Stand: 6. 6. 2000
Die unmittelbar Betroffenen haben erklärt, daß sie mit den politischen Angriffen gegen sie, soweit wie möglich, offen und offensiv umgehen wollen. Das drückt sich auch aus in der Arbeit der Solidaritätsgruppen z.B.: in einem "Offenen Brief" mit der Aufforderung, diesen zu unterzeichnen, diversen Veranstaltungen, einem Theaterstück "Die Franz Meiser Show", in der Enthüllung des Wanderdenkmals "Die Goldene Hakenkralle" (bisher in Bremen, Dannenberg, Berlin und Braunschweig), einer Ausstellung zu den Angriffen, zum Widerstand und zur Solidarität. Denn "was die Staatsschutzbehörden wissen, vermuten, spekulieren und gegen uns einsetzen, das sollten auf jeden Fall auch die FreundInnen und weitere solidarisch Interessierte wissen, - selbst dann, wenn dadurch eigene Fehler oder Nachlässigkeiten bekannt werden. Damit sie die Möglichkeit haben, sich ein eigenes Bild von der Situation zu machen, selbst politisch Position zu beziehen und sich mit uns auseinanderzusetzen. Nur diese Auseinandersetzung kann Grundlage für Solidarität, für weiteres gemeinsames politisches Handeln und für Selbstkritik und Veränderung sein".
Uns als Solidaritätsgruppe geht es auch darum, zu entlarven und nachvollziehbar zu machen, was hinter diesen Angriffen steckt, und daran auch deutlich zu machen, was wir selbst wollen - über unsere Ziele und Utopien zu reden.<
Menschen für einen gemeinsamen Kampf gewinnen wird uns nicht über bloße Appelle und bloße akademische Analysen gelingen, sondern hauptsächlich, wenn wenn wir Lust und Hoffnung auf ein anderes Leben - herrschaftsfrei und solidarisch weltweit - vermitteln und das - wenn auch nur punktuell und in seiner ganzen Widersprüchlichkeit - selbst und immer wieder neu zu realisieren versuchen. Das wird uns auch nicht gelingen, über Empörung, indem wir uns als Opfer darstellen oder um Mitleid werben z.B indem wir verbreiten, wir werden ungerecht behandelt, wir sind ja eigentlich harmlos und unschuldig!
Wir wollen kein Mitleid, wir wollen Solidarität - d.h. auch Auseinandersetzung und Kritik -, und wir sind nicht harmlos, denn wir stellen diese Gesellschaft, diese herrschenden Verhältnisse grundsätzlich in Frage und wollen sie verändern!
Es war am 6.Juli 1999 - also inzwischen vor fast einem Jahr - als das Bundeskriminalamt (BKA) insgesamt 10 Wohnungen in Berlin, Bremen, Hamburg, im Landkreis Lüchow-Dannenberg und im Landkreis Lüneburg, einen Taxi-Betrieb in Berlin Kreuzberg und ein Umweltinstitut in Bremen durchsuchte.
Der Vorwurf lautet: Verdacht auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (§129a) und/oder gefährlicher Eingriff in den Bahnverkehr (§315).
Nach der Pressemitteilung des Generalbundesanwaltes (vom 6.7.1999) waren 9 StaatsanwältInnen, 100 BKA-BeamtInnen und weitere 200 PolizistInnen der Länder beteiligt.
Die Beschuldigten wurden erkennungsdienstlich behandelt, teilweise wurden noch zusätzlich Speichelproben und Haarproben (aus Haarbürsten) für DNA-Analysen entnommen. (-> 1) In eine Wohnung in Berlin drangen vermummte SEK-BeamtInnen mit Stahlhelm und gezogenem Revolver ein. Ein Mensch wurde von der Arbeit in seine Wohnung "verbracht".
Nach Angaben der Bundesanwaltschaft gingen der Durchsuchungsaktion "intensive Ermittlungen der "Arbeitsgruppe Energie" beim Bundeskriminalamt" voraus. Diese Ermittlungen hätten ergeben, daß die Aktionen auf eine Personengruppe aus dem militanten Widerstand gegen die CASTOR-Transporte und auf eine, die aus dem Widerstand gegen die Olympischen Spiele in Berlin (AOK, Anti-Olympia-Komitee) stammt, zurückzuführen sind.
Begründet wurde der Vorwurf mit den Hakenkrallenaktionen gegen die Deutsche Bahn AG (-> 2), die laut Pressemitteilung des Generalbundesanwaltes
In dem
breit veröffentlichten Kommuniqué heißt es dazu:
"Ziel der Anschläge war es, die Deutsche Bahn AG
unter Druck zu setzen, um die CASTOR-Transporte auf
dem Schienennetz einzustellen.
Aus der Zeitgleichheit der Aktionsserien und gemeinsamer Erklärungen schließt die Generalbundesanwaltschaft auf die Existenz einer Organisation "Autonome Gruppen", deren "Führungskader" sie in den Beschuldigten gefunden zu haben glaubt.
Es gibt elf sog. "Beschuldigte" und neun weitere sog. "Betroffene". Wobei "Betroffene" Personen sind, die mit den "Beschuldigten" in Kontakt stehen und zu den Räumen der "Beschuldigten" Zugang haben sollen.
Teilweise scheinen aber "Betroffene" auch "Beschuldigte" zu sein. Wobei "Betroffene"aber, wie jetzt in einem Fall geschehen, als Zeugen vorgeladen werden können.
Gegen vier "Beschuldigte" wird auch wegen gefährlichen Eingriff in den Bahnverkehr im Rahmen des Widerstandes gegen das AKW Krümmel ermittelt.
Es soll sich hierbei um das "Durchtrennen der Schienenstränge der Bahnstrecke Geesthacht-Bergedorf" handeln. Gemeint ist das Anschlußgleis, das das AKW-Krümmel an das öffentliche Bahnnetz anschließt.
Im Fall der Hakenkrallenanschläge unterstellt die Staatsanwaltschaft, daß durch die reißenden Oberleitungen Gefahr für Leib und Leben von LokomotivführerInnen und Reisenden entstanden war.
Dagegen geht aus den Diskussionen der Anti -AKW-Bewegung ganz klar hervor, daß solche Aktionen so angelegt sind, daß keine Menschen gefährdet werden.
Die Durchsuchungen - zumindest bei den "Beschuldigten" - fanden in allen Räumen statt, zu denen sie nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Zugang haben.
Das betraf auch Keller, Dachböden, Schuppen, Ställe, Autos, Gärten und landwirtschaftliche Flächen.
Die Durchsuchungen begannen zeitgleich etwa um 8 Uhr morgens und dauerten bis zu 13 Stunden. Es wurde zugelassen, eine AnwältIn zu benachrichtigen, dann aber konnten, bis auf eine Ausnahme, keine weiteren Telefongespräche geführt oder empfangen werden.
In Bremen gehört ein Mitarbeiter der Meßstelle für Arbeits- und Umweltschutz (MAUS e.V.) zu den Beschuldigten.
Sein Arbeitsplatz, aber auch die Räume der Meßstelle und das gesamte Haus - d.h. mehrere Wohneinheiten -, in dem sich die Meßstelle befindet, einschließlich einer Kunstgalerie, wurden durchsucht. Geschäfts- und Arbeitsunterlagen wurden in einem Ausmaß beschlagnahmt, daß ein Weiterbetrieb nur notdürftig möglich ist.
Hier wurde
vor Ort eine weitere Beschuldigung erhoben:
Anfangsverdacht des Betruges durch unzweckmäßig
verwendete Fördergelder" (aus der Anlage zum
Durchsuchungsprotokoll des BKA vom 6.7.99).
Da es diesen Vorwurf juristisch gar nicht gibt, wurde er in
"Subventionsbetrug u.a." (Schreiben der
Staatsanwaltschaft Bremen vom 26.7.99) umgeändert.
Daß dieser Vorwurf ausschließlich politisch motiviert ist zeigt sich auch daran, daß die Eröffnung des Ermittlungsverfahrens und die Beschlagnahme der Unterlagen durch die Staatsanwaltschaft Bremen allein auf Anordnung der Staatsanwältin der Generalbundesanwaltschaft erfolgte (-> 3). Wohl auch, um alle Unterlagen in Ruhe sichten zu können.
Das geschah sicher nicht zufällig: Die MAUS gehört seit ihrer Gründung vor 15 Jahren zu den entschiedenen KritikerInnen von Atomtechnologie und deren Verwertung im militärisch-wirtschaftlichen Sektor. Dies hat sich niedergeschlagen in diversen Veröffentlichungen und Durchführungen von Seminaren zu diesem Thema, in der Beteiligung an unzähligen Veransstaltungen, Kundgebungen, Demonsstrationen, in GutachterInnentätigkeit und wissenschaftlicher Beratung. Nicht zuletzt hat die Meßsstelle auch die Kampagne gegen Atomtransporte durch Bremen und Bremerhaven ('97,'98) wissenschaftlich begleitet und politisch unterstützt. Diese Kampagne bekam durch den "CASTOR-Skandal" eine zusätzliche Bestätigung.
Der MAUS sind sämtliche öffentliche Mittel gestrichen worden, sie mußte daraufhin alle Beschäftigten entlassen und kann auch nicht mehr die Bearbeitung spezieller Aufgaben durch Werkverträge absichern. Sie versucht zur Zeit ihr Überleben notdürftig durch Spenden und verstärktem ehrenamtlichen Einsatz zu gewährleisten.
Sie konnte inzwischen Kopien von einigen Geschäftsunterlagen machen, hat ihre PC-Anlage zurückerhalten und konnte bei der Bremer Staatsanwaltschaft Akteneinsicht nehmen. Eine irgendwie juristisch anfechtbare Aussage (zB: Ergebnisse der Ermittlungen oder eine Anklage) von Seiten der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts hat die MAUS auch nach fast einem Jahr nicht erhalten.
Das Projekt "Opferperspektive" aus Brandenburg (kümmert sich um Opfer rechter Gewalt) mußte anfänglich seine Arbeit einstellen, da die weitere Förderung durch das Land Brandenburg gestoppt wurde. Schon vor den Durchsuchungen am 6.7. wurde den MitarbeiterInnen im Mai `99 aus dem Justizministerium eröffnet, daß die Namen von zwei ProjektmitarbeiterInnen in Ermittlungsakten der BAW genannt wurden, und zwar im Zusammenhang mit Anschlägen im Bereich "Anti-Olympia" und "Hakenkrallen gegen CASTOR-Transporte".
Es gab eine schriftliche Aussage aus dem Brandenburger Justizministerium, daß eine weitere Finanzierung möglich sei, wenn "ein Mitarbeiter" aufhört.
Inzwischen arbeitet das Projekt sehr eingeschränkt allein auf Spendenbasis weiter.
Die KTG (Kreuzberger Taxigenossenschaft), der bei der Durchsuchung Werkzeuge beschlagnahmt wurden, ist inzwischen wieder arbeitsfähig und repariert auch ihre Autos wieder - mit Ersatzwerkzeugen.
Bei den Durchsuchungen wurden beschlagnahmt (wobei bei den verschiedenen Durchsuchungen sehr unterschiedlich vorgegangen wurde): PCs und Datenträger (Disketten, CDs), Videofilme, Fotos, Kalender, Adress-, Notiz- und Tagebücher, Material, an dem gerade gearbeitet wurde (unter anderem Artikel und weitere Texte, unabhängig vom konkreten Tatvorwurf), Krankenunterlagen und Therapieunterlagen über die eigene Behandlung, PatientInnenunterlagen, Strategiediskussionen zu Uran-, CASTOR-Transporten und AKW-Widerstand, Unterlagen zu Bankkonten, Quittungen, Verträge usw., Schraubstöcke, Rohrzangen, Bolzenschneider, Schraubschlüssel, Eisenbahnschienen, Funkscanner, Signalwesten, Landkarten, Schreibmaschinen, Typenrad, Handschriften- und Schreibmaschinenproben, Haarbürsten und Hanfpflanzen. Außerdem wurden Zigarrettenkippen beschlagnahmt, da laut eines Durchsuchungsbeschlusses eine Zigarette (Marke Juwel) auf einer Betonschwelle im Gleisbett ausgedrückt worden sei. Sie soll 13,20 m von der Stelle gelegen haben, an der eine Hakenkralle bei Potsdam eingehängt worden sein soll.
Erfahrungsgemäß kann es als Folge der Auswertung von beschlagnahmten Material zu weiteren Durchsuchungen kommen. Darauf sollten wir immer vorbereitet sein! Das ist inzwischen auch geschehen. Dazu später.
Die Pressesprecherin der BAW Eva Schübel begründete die Tatsache, daß trotz der schweren Vorwürfe keine Verhaftung durchgeführt wurde mit: "Die Personen sind alles Deutsche, es besteht keine Fluchtgefahr" (TAZ 7.7.99).
Aus Begründungen der Bundesanwaltschaft zu den Ermittlungen und aus Vernehmungen von Zeugen ergibt sich, daß über längere Zeiträume Telefongespräche abgehört, Wohnungen und Treffen observiert wurden. Das ganze Ausmaß ist zur Zeit noch weitgehend unbekannt.
Das BKA hat inzwischen vier Zeugen vorgeladen und drei sind inzwischen auch von der Bundesanwaltschaft verhört worden:
Es sei hier noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, daß Vorladungen zur Polizei oder zum BKA nicht befolgt werden müssen und auch nicht sollten und Vorladungen zur Staatsanwaltschaft nie ohne anwältliche Begleitung nachgekommen werden sollten!
Bekannt wurde auch - und das scheint uns in diesem Ausmaß neu zu sein -, daß das BKA unmittelbar mit Sozialamt, Arbeitsamt, Finanzamt, Verkehrsamt, Katasteramt und Banken zusammenarbeitet.
Die Ermittlungsbefugnisse bei §129a-Verfahren (-> 4) entsprechen denen bei Verfahren gegen "organisierter Kriminalität" (z.B.: Geldwäsche, Mafia). D.h. es gibt keinen Datenschutz, kein Bankgeheimnis - auch nicht für Verwandte, FreundInnen, MitbewohnerInnen u.s.w. Der §129a öffnet der polizeilichen Willkür Tür und Tor!
So wurden z.B. die Vermögenslage, Konten (über mehrjährige zurückliegende Zeiträume), Immobilienbesitz oder Urlaubszeiten überprüft. Es wird vermutet, daß bei Aufenthalt in anderen Ländern das BKA mit den jeweiligen Polizeidiensten zusammengearbeitet hat.<
Das führte in einem Fall dazu, daß die Arbeitslosenhilfe gestrichen wurde und finanzielle Rückforderungen gestellt werden.
Die AnwältInnen (etwa 20 an der Zahl, denn jede(r) "Beschuldigte" oder "Betroffene" kann sich ja nur unabhängig von den anderen vertreten lassen) haben sofort Widerspruch gegen die Durchsuchungen und gegen die Beschlagnahmungen eingelegt, Akteneinsicht gefordert, spezielle beschlagnahmte Gegenstände oder Papiere (oder deren Kopien) zurückgefordert.
Akteneinsicht wurde bisher abgelehnt, um "die laufenden Ermittlungen nicht zu gefährden".
Ablehnungen
der Rückgabe von Beschlagnahmungen oder auch die Anfertigung von
bestimmten Kopien wurden u.a. vom Ermittlungsrichter des
Bundesgerichtshofes (BGH) in unterschiedlichen Schriftsätzen
inhaltlich begründet mit:
"Der Beschuldigte steht im Verdacht, sich als Mitglied an einer
terroristischen Vereinigung zu beteiligen, die bestrebt ist, die
"Castor"-Transporte der Deutschen Bahn durch militante
Aktionen (Hakenkrallenanschläge, Schienensägereien und
andere Aktionsformen des militanten Widerstandes) zu unterbinden und
dadurch auch die Gesellschaft als solche revolutionär zu
erschüttern. Die Mitglieder der Vereinigung stehen untereinander
in regem Kontakt, arbeiten dabei aber äußerst konspirativ.
...
Sie (gemeint sind: die schriftlichen Unterlagen) können Aufschluß geben über die Art und Weise der Begehung der Straftaten sowie deren Vorbereitung, über die Kommunikationswege der Gruppenmitglieder untereinander, die Konzeption der terroristischen Vereinigung und die Einbindung des Beschuldigten in die Führungsstrukturen der "Autonomen Gruppen" ...
Ihr militanter Widerstand wendet sich nicht allein gegen die CASTOR-Transporte, sondern steht in einem viel größeren Zusammenhang, nämlich dem Kampf gegen den Staat. ...
Der Beschuldigte ... steht nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen im Verdacht, sich insbesondere am Versand der Selbstbezichtigungsschreiben zu der Anschlagsserie vom 7. Okt. 1996 beteiligt zu haben. Der Verdacht wird bestärkt durch den während der Durchsuchung am 6. Juli 1999 im Zimmer des Beschuldigten ... in einem Stahlschrank aufgefundenen vollständigen Block von zehn Postwertzeichen zu je 1,00 DM mit dem Motiv "Luise Henriette von Oranien". Briefmarken der gleichen Art fanden sich auf dem bei den Presseagenturen "ADN" und "AP" in Magdeburg eingegangenen Selbstbezichtigungsschreiben, dem "Kommunique autonomer Gruppen". Nach Auskunft der Post AG wurden Briefmarken mit diesem Motiv nur bis Oktober 1997 verkauft.
In einem
Beschlagnahmebeschluß gegen den Einspruch eines Anwalts wird
die Herausgabe einer Haarbürste von einem Richter am BGH wie
folgt abgelehnt:
"Ob
es im Hinblick auf die Beweissicherung sachgerecht erscheint, das
Asservat Nr. 1.4.9.3.1 (=Haarbürste) nach evtl. Entfernung der
Haare herauszugeben, bedarf noch der näheren Prüfung. Im
Interesse einer möglichst weitgehenden Sachaufklärung kann
dem Beschuldigten zugemutet werden, eine Haarbürste bei seinen
Mitbewohnern vorübergehend zu entleihen, bzw. eine neue Bürste
zu erwerben, damit sein individuelles, schutzwürdiges
Interesse an einer geordneten Haartracht befriedet werden kann.
Die Herkunft des Namens "Goldene Hakenkralle", unter dem die BKA-Aktion lief, ergibt sich nach Aktenlage aus einem abgehörten Telefongespräch (§ 100a-Maßnahme). Anläßlich des Geburtstages eines "Beschuldigten" sollen sich zwei weitere "Beschuldigte" über ein mögliches Geschenk unterhalten haben. Der Vorschlag soll eine vergoldete Hakenkralle gewesen sein. Und die Bemerkung eines "Beschuldigten", noch einen ganzen Kasten davon bei sich zu haben, sei Anlaß für die bundesweiten Hausdurchsuchungen gewesen.
Im Übrigen
wurde versucht, die zu dieser Geburtstagsparty eintreffenden Gäste
zu filmen, was unseren Wissens nach zumindest teilweise unterbunden
werden konnte.
Als Beweis führt die BAW Dateien auf
einem in der WG beheimateten PC - der auch beschlagnahmt war -
auf. Aus den Untersuchungen des BKA soll hervorgehen, daß
auf der Festplatte zwei Artikel der "radikal" Nr. 156
"Gedanken zum Krieg gegen Jugoslawien" und "Militant
ins nächste Jahrtausend! Anleitung für einen
Brandsatz als militantes Mittel" abgspeichert und darauf
bearbeitet worden sind. Da die Wohnung observiert wurde und
das Telefon abgehört wurde meint das BKA zu wissen, wer sich
zum fraglichen Zeitpunkt, als an den Artikeln gearbeitet wurde, in
der Wohnung aufhielt. Einer der sieben BewohnerInnen der WG war
die ganze Zeit nicht anwesend. Dieser ist jetzt einer von zwei
Zeugen, die in dem neuen "radikal"-Verfahren als erste
vernommen werden sollen.
Der zweite Zeuge wohnt auch in
Berlin. Er wird im Zusammenhang mit Unterlagen gebracht, die der
"radikal" zugeordnet werden und die das BKA bei der
Durchsuchungswelle im Rahmen der Hakenkrallenermittlungen in einem
anderen Projekt in Berlin gefunden hat.
Ebenfalls aus den
Ermittlungsakten geht hervor, daß eine "Beschuldigte"
einem Personenkreis zugerechnet wird, der für die
finanzielle Koordination der linksextremistischen Szene in Berlin
verantwortlich ist." Diese Aussage sowie die Behauptung,
daß die gleiche Beschuldigte "sowohl an der Herstellung
der bis zum Jahr 1984 offen erstellten RADIKAL als auch in der
Folgezeit an der verdeckt erstellten RADIKAL beteiligt war",
stammen vermutlich von dem im Verfahren gegen die RZ (REVOLUTIONÄRE
ZELLEN) verhafteten Kronzeugen Tarek Mousli.
Bei
der Durchsuchung des Hauses, in dem die MAUS sich befindet, waren in
einem Zimmer 3 Tabakdosen mit angeblich "Cannabiskraut mit
unbekannten Wirkstoffen" (4,65g, 44,15g, 5,03g) gefunden
worden. Als BenutzerInnen dieses Zimmer wurden zwei Personen
festgelegt. Diese erhielten Strafbefehle von 30 Tagessätzen
a DM 30.- und von 30 Tagessätzen a DM 40.- plus der Kosten des
Verfahrens. Nachdem sie Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt
hatten, wurden beide für den 5. Sept. 2000 zu einer
Gerichtsverhandlung vor das Amtgericht Bremen "wegen Vergehens
gegen das Betäubungsmittelgesetz" vorgeladen.
Am 6. 6. 2000 haben wir erfahren, daß das Verfahren wegen
"Subventionsbetrug" gegen die MAUS eingestellt worden ist -
und das ohne weitere Begründung. Vielleicht wird die beantragte
Akteneinsicht näheren Aufschluß über Absicht und
Ablauf des Verfahrens liefern.
Einerseits
steht diese Staatsschutzaktion für uns in ganz konkretem
Zusammenhang mit den Energiekonsensgesprächen zwischen
Regierung und Atomindustrie.
Im Vorfeld der politisch und
praktisch in Vorbereitung befindlichen Atomtransporte oder auch der
Errichtung von Zwischenlagern auf dem Gelände von Atomanlagen,
oder im Zusammenhang mit dem Ausbau - der Vervierfachung ihrer
Kapazität - der Urananreicherungsanlage in Gronau, oder mit der
beabsichtigten Inbetriebnahme der PKA im Wendland, oder mit der
angekündigten Genehmigung von Schacht Konrad, oder mit dem
Bau des Fusionsreaktors in Greifswald, oder mit dem Bau des
Forschungsreaktors (FRM) in Garching, oder mit der Tatsache, daß
unverändert 19 Atomreaktoren am Netz sind, daß täglich
Atomtransporte, wie z.B. mit Uranhexafluorid für die
Brennelementeproduktion durch die BRD rollen, daß Atomstrom
importiert und Atomtechnologie exportiert wird, oder ...
soll
der Widerstand dagegen kriminalisiert, eingeschüchtert, in sog.
"Friedliche" und sog. "Gewalttätige"
gespalten und dadurch geschwächt werden.
Das ist ja
eigentlich nichts Neues, aber es bekommt doch gerade jetzt eine
besondere Bedeutung: Weil sich die Grünen und die SPD von ihrer
Kritik an der Atomtechnologie - und daraus haben sie lange
politisch Kapital geschlagen -mit der Übernahme der
Regierungsmacht immer stärker zu den Garanten der Atomindustrie
entwickeln. Und sie versuchen sich jetzt hinter der Maske eines
Biedermannes - "wir tun ja unser Bestes, wir können
nicht anders, wir brauchen eure Unterstützung" - zu
verstecken und Sachzwänge zur Rechtfertigung ihres Vorgehens
vorzuschieben. Sie versuchen zu suggerieren, daß jedeR die/der
eine kritische Haltung gegen sie einnimmt, sich gegen den
"Ausstieg" stellt.
Andererseits
sind die Aktionen ein Beispiel dafür, daß praktisch sogar
mit einfachen Haushaltsmitteln ein komplexes technisches System
- wichtige Nervenstränge für das Funktionieren dieser
Gesellschaft - lahmgelegt werden kann und bisher niemand
festgenommen werden konnte. Das zeigt, daß Leute in der
Lage und auch bereit sind, sich zu organisieren, daß
entschlossene Opposition, die die Probleme an der Wurzel packt,
auch heute noch möglich ist. Und das könnte ja auch
vielleicht anderen Hoffnung und Mut machen.
Und: Seit
der Auflösung des Ostblocks und auch der RAF und RZ besteht ja
ein ungeheures Potential an verbeamteten GeheimdienstlerInnen und an
Technik und Strukturen. Die müssen ihre Existenzberechtigung
ständig unter Beweis stellen. Das hat auch zu
abenteuerlichen Konstrukten, Verdächtigungen, Verfolgungen
geführt.
und
sicher nicht zuletzt: Der Apparat versucht, scheinbar unbeirrt,
seine Arbeit mit dem Auftrag zu verrichten, jede grundsätzliche
Opposition "kalt zu stellen".
Beispiele
aus der letzten Zeit sind die Ermittlungen und Verfahren gegen die
Zeitschrift "Radikal", gegen die Gruppe "Autonome
Antifa (M) in Göttingen, die Zeitschrift "Interim",
die antifaschistische Aktion Passau, jetzt - aber auch schon
vorher z.B. im Wendland -gegen AKW-GegnerInnen und gegen
angeblich frühere Mitglieder der RZ (REVOLUTIONÄRE ZELLEN).
Aber, auch wenn vielleicht manches in dem Verfahren konstruiert und
lächerlich erscheinen mag, sollten wir diesen Angriff nicht auf
die leichte Schulter nehmen.
Wir haben schon ein sehr ernsthaftes Anliegen und das richtet sich gegen
die bestehenden Herrschaftsverhältnisse, und genau das
wissen auch die, die uns jetzt angreifen.
Denn es geht uns nicht nur darum,
die Atomtechnologie zu stoppen - und zu glauben, danach ist
alles in Ordnung - sondern es geht uns um eine Gesellschaft, in
der u.a. diese menschenverachtende Technologie keinen Platz hat.
Die Atomtechnologie ist nicht ein
Fehler, sondern konsequenter Ausdruck dieser herrschenden
Verhältnisse. Verhältnisse, in denen die Profitinteressen
der Konzerne über die Lebensinteressen der Menschen gestellt
werden, in denen Menschen zunehmend nach ihrer Verwertbarkeit
klassifiziert und selektiert werden.
Solidaritätsgruppe
Goldene Hakenkralle, Juni 2000.
1)
Aus einer Vorladung zur Entnahme einer Speichelprobe - oder im Falle
der Weigerung, zur Entnahme einer Blutprobe: "Am 8.9.1998 ist
in der BRD das DNA-Identitätsfeststellungsgesetz in Kraft
getreten. Durch §1 dieses Gesetzes ist die Strafprozeßordnung
um einen Paragraphen §81g StPO ergänzt worden: Die
Vorschrift erlaubt Abnahme und Speicherung eines sog."genetischen
Fingerabdrucks" bei Personen, die einer Straftat von
erheblicher Bedeutung, insbesondere eines Verbrechens, eines
Verbrechens gegen die sexuelle Selbstbestimmung, einer gefährlichen
Körperverletzung, eines Diebstahls im besonderen schweren
Fall oder der Erpressung verdächtig sind. Voraussetzung dafür
ist, daß wegen der Ausführung der Tat, der
Persönlichkeit des Beschuldigten oder sonstiger Erkenntnisse
Grund zu der Annahme besteht, daß gegen ihn künftig
erneut Straftaten wegen einer der vorgenannten Straftaten zu führen
sind.
Diese Regelung findet gem. §2
des DNA-Identifizierungsgesetzes auch Anwendung auf bereits
verurteilte Personen, solange der Eintrag ihrer Verurteilungen
im Bundeszentralregister noch nicht getilgt ist."
Nach einer Meldung der Hamburger Morgenpost vom 6. Mai 2000
sind alleine in Hamburg davon 22 000 Menschen betroffen.
2)
Unsere bisherigen - sicher sehr unvollständigen - Recherchen
haben ergeben:
Zwischen Sept. 1994 bis Juni
2000 haben wir 118 Anschläge gezählt: davon 19 im Jahr
1994 an 11 verschiedenen Orten, 31 im Jahr 1995 an 21 verschiedenen
Orten, 39 im Jahr 1996 an 27 verschiedenen Orten, 27 im Jahr 1997 an
18 verschiedenen Orten, 3 im Juni 2000 an 3 verschiedenen Orten
als Protest gegen die Weltausstellung in Hannover.
3)
Die Generalbundesanwaltschaft darf in diesem Fall nur wegen §
129a ermitteln. Das hätte aber die Beschlagnahme der
Geschäftsunterlagen der MAUS nicht gerechtfertigt. Deshalb das
Hinzuziehen der Bremer Staatsanwaltschaft erst im Verlauf der
Durchsuchung mit der Konstruktion eines neuen Vorwurfs. Die Bremer
Staatsanwaltschaft gab sich darüber selbst erstaunt, scheint
gar nicht zu wissen, wie mit der Situation umzugehen ist und wartet
jetzt wohl auf neue Anweisungen von der Generalbundesanwaltschaft in
Karlsruhe.
4)
Zum §129a und zu Erfahrungen damit s.: "Aufruhr,
Widerstand gegen Repression und §129a", ID-Archiv,
Amsterdam, 1991.
Aktueller Stand und weitere Beschuldigungen
Wie erklären wir uns diesen immensen Aufwand des Staatsschutzes?
St. Pauli Str. 10-12,
28 203 Bremen,
Tel: 0421 - 700 144,
Fax: 0421 - 75 68 2
Kto.: 48 19 12 206,
BLZ: 200 100 20,
Postbank Hamburg,
Verwendungszweck: Goldene Hakenkralle.
Fußnoten
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