In Duisburgs Norden zogen polizeibekannte Rechte marodierend durch die
Straßen: Rentner ermordet, weitere Personen verletzt
Von Thomas Meiser
Duisburg (taz ruhr) - Vor zwei Wochen erwachte der Frühling im
Walsumer Franz-Lenze-Park. Kirschbäume und Fortsythien stehen seitdem
gut im Saft. Vor einer Woche aber wurde gleich vor der Blütenpracht
im Norden zeitweilig ein Areal gesprerrt. Diese Parzelle haben dann Männer
in weißen Overlass durchkämmt. Auf der Suche nach Spuren. Denn
dieser Flecken Erde ist ein Tatort. Es ist der Platz, auf dem Egon Effertz
qualvoll zu Tode kam. Drei junge Duisburger haben ihrem Zufallsopfer mit
Springerstiefeln die Rippen zertreten, seinen Kehlkopf zertrümmert
und ihn mit einem Seil erwürgt. "Das hätte auch jeden anderen
treffen können", meinte man im Polizeipräsidium etwa 20 Kilometer
weiter südlich, "der arme Mann war einfach zur falschen Zeit am falschen
Platz". Der 58jährige Frührentner wurde zu dem einen Todesopfer
einer Tatenserie, die in der Kriminalgeschichte Duisburgs ohne Beispiel
ist: Vier junge Menschen fanden sich zusammen, um "ohne viel Alkohol etwas
Spaß zu haben". Wie sie in den Verhören sagten. Ihre nur etwas
mehr als eine Stunde währende Blutorgie ist jetzt rekonsturiert. Sie
nimmt vorletzten Mittwoch kurz vor neun Uhr abends ihren Ausgang an einer
Telefonzelle auf der Bahnhofstraße. Eine 44jähriger wird herausgezerrt
und niederschlagen. Anschließend traktieren die drei Mordbuben den
Kopf des Mannes mit einer Bierflasche. "Weil wir mit der Wirkung unserer
Schläge nicht zufrieden waren," erläuterten sie den Ermittlern
unverblümt.
Zweifellos sind die inhaftierten Täter der rechten Szene Duisburg-Walsums
zugehörig. "Die haben bei mirr ihr Bierchen getrunken", bestätigt
der Wirt der einschlägig bekannten Szene-Kneipe "Zum Büschken-Eck"
der taz ruhr, "aber jetzt sibd die für mich Aussätzige". In seinem
Lokal an der Friedrich-Ebert-Straße träfen sich vor allem am
Wochenende gern "so 60 bis 80 Glatzen zum gemütlichen Abend". Die
Mehrheit käme sogar von außerhalb. Was dafür spricht, daß
das Büschken-Eck" ein weit über Duisburg hinaus bekannter Treffpunkt
von Rechtsradikalen sein dürfte.
Rechtsorientierte Besucher des Lokals berichten davon, daß hier
während der Treffen der Glatzengide "das gante Nazi-Merchandisind"
erhältlich sei. Vom Feuerzeug mit der verbotenen Reichskriegsflagge
bis hin zu "richtig harten Propagandaschriften". Auch Funktionäre
sogenannter "unabhängiger Neonazi-Kameradschaften" sollen hier verkehren.
Die Führer versuchten, in der ideologisch und ungefestigten rechtsorientierten
Szene Aktivisten für ihre straff verfassten Organisationen zu finden.
Aus Duisburger Polizeikreisen verlautet inoffziell, "das dieser Laden hoch
im Norden wegen der regelmäßigen Rechtsradikalentreffen unter
ständiger Beobachtung steht". Offiziell räumt der Chef des Duisburger
Staatsschutzes jedoch nur "vereinzelte Personalienfeststellungen" außerhalb
des Lokals ein. Die hätten nach Hinweisen aus der Bevölkerung
vollzogen werden müssen. Und etwaige Straftaten oder Propagandadelikte
innerhalb des "Büschken-Ecks" wären seiner Abteilung bislang
nicht bekannt.
Jugendarbeiter der Duisburger Stadtverwaltung blicken seit längerem
mit Sorge auf den Rechtentreff an der Friedrich-Ebert-Straße. Weil
as sicher gilt, daß die Rekrutierunfsarbeit in dem Lokal Erfolge
zeitigt. "Dabei wäre es schon fatal, wenn sich das diffuse rechte
Weltbild meiner Kunden nur verfestigt", sagt ein Sozialarbeiter, "dann
ist nicht mehr an die ranzukommen". Und ein städtischer Pädogoge,
der im Stadteil mit jungen Menschen umgeht, bemerkt "hier schon seit Jahren
einen Hang zu rechter Haltung bei den Kids". Ersichtlich auch bei den Walsumer
Mordbuben: Abiturient Stefan E. lernte seine Komplizen bei den rechtsorientierten
Glatzenfans des Meidericher Spielvereins kennen. Der Arbeitslose Oliver
P. fiel durch Körperverletzugen auf. Und vom 16 jährigen Gordon
B. ist bekannt, daß er wegen seiner rechten Gesinnung schon unansprechbar
ist.
aus: taz ruhr 25. März 1999