltung kennt nur ein großes Ziel: dem Frontheer zu beschaffen, was es braucht und der Heimat die zusätzlichen Mengen an Nahrungsmitteln, Rohstoffen und an Arbeitskräften zur Verfügung zu stellen, auf die das deutsche Volk ein Anrecht hat und die für die Erringung des Endsieges notwendig sind. Mit dieser Zielsetzung ist im vergangenen Jahr in der Ukraine gearbeitet worden. ... In diesen Tagen rollt der viertausendste Lebensmittelzug über die Grenzen des Reiches, und fast 710 000 Arbeiter wurden in der Ukraine freigemacht, um in der deutschen Rüstungsindustrie und Landwirtschaft die für den Wehrdienst notwendigen Arbeitskräfte zu ersetzen." (Deutsche Ukraine-Zeitung, 5. Jan. 1943, Nr. 3, Aufruf: "An alle Deutschen in der Ukraine")
Aus der Sowjetunion wurden insgesamt 2,8 Millionen ArbeiterInnen verschleppt; 1,7 Millionen PolInnen wurden in die deutschen Kriegswirtschaft deportiert; mehr als die Hälfte dieser sog. "Fremdvölkischen" waren junge Frauen. Die Liste der aus ganz Europa nach Deutschland verfrachteten Arbeiter läßt sich fortsetzen: 1,3 Millionen Franzosen, 270.000 Niederländer und 590.000 Italiener usw. Fast acht Millionen "Fremdarbeiter" lebten im August 1944 im deutschen Reich, 1,9 Millionen Kriegsgefangene und 5,7 Millionen zivile Arbeitskräfte. Ungezählt bleiben diejenigen, die krank und verstümmelt - "arbeitseinsatzunfähig" - zurücktransportiert worden waren; und in dieser Statistik verschwinden auch diejenigen, die ihre "Rückkehr in die Heimat nicht mehr erlebt haben: 'Abgang durch Tod' - so hieß das in der Aktensprache der NS-Bürokratie." (Christoph Schminck-Gustavus)

Ohne ZwangsarbeiterInnen wäre die deutsche Kriegswirtschaft zusammengebrochen: fast die Hälfte der Be-schäftigten in der Landwirtschaft waren AusländerInnen, ihr Anteil in der Industrie und Bauwirtschaft lag bei 30%, in den Rüstungsbetrieben war die Hälfte der Belegschaft ZwangsarbeiterInnen.
Deutsche und ZwangsarbeiterInnen arbeiteten auf Bauernhöfen, in den Bergwerken und Fabriken über Jahre zu-sammen. Genauer gesagt: Die Deutschen waren zu Herren und Vorarbeitern über ein Heer von "Hilfsvölkern" auf-gestiegen.
"Ausnahmslos jeder, der als Jugendlicher oder Erwachsener den Krieg innerhalb Deutschlands erlebte, hatte in irgendeiner Form mit den Fremdarbeitern und Kriegsgefangenen zu tun." (Ulrich Herbert, 1985)
Am Arbeitsplatz, auf den Straßen der Innenstadt und in den Wohnvierteln, bei Aufräumungsarbeiten nach Bombenangriffen oder beim Bau von Bunkern, überall waren sie anzutreffen; Elendszüge von Gefangenen auf den Straßen waren ein gewohntes Bild in Stadt und Land. Deutschland war mit einem Lagersystem überzogen: in einer Stadt wie Frankfurt gab es ca. 217 AusländerInnenlager innerhalb des Stadtgebiets, in Essen 300, in Mannheim 142, insgesamt waren es im "Reich" ca. 30.000. Auch auf dem Land befanden sich die Lager in unmittelbarer Nach-barschaft. ZwangsarbeiterInnen waren in Gasthöfen, Tanzsälen, Schulen oder Turnhallen untergebracht.
Ungefähr 700 000 "fremdvölkische" Haus- und Dienstmädchen wohnten bei deutschen Familien; die jungen Mädchen im Alter von 12-18 Jahre mußten schwere körperliche Hausarbeit verrichten und betreuten etwa 1,5 Millionen deutsche Kinder. Die deutsche Mutter und Hausfrau konnte sie auf Bezugsschein beim Arbeitsamt bestellen, oder der Ehemann schickte die Beute direkt von der Ostfront. (vgl. Annekatrein Mendel)
ZwangsarbeiterInnen gehörten für die Deutschen zum Kriegsalltag wie Lebensmittelkarten und Bombennächte - allerdings war es ihnen verboten zusammen mit Deutschen in die Luftschutzkeller zu flüchten. Selbst in der - nach dem Kriege volksgemeinschaftlich erinnerten - Not, Angst und dem Chaos wurde die deutsche Ordnung aufrecht-erhalten: AusländerInnen blieben draußen vor der Tür, dem Bombenhagel schutzlos ausgeliefert. Nach den Luft-angriffen jedoch begegnete man ihnen wieder, Kolonnen von Zwangsarbeitern "enttrümmerten" die Städte.

"Die Normalität selbst wurde immer abnormaler"
(Christopher Browning)

Beim Überfall auf Polen 1939 waren im Gefolge der Wehrmacht Beamte der deutschen Arbeitsämter mitmarschiert und nahmen dort ("Generalgouvernement") sofort ihre Arbeit auf: sie erfaßten die Arbeitslosen, trieben die Juden zur Arbeit in "Zwangsarbeitstrupps" und starteten eine Kampagne zur Anwerbung von Zivilarbeitern. Die Zahl der "Freiwilligen" blieb gering. Der deutschen Propaganda, mit der Arbeit im ´Reich´ könne man die Familie zu Hause ernähren, glaubte man nicht und bald hatte sich herumgesprochen, was die Polen in Deutschland erwartete.
Die Rekrutierungen durch die Besatzungsmacht wurden Zug um Zug brutaler: ganze Jahrgänge wurden zur Arbeit in Deutschland verpflichtet, Dörfer und Bezirke mußten Arbeiterkontingente stellen und ab Frühjahr 1940 machten SS und Polizei regelrecht Treibjagd auf Männer, Frauen und Kinder. In den großen Städten umstellten sie Schulhöfe, Märkte und Kinos und verfrachteten die Gefangenen aus dem "großen polnischen Arbeitslager" (Hitler) zur Zwangsarbeit nach Deutschland.

Dort hätte der "Arbeitseinsatz" ohne die deutsche Bevölkerung nicht funktioniert. Im Gegensatz zu den besetzten Gebieten, wo die deutschen Exekutivkräfte rücksichtslos gegen eine feindliche Bevölkerung vorgehen konnten, war das Regime im "Reich" auf seine Bevölkerung angewiesen: Die Deutschen mußten die rassistischen Maßnahmen akzeptieren und mitwirken - auch diesmal konnten sie sich auf ihr Volk verlassen: "Um die 'Polenverordnungen' durchzusetzen, kam es eben nicht nur auf die SS-, Gestapo-, und Arbeitseinsatz-Apparate an, sondern ebenso auf die einfachen 'Volksgenossen', die durch ihr Verhalten tätige Hilfsfunktionen für die NS-Bürokratie übernahmen; ... nötig war ... der Saalwächter, der bei 'volksdeutschen' Tanzvergnügungen den Menschen mit dem 'P' zurückwies, der Billetverkäufer, der ihm keine Einlaßkarte für eine Theateraufführung verkaufte, nötig war der Bademeister, der Gastwirt, der Friseur und der Parkwächter, der die Polen zurückwies, der Pfarrer, der den Ausschluß seiner polnischen Glaubensbrüder aus dem Gottesdienst hinnahm, und der Friedhofsverwalter und Totengräber, der ihm die letzte Ruhestätte unter deutschen 'Volksgenossen' verweigerte." (Christoph Schminck-Gustavus)

Das System der Zwangsarbeit wurde schnell und reibungslos mit den "Polenerlassen" vom März 1940 in die deutsche Gesellschaft integriert. Die Zivil-arbeiterInnen waren in Barackenlagern untergebracht, mußten ständig eine Arbeitskarte bei sich tragen und bei sog. "Arbeitsunlust" wurden sie drakonisch bestraft: Einweisung in ein Arbeits-erziehungslager oder Konzentrationslager. Damit der Ausschluß von allen öffent-lichen Einrichtungen auch funktionierte, mußten sie das "P"-Zeichen sichtbar an der Kleidung tragen - der lila Stoff mit dem aufgedruckten "P", machte jedem Deutschen schon von weitem klar: das ist ein Pole.
Die 'Blutreinheit des deutschen Volkes' und die deutsche Mannesehre lag den Nazis am Herzen: bei intimen Beziehungen mit deutschen Frauen wurden die polnischen Männer öffentlich aufgehängt, die Frauen mußten z. B. mit geschorenem Kopf und einem Sack bekleidet bei der Hinrichtung zusehen, anschließend kamen sie ins Ge-fängnis oder Konzentrationslager. Neben dem sog. "GV-Erlaß" (Geschlechtsverkehr) begegnete man den "blutlichen Gefahren" mit der Vorschrift, daß mindestens die Hälfte der polnischen Zivilarbeitskräfte Frauen sein sollten 3). Am Galgen hängende AusländerInnen - ein Bild, daß ab 1940 auch in den Städten und Dörfern im "Reich" zu sehen war.

Und mit jedem Überfall der Wehrmacht auf ein europäisches Land, wurden mehr und mehr AusländerInnen in den Alltag der deutschen Bevölkerung deportiert.
Damit stellte sich für NS-Bürokratie, Verwaltung und Unternehmen die Aufgabe, sich die Arbeit eines Heeres von AusländerInnen anzueignen, die "sicherheitspolizeilichen" Probleme zu bewältigen und immer die privilegierte Stellung des Herrenvolkes zu sichern. Das Ergebnis war eine Fülle von Verordnungen und Erlassen, die das Leben und Sterben der ZwangsarbeiterInnen verregelte: etabliert wurde eine komplizierte rassistische Hierarchie, die Unterkunft, Lohn, Verpflegung und "Behandlung" für die ver-schiedenen Ausländergruppen vorschrieb. In der Rangfolge oben befanden sich die Arbeiter aus dem faschi-stischen Italien, danach rangierten die "germanischen" Holländer und die französischen "Westarbeiter", ganz unten die PolInnen und ab 1942 die sowjetischen ZivilarbeiterInnen und Kriegsgefangenen. Es herrschte eine Mischung aus Regelungswut, Sadismus und Willkür. So kreierten zum Beispiel Beamte des Reichsernährungsministeriums das "Russenbrot", es sollte sich aus 50% Roggenschrot, 20% Zuckerrübenschnitzel, 20% Zellmehl und 10% Strohmehl oder Laub" (Johann Woydt) zusammensetzen. In den Lagerküchen gab es entsprechend der rassi-stischen Hierarchie eine "Rangordnung der Suppenkessel" (Christoph Schminck-Gustavus) - und an dem Wenigen bereicherte sich noch das deutsche Lager- und Wachpersonal.
Und über all diesen Ausländergruppen stand die deutsche Arbeiterschaft. Ihre soziale Stellung hatte sich durch die "Fremdarbeit" erheblich verändert: schwere und schmutzige Arbeiten machten die AusländerInnen, höherwertige und besser bezahlte Arbeit war den Deutschen vorbehalten. Ausländer unten - Deutsche oben: Die rassistisch strukturierte Zweiklassengesellschaft ermöglichte den deutschen Arbeitern den sozialen Aufstieg zum Vorarbeiter und Meister über die "Arbeitsvölker".

Aber auch die Zahl der Deutschen, die dem Kontroll- und Repressionsapparat angehörten, stieg kontinuierlich an: sie arbeiteten in der Lagerverwaltung, beim Werkschutz, als "Ausländerbeauftragte" (das gab es tatsächlich) oder beim Ausländer-Bespitzelungssystem der Partei. So gehörten z. B. bei Krupp in Essen 4000 Deutsche zum Werk-schutz oder zu Eingreiftrupps, immerhin jedes 15. Belegschaftsmitglied. Die mit Stahlhelmen, Knüppeln und Waffen ausgerüsteten Werkschutzleute waren befugt, Fremdarbeiter zu "züchtigen", eine Aufgabe, die sie mit Eifer erfüllten. Das betriebseigene Bestrafungsregime hatte für die Werksleitungen den Vorteil, daß der Geprügelte wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehrte (wenn man ihn nicht totgeprügelt hatte) und nicht der Gestapo überge-ben werden mußte, die ihn dann für längere Zeit in einem "Arbeitserziehungslager" inhaftierte.

Doch ordentlich, sauber und gemütlich sollte es im Terror zugehen: "In der gleichen Zeit, in der in Bremen-Farge eine nie mehr genau zu ermittelnde Zahl von 'Arbeitserziehungs-Häftlingen' zu Tode gebracht worden ist, hat in Bremen - öffentlich in Zeitungsberichten angekündigt - auch ein Wettbewerb unter dem Motto 'Schönere Lager' stattgefunden." (Oktober 1943)(Christoph Schminck-Gustavus)
Auch heute, wenn der Kampfruf ertönt: "Unser Dorf muß schöner werden", dann müssen als erstes die Asylbe-werberheime verschwinden.

"Modell Zwangsarbeit"

Es ist eine simple Erkenntnis, daß am Ende eines Krieges die Menschen, die marschierten, töteten, die sich an Tod und Zerstörungen gewöhnt haben, nicht mehr dieselben sind, und diese Gewalterfahrung die Gesellschaft über die Zeit des Krieges hinaus prägt.
Doch nicht nur die deutschen Soldaten standen im Dienste der NS-Vernichtungspolitik, auch die Bevölkerung in Deutschland war in den Alltag der Verbrechen integriert: als Nutznießer des "Arbeitseinsatzes" und Zuchtmeister der ZwangsarbeiterInnen.

Erstaunlich ist, daß antirassistischen Gruppen auf alle möglichen Theorien zurückgreifen, insbesondere die angelsächsischen und französischen Rassismus-Diskussion wird bemüht, aber die deutsche Geschichte der natio-nalsozialistischen Zwangsarbeit - die Deportation und der "Arbeitseinsatz" von 8-12 Millionen "Fremdarbeitern" - spielt keine Rolle.
Die jeweils konkrete historische Erfahrung mit "Fremden" bestimmt das Verhalten des Täterkollektivs. Europäischer Rassismus ist ein zu grobes Raster, abgeleitet aus den allgemeinen Bewegungsgesetzen der bürgerlichen Gesell-schaft - es versagt, die Besonderheit des jeweiligen Landes zu begreifen. Deutschland hat keine Kolonialge-schichte, aber es ist gerade 50 Jahre her, daß Arbeit und Vernichtung die Erfahrung des deutschen Kollektivs mit AusländerInnen prägte. Fremdarbeiter und Herrenvolk und ein Staat, der dieses völkische Prinzip durchsetzt, formen das Muster des bundesrepublikanischen Rassismus, der Ausländergesetze und der Asylpolitik. Das "Modell Zwangsarbeit" ist im kollektiven Gedächtnis der Deutschen präsent. Rassismus und das Verhältnis zu "GastarbeiterInnen" und Flüchtlingen in Deutschland erfährt nicht nur durch den Begriff "Fremdarbeiter" seine Kontinuität, es ist geprägt durch die gewalttätige Geschichte. Und da das Thema Zwangsarbeit nie Gegenstand der "Vergangenheitsbewältigung" war, verrät die Sprache auch die Kontinuität: "Man nannte sie 'Ostarbeiter', sehr viel seltener 'Fremdarbeiter', aber niemals 'Gastarbeiter'. Das Wort 'Gastarbeiter' ist eine Wortschöpfung der Wirt-schaftswunderjahre". (Zitat bei Annekatrein Mendel) Nicht nur im Bewußtsein dieses Zeitzeugen gibt es keine Zäsur.
Will man von den linken Seminarübungen der Rassismusdefinitionen und Begriffsbestimmungen wegkommen - um nicht in diesem Land auch noch seinen (unbewußten?) Beitrag zur allgemeinen (generationsübergreifenden) Amnesie zu leisten - , muß man die kollektiven Erfahrungen benennen, denn sie werden reaktiviert.

In den Interviews und Gesprächen die Ulrich Herbert und andere Autoren mit Deutschen über die Nazizeit und Zwangsarbeiter führten, werden die ZwangsarbeiterInnen erinnert als die vorausgesetzte graue Masse des Kriegs- und Betriebsalltags. Nach wie vor werden sie nach dem Nazi-Sprachbrauch eingeteilt, differenziert nach 'Völkerstämmen': Ukrainer, "schlitzäugige" Mongolen und Russen.
"In vielen Gesprächen tritt neben die 'graue Masse' in der Erinnerung 'der eine' - 'mein' - Ausländer auf, zu dem man ein persönliches Verhältnis gehabt habe." (Ulrich Herbert, 1983) Selbstverständlich und normal war und ist, daß es Zwangsarbeiter gab, als besonders, nicht zu tolerieren gelten nur die Mißhandlungen durch 150%ge und die Nazis - nicht die Brutalität des Normalen, der Exzeß wird verurteilt. Der Bürgermeister eines Dorfes weiß über die Zwangsarbeiter zu berichten: "...es kam zu keinen Übergriffen, es fanden keine Erschießungen statt". Die Schwelle der Wahrnehmung ist erst bei Mißhandlungen und Morden überschritten.
Die Verschleppung von der Heimat, Hunger, Elend, Demütigung und Arbeit bis zur Erschöpfung sind im Bewußt-sein der Zeitzeugen kein Unrecht, nur die persönliche "Mehrleistung an Inhumanität" (Ralph Giordano) - die immer andere begangen haben - werden beklagt. Der ganz normale deutsche Alltag der Zwangsarbeit und die eigene Rolle im Verhältnis zu den AusländerInnen soll entlastet werden durch die brutalen Einzelnen: Steiger, Werk-schutzleute, Meister und Betriebsführer. Gerechtfertigt bleibt die Norm der Inhumanität.

Ein mächtiges Stereotyp bevölkert die Nachkriegs-Erinnerung: "Plündernde Polen und raubende Ostarbeiter". Kurz: kriminelle Ausländer.
"Als Nachkriegskind in einem kleinen Dorf Nordhessens bekamen diese Ereignisse des Krieges und der unmittel-baren Nachkriegszeit eine große Aufladung. In den Erzählungen der Erwachsenen tauchten viele Geschichten über Hunger, Kälte, Angst, Krieg und Furcht, über die Listigkeit und Schlauheit der Bauern beim Umgehen der Anordnungen der Besatzungsmacht, Verhaftungen und Internierungen des Bürgermeisters und Ortsbauernführer auf. Hierein gehören auch die Geschichten der umherziehenden Polen, die nach Kriegsende in den Wäldern lagen und die Gegend unsicher machten. Für uns Kinder waren das 'Räubergeschichten', über deren Ursachen und Zusammenhänge wir nichts wußten. Ich war als Kind im nachhinein empört, daß auch mein Vater, ... seines Fahr-rads und der Uhr beraubt wurde. Diese Zeit der 'Stunde Null' wurden im Dorf meiner Kindheit fast zu einem Mythos verwoben, einem Mythos von Not, Nachbarschaft, Nähe und gegenseitiger Hilfe, von Neuanfang und Zukunfts-optimismus." (Ernst Wiederhold)
Am Mythos der Stunde Null wurde kräftig gewoben. Es war die Zeit der Fragen, wann soll man die weißen Laken aus dem Fenster hängen?, wohin mit den eilig abgehängten Hitlerbildern und Parteiabzeichen? (Zu wenige haben sie verschluckt und sind daran erstickt, wie Oskars Vater in der Blechtrommel.) Zeit der Unsicherheit, was kommen wird und der Angst, was diejenigen tun werden, die tatsächlich vom Nationalsozialismus befreit worden waren.

Plünderungen und die Angst vor den befreiten Fremdarbeitern - die Umkehrung der Machtverhältnisse bei Kriegs-ende - machen 4/5 der U. Herbert vorliegenden Berichte zum Thema Fremdarbeiter aus. Auch in anderen Auf-zeichnungen von Erinnerungen sind die Plünderungen und Überfälle meist der einzige Hinweis, daß es Zwangs-arbeiter gab. Bundeskanzler Kohl erinnert sich an seine Jugend im Dritten Reich und dessen Zusammenbruch: "Zu allem Unglück sind wir am nächsten Morgen auch noch einer Gruppe polnischer Arbeiter in die Hände gefallen, die uns verprügelt haben." (FAZ vom 17. März 1995)
In den Erinnerungen werden die Einzelheiten detailliert beschrieben: Das geklaute Fahrrad, die Uhr oder die wilden Schlachtungen des Viehs auf der Weide.
"...' Am Tage sah man täglich auf den Straßen Fremdarbeiter mit Schubkarren voller undefinierbarer Gegenstände. Auch als Straßenpassant mußte man vorsichtig sein und nichts Wertvolles sichtbar bei sich tragen. Ich hatte zu dieser Zeit meine Armbanduhr unterm Kleid am Wäscheträger befestigt. Einmal sah ich zu, wie ein Fremdarbeiter einem Fahrradfahrer mit einem Knüppel auf die Hände schlug, ihn vom Fahrrad zerrte und damit verschwand. Die Plünderungen dienten manchem sicher der Selbsterhaltung, doch oft sah es auch nach purer Machterhaltung aus. Wenn man bedenkt, was diesen Menschen alles angetan worden ist, kann man das ja verstehen. Nur traf es manchmal die Verkehrten.'" (Ulrich Herbert, 1983)

Die "Verständnisvollen" kamen offen-sichtlich nicht auf die Idee sich mit den ZwangsarbeiterInnen zusammenzutun und die "Richtigen", die Peiniger und Hundertprozentigen zu richten, sich gemeinsam zu rächen. Sie blieben "deutsch", in seinem völkischen Sinn - nach '45 liefen sie dann unter anderem Namen: "Sehr geehrter Herrn Mitläufer", schrieb Walter Maria Guggenheimer, "... Sie selbst hätten die Lage außerordentlich vereinfachen können, wenn Sie die Amerikaner, statt mit völlig unnötigen Blumen, mit einer möglichst kompletten und be-deutungsvoll im Wind baumelnden Kollektion Ihrer jeweiligen Orts-Ober-nazis empfangen hätten. Aber Sie waren ja, zarte Seele, ausgerechnet in der dafür zur Verfügung stehenden halben Stunde des sinnlosen Mordens müde geworden."
Die alte deutsche Ordnung war zu-sammengebrochen - als die Auslän-derInnen noch übersichtlich ihre 'P'- und 'Ost'-Zeichen trugen, alle Russen Iwan hießen, die Russinnen Olga und jeder Franzosen Jean - und die fremde Macht der Alliierten war noch nicht installiert - ZwangsarbeiterInnen wurden Displaced Persons, DP's.

In dieser Zwischen-Zeit ließen sich Deutsche - damit es nicht die "Verkehrten" traf - Entlastungsschreiben, Danksagungen von ZwangsarbeiterInnen ausstellen, die sie gut "behandelt" hatten. "... Diese Zettel waren als Anschläge an die Haustüren der Gastgeber gedacht um die Familien vor Über-griffen und Diebstählen der umherstreifenden Zwangsarbeiter zu schützen. Sie sind die einzigen persönlichen Zeugnisse, die von den russischen Zwangsarbeitern übriggeblieben sind." (Ernst Wiederhold)
Für einen kurzen Augenblick schrumpfte der Herrenmensch auf die individuelle Erbärmlichkeit.

Aus dem Dunkel der Nazizeit treten hell und scharf die "plündernden Polen und Ostarbeiter" ins Gedächtnis der Deutschen. Sie "waren auch die Erfüllung all jener rassistischen Ängste, die ihnen gegenüber seit Beginn des 'Ausländereinsatzes' gehegt worden waren - endlich schien das einzutreten, was man immer vermutet hatte: 'Der Russe' als plündernder und mordender Bandit. Damit konnte man dann die Plünderungen, Kriminalität den Aus-länderInnen zuschreiben und das schlechte Gewissen über die Behandlung der Ausländer kompensieren, man war sozusagen wieder quitt, die begangenen Untaten glichen sich wieder aus". (Ulrich Herbert: Herrenmensch..., 1986)
Das Nazierbe ist mächtig und man hat wieder Od(b)erwasser: Der Deichbruch hat es an die Oberfläche gespült. Ostdeutsche, denen das Wasser an einigen Stellen bis zum Hals stand, pflegen ihren Polenhaß; Helfer be-richteten, daß zahlreiche Eigenheimbesitzer auf den Dächern ihrer abgesoffenen Häuser Wache hielten, "'damit die Polen keine Chance haben, uns wieder auszuplündern'". (FR vom 2. 9. 1997). Ausgeplündert, ermordet oder verschleppt wurden die Polen von den Deutschen.

Ausländischer Widerstand und deutsche Linke

Zwangsarbeiter sind im kollektiven Gedächtnis der Deutschen und in der Widerstandsforschung eine Lücke - darin unterscheidet sich auch die Linke nicht. Auf der Suche nach historischer Identifikation boten sich die NS-Gegner und die "roten Großväter" an. Dagegen wäre nichts einzuwenden, würde diese Suche nicht dem nationalen Wunsch nach dem 'anderen Deutschland' entsprechen. "Widerstand und Verfolgung in ...", diese Titel füllen seit den 70er Jahren die Regale. Doch aus der Kategorie des "anderen Deutschland", mit der Intention positiver Iden-titätsbildung, fällt nicht nur die Täterperspektive heraus, auch die von den Nationalsozialisten und deutscher Bevöl-kerung gefürchtesten innenpolitischen Gegner, die Zwangsarbeiter, fallen durch dieses Raster - es ist eben positiv und deutsch.

Tatsächlich und in der Einschätzung der Nationalsozialisten war der Widerstand der AusländerInnen in der zweiten Kriegshälfte die ernsthafteste innenpolitische Bedrohung. Wie keine andere Gruppe, waren Millionen von entrech-teten Zwangsarbeitern dafür prädestiniert, jeden Moment der Schwäche und Krise des Regimes zu nutzen, "gegen ihre Unterdrücker aufzustehen, die Wirtschaft lahmzulegen und in Verbindung mit den alliierten Armeen eine 'innere Front' zu eröffnen." (Ulrich Herbert, 1995)
Und so war die Angst vor einem Aufstand der Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen bei den Behörden, Betrieben und in der Bevölkerung weit verbreitet. Gegen die Gefahr einer "inneren Front" traf man überall Vorkehrungen: Militär und Sicherheitspolizei probten die Aufstandsbekämpfung und in Großbetrieben fanden Manöver des Werk-schutzes mit Flakeinsatz statt.
Die Verschwörer des 20. Juli konnten die allgegenwärtige Mobilmachung nutzen, ohne Verdacht zu erregen. Unter der Tarnung der Aufstandsbekämpfung der Zwangsarbeiter organisierten sie die Machtübernahme nach einem erfolgreichen Attentat auf Hitler, planten und probten die Entmachtung von Partei und SS für den Staatsstreich. "Das ging so weit, daß in den einzelnen Wehrkreiskommandos Übungen des Ersatzheeres für den Einsatz bei der Machtübernahme der Verschwörer unter dem Vorwand stattfanden, die Bekämpfung von Ausländerunruhen müsse trainiert werden." (Ulrich Herbert, 1995)

Das Regime mußte den größten Teil seines Unterdrückungsapparates aufwenden, um Millionen Zwangsarbeiter zu kontrollieren und ihre Arbeit für Deutschland und den Krieg sicherzustellen. "Zwei Drittel aller Aktivitäten der Ge-stapobeamten in Deutschland bezogen sich zu dieser Zeit (1943) allein auf 'bummelnde, langsam arbeitende, renitente' Fremdarbeiter". (Ulrich Herbert, 1995)

Doch auch diese Tatsachen verhindern nicht, daß Linke den ausländischen Widerstand in das deutsche Volk ein-gemeinden. So schreibt "eine autonome antiimperialistin": "trotzdem geht der widerstand weiter, ich habe hier noch eine tabelle aus einem mitteilungsblatt für den kreis des 'führers'. danach sind 1944 von januar bis märz 133 926 personen verhaftet worden. - aus dieser geschichte geht hervor, daß es die behauptete volksgemeinschaft nie gegeben hat, daß die kollektivschuldthese eine schutzbehauptung der bürgerlichen linken ist ...". (Swing Nr. 45) Zum Beleg wird eine Festnahmestatistik der Gestapo angehängt, die - wäre die Wahrnehmung nicht so getrübt - beweist, daß von den 133 926 Verhafteten zwei Drittel AusländerInnen waren.
Die Abwehr der "Kollektivschuldthese" - die allein sie aufgestellt hat - ist seit 1945 der pawlowsche Reflex bürgerlicher und linker Deutscher auf "Nestbeschmutzer", die auf die "Tatschuld, Unterlassungsschuld, Redeschuld und Schweigeschuld" (Jean Améry) der überwältigenden Mehrheit der Deutschen deuten.
Ab Mitte 1942 ergibt sich überall das gleiche Bild: 388 000 Verhaftungen in den ersten neun Monaten des Jahres 1943 - davon 260 000 AusländerInnen wegen "Arbeitsvertragsbruch". Und auch Regionalstudien zeigen (hier Zahlen der Darmstädter Gestapo), "... daß diese der Ausländerepression geltenden Festnahmen zwischen August 1942 und September 1943 im Minimum 70%, im Maximum 94% aller Festnahmen betragen! Die Gestapo war also ihrer Tätigkeit nach in der Hauptsache zu einer Überwachungs- und Unterdrückungsagentur der in Deutschland zwangsarbeitenden Ausländer geworden". (Gerd Steffens)

Das Spektrum der Opposition und des Aufbegehrens der AusländerInnen gegen die Zwangsarbeit reichte von Tausch-, Schwarzhandel und Lebensmitteldiebstahl über Fluchten und die verschiedenen Formen der "Arbeits-bummelei" bis zu organisiertem Widerstand. Zu flüchten, langsam zu arbeiten, wegzubleiben oder zu spät kommen, waren die wirksamsten Mittel der Opposition, solange die Schlagkraft der Gestapo so stark und die deutsche Gesellschaft ein unbesiegbarer Block aus Regime, Militär und loyaler Bevölkerung war. Vom Februar bis Dezember 1943 waren 33 000 ZwangsarbeiterInnen im Monatsdurchschnitt als geflüchtet gemeldet. Die Arbeiter aus den westlichen Ländern konnten über die nahen Grenzen flüchten, oder sie kehrten kurzerhand nicht mehr aus dem Vertragsurlaub zurück und tauchten in ihrem Land unter. Für die "Ostarbeiter" war das nicht möglich, sie flüchteten meist innerhalb Deutschlands in andere Lager auf dem Land, dort konnten sie sich besser mit Nah-rungsmitteln versorgen.
"Die deutsche Niederlagen im Osten im Winter 1942/43 waren das Signal für verschiedene Gruppen von sowjetischen Antifaschisten, nunmehr an den Aufbau regelrechter Widerstandsgruppen zu gehen. Die wichtigste von ihnen war die 'Brüderliche Zusammenarbeit der Kriegsgefangenen' - BSW) - die größte und am besten organisierte Widerstandsbewegung von Ausländern, die die Gestapo während des Krieges überhaupt aufgedeckt hat." (Ulrich Herbert, Herrenmensch...,1986)
Diese Untergrundbewegung war von sowjetischen Offizieren gegründet worden und und in kurzer Zeit entstanden Lagerkomitees in ganz Süddeutschland. Ihr Ziel war die Organisierung und Bewaffnung aller Kriegsgefangenen und ausländischen Arbeiter, gewaltsamer Sturz des Regimes, Hilfeleistung für die Rote Armee und die zu er-wartenden westlichen Invasionstruppen und Sabotageakte. "Ihre Praxis ... bestand vor allem aus Fluchthilfe und Ausübung von Druck auf deutsche Lagerleiter und Betriebsführer zur Verbesserung der Lebenssituation der Ge-fangenen und Zivilarbeiter." (Ulrich Herbert, Herrenmensch..., 1986)
Die BSW war zentralistisch organisiert, und nachdem die Sicherheitspolizei ihr im Sommer 1943 auf die Spur ge-kommen war, zerschlug sie die Lagerkomitees in relativ kurzer Zeit. Alle Verhafteten wurden in Konzentrationslager gebracht und dort ermordet. Die BSW war nicht die einzige Widerstandsorganisation. Dezentral agierende Gruppen, die auf überregionale Verbindungen verzichteten und meist nach Nationalitäten organisiert waren, ent-standen ab 1944 in fast allen Städten Deutschlands. Über diese Zusammenschlüsse von überwiegend sowjetischen ZwangsarbeiterInnen ist wenig bekannt - die Berichte der Gestapo nach der Entdeckung solcher Gruppen geben nur ein unvollständiges Bild über den Umfang und die Tätigkeit dieses Widerstands. Von März bis September 1944 berichteten die Behörden von illegalen Organisationen in 38 Städten, mit insgesamt 2 700 Verhafteten. "Die Verbindung zu deutschen Widerstandsgruppen, auf die die Sicherheitsorgane besonders arg-wöhnisch achteten, war zwar von vielen Gruppen beabsichtigt, ist aber nur in wenigen Fällen nachzuweisen". (Ulrich Herbert, 1995) Allen ausländischen Widerstandsgruppen war es scheißegal was aus Deutschland wird, sie wollten es bekämpfen und zerschlagen; eine Programmatik für ein Deutschland nach dem Krieg gab es nicht.

Die letzten Kriegsmonate wurden für viele ZwangsarbeiterInnen zum Inferno.
Mit den alliierten Luftangriffen auf die deutschen Industriezentren wurden die AusländerInnenlager, die meist in Fabriknähe lagen, zerstört; die Betriebe versorgten die ZwangsarbeiterInnen nicht mehr mit Lebensmitteln. Die Folge war, daß in den zerstörten Städten immer mehr obdachlose, hungernde und als 'geflüchtet' geltenden Fremdarbeiter und Kriegsgefangenen herumirrten und versuchten zu überleben. "Es entstanden hier Zusammen-schlüsse, 'Banden', von Ausländern, die sich durch Diebstähle und Plünderungen Lebensmittel zu besorgen ver-suchten und sich nun auch gewaltsam und bewaffnet der Verfolgung durch die Sicherheitspolizei erwehrten - bis hin zu regelrechten Feuergefechten mit der Gestapo, wie sie aus Köln überliefert sind." (Ulrich Herbert, Herren-mensch..., 1986) Allein im November 1944 verhaftete die Gestapo in Köln über 80 Personen im Rahmen der Be-kämpfung ausländischer "Terrorbanden".

Seit den 80er Jahren wird über Jugendopposition im Dritten Reich berichtet und unter den Linken gehören die "Edelweißpiraten" aus Köln zu einer der bekanntesten Gruppen von Jugendlichen, die gegen den NS-Staat kämpften; 13 von ihnen wurden von der Gestapo gefaßt und im Oktober 1944 hingerichtet. "... daß es sich dabei um eine eher marginale Episode im Kontext monatelanger, verlustreicher und erbittert geführter Kämpfe zwischen bewaffneten sowjetischen Zwangsarbeitern und der Kölner Gestapo handelte, die Ende November in den Ruinen von Köln-Ehrenfeld in regelrechten Feuergefechten mit einer Unzahl von Toten kumulierte, ist hingegen kaum zur Kenntnis genommen worden". (Ulrich Herbert, 1995)

Im Zuge dieser "Bandenbekämpfung" von AusländerInnen wurde die Gewalt der Sicherheitspolizei exzessiv. Ab November 1944 konnten Gestapo-Behörden selbständig Hinrichtungen anordnen und sie erschossen viele Aus-länderInnen an Ort und Stelle. Und als dann die Front nahte und sich Gestapobeamte aus dem Staube machten, verübten sie noch in letzter Minute Massenexekutionen - sozusagen vorbeugend.
Die schreckliche Situation der Zwangsarbeiter in den letzten Kriegsmonaten war auch der Grund, warum die von der Bevölkerung und den Behörden befürchteten Racheakte an den ehemaligen Peinigern - leider - selten waren. Sich zu beschaffen, was am meisten fehlte war vorrangig: Nahrung, Kleidung und Unterkunft.

Die Spuren sind getilgt, die Kontinuität bleibt.
Nicht, oder nur beiläufig, wird sich der Millionen ZwangsarbeiterInnen und Kriegsgefangenen erinnert. Die Aus-löschung ihrer Spuren im wahrsten Sinne begann unmittelbar nach Kriegsende. Ausländische Überlebende der deutschen Lager hatten die erste Mahnmale zum Gedenken für die Ermordeten errichtet. Kurze Inschriften, Kreuze oder Gedenksteine, einfache Zeichen des Gedenkens an den Orten ihres Leidens. Die deutsche Bevölkerung und Verwaltung ließen sie verfallen, rissen sie ab, oder ersetzten sie mit Denkmalen für die Vertriebenen aus den ehe-maligen Ostgebieten. (Vgl. Michael Zimmermann)

(aus "Fluchschrift" Nr.3, September 1997)






1)Fritz Saukel wurde vom Nürnberger Gericht zum Tode verurteilt und aufgehängt.

2)Koch wurde 1958 der Prozeß in Polen gemacht - seine Verbrechen in der Ukraine blieben unberücksichtigt. Er wurde zum Tode verurteilt, jedoch wegen seines angegriffenen Gesundheitszustands zu lebenslanger Haft begnadigt. 28 Jahre später, 1986, starb er im Gefängnis.

3)"Eine besondere Bedeutung kam der Sexualität zu. Ostarbeiterinnen galten offenbar häufig geradezu als Freiwild, geschützt nur von ihren Landsleuten und der rassistischen Ideologie der Nazis, die Geschlechtsverkehr mit Ostarbeiterinnen unter Strafe stellte: Dem deutschen Mann drohte das Arbeitserziehungslager, der Ostarbeiterin das KZ. Die Zahl der Verstöße gegen dieses Verbot waren dennoch groß - und auffälligerweise waren es häufig Vorgesetzte und Lagerführer, die wegen intimer Beziehungen zu Ostarbeiterinnen von der Gestapo belangt wurden." (Herbert, 1986)


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