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SCHLUSSWORT

von Monika Haas vor dem 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt
5. November 1998

Nach 30 Monaten Verhandlungsdauer und nach fast sieben Jahren intensivster Ermittlungen gegen mich scheint dieser Prozeß vor seinem Abschluß zu stehen. Ab und zu haben mich schon alptraumartige Vorstellungen beschlichen, ich könnte zur festen Einrichtung der Frankfurter Justiz werden. Die letzten Jahre, seit 1992, waren in einem Ausmaß belastend und zermürbend, wie es sich wohl kaum jemand vorstellen kann. Meine Kinder mußten wichtige Lebensphasen selbständig bewältigen und wir sind unter dem Druck der Anklage zurück in die Sozialhilfe und damit wieder unter die Armutsgrenze dieser Gesellschaft gepreßt worden. Und warum? Weil ich von einflußreichen Personen unterschiedlichster Couleur als Manövriermasse mißbraucht worden bin. Ich werde das im folgenden erläutern.

Der eigentliche Ausgangspunkt dieses Verfahrens ist nicht erst 1992 und auch nicht 1980, sondern der Januar 1976. Alles, was ich seitdem erlebt habe, ist auf das Gerücht zurückzuführen, ich sei in Nairobi vom Mossad umgedreht worden.

(Im Januar 1976 habe ich im Auftrag der Palästinenser einen Brief nach Nairobi überbracht, wurde bei meiner Ankunft auf dem Flughafen verhaftet und bin nach drei Tagen Verhör mit dem Auftrag zurückgeschickt worden, eine Palästinenserin nach Nairobi, und somit in eine Falle zu locken).

Seit dieser Zeit habe ich mich immer wieder mit Vorwürfen konfrontiert gesehen, die nicht stimmen. Seit dieser Zeit werde ich - überwiegend von Männern - mit den abenteuerlichsten Phantasien und Projektionen überzogen, die zeitweise mit einer so beispiellosen Skrupellosigkeit gestreut wurden, daß sie mich mehr als nur einmal in akute Lebensgefahr gebracht haben.

Ich habe keine Waffen nach Mallorca gebracht. Gegen alle denkbaren und undenkbaren Widerstände versuche ich das nun schon seit März 1992 zu beweisen.

Das ist streng genommen nicht meine Aufgabe, denn gemäß unserer Rechtsordnung müßte man(n) mir zweifelsfrei nachweisen, daß ich die Tat, die mir vorgeworfen wird, auch wirklich begangen habe. In unserem Rechtssystem haben Angeklagte das Recht zu lügen und davon wird wohl auch sehr häufig Gebrauch gemacht. Aus diesem Grund werden den Worten von Angeklagten in Strafverfahren relativ wenig Bedeutung beigemessen. Das kann ich gut nachvollziehen und von daher war und bin ich immer darum bemüht, meine Einlassungen akribisch zu belegen.

Ich erwarte von einem Gericht oder der Öffentlichkeit nicht, daß mir geglaubt wird, aber ich erwarte, daß genau hingesehen wird, wie stichhaltig die Beweislage ist, wie diese Verhandlung geführt wurde und was genau in diesem Verfahren nicht zur Sprache kommen durfte. Meine Verteidiger haben in ihren Plädoyers diese Aspekte umfassend dargelegt und dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

In meinem Schlußwort möchte ich mich deshalb mit der Frage beschäftigen, die für mich existentiell ist: Die Frage, warum die Anklagebehörde mit dieser - selbst für politische Verfahren ungewöhnlichen - Verbissenheit an mir festhält; die Frage, für was oder wen ich hier herhalten soll, was verdeckt oder wer geschützt werden muß.

Um die Eigendynamik der Entwicklung transparenter zu machen, muß man sich die Schlagzeilen von 1991 noch einmal in Erinnerung rufen. Was war damals so beunruhigend? Und für wen war das beunruhigend?

Es geht und ging um die RAF-Stasi-Connection. Durch die Aussagen der in der ehemaligen DDR festgenommenen Aussteiger der RAF sowie durch die Berichte früherer Stasi-Offiziere wurde damals bekannt, daß aktive RAF-Mitglieder durch die Stasi militärisch ausgebildet worden waren. Von besonderer Brisanz war damals der Verdacht, das MfS habe sich an der Vorbereitung des Attentats auf den US-General Kroesen beteiligt, das 1981 von der RAF mit einer Panzerfaust verübt wurde. Diese Anschuldigung verursachte damals verständlicher-weise einigen Wirbel. Ein Geheimdienst soll in Anschläge der RAF verwickelt sein, auch eine der zentralen Aussagen von Müller und Kanonenberg in dem Buch ,,Die RAF-Stasi-Connection". Das Wissen der Stasi über den Anschlag der RAF ist nicht gerade von der Hand zu weisen, gibt es doch mehrere Zeugen dafür. Darüber hinaus mußte das MfS ja auch immer damit rechnen, daß ihre aktive Unterstützung der RAF, beispielsweise durch die Festnahme und Aussage eines Mitglieds, ans Licht kommen kann. Für diese Möglichkeit mußte Vorsorge getroffen werden.

Das MfS betrachtete mich als das westliche Pendant ihrer eigenen Praxis. Die Ver-öffentlichung meiner mutmaßlichen Kooperation mit westlichen Geheimdiensten sowie die unterstellte Beteiligung an den Aktionen von RAF und/oder PFLP, waren der Plan X der Stasi für den Fall einer Entdeckung. 1980, die Verhandlungen zwischen Stasi und RAF waren in vollem Gange, kehrte ich in die BRD zurück. Damals entstand der ,,Operativ-Vorgang Wolf".

Im März 1992 benutzten ,,Spiegel" und ,,Spiegel-TV" die Behauptungen des ,,OV-Wolf", um mich einerseits als Beteiligte an der Landshut-Entführung und andererseits als Multi-Agentin fast sämtlicher westlicher Geheimdienste anzuprangern. Systematisch wurde ich als Agentin und als Top-Terroristin aufgebaut. Das ganze hatte den Anschein, als ob Stefan Aust mit mir zu beweisen versuchte, daß bundesdeutsche Behörden von Operationen nicht nur gewußt, sondern sie sogar gedeckt haben, um ihren Informanten nicht enttarnen zu müssen. Gemeint war die Landshut-Entführung.

Stefan Aust ist mit dieser These der Wahrheit so gefährlich nahe gekommen, daß sie regelrecht eine Lawine in Gang gesetzt hat.

Im `OV-Wolf' gibt es ein Gesprächsprotokoll zwischen Rechtsanwalt Croissant und Stefan Aust vom Oktober 1985. Dort geht es um das zu allen Zeiten heiß diskutierte Thema, wer hat wann und für wen Informationen besorgt. Dabei ging es auch um die Landshut-Entführung. In dem Protokoll heißt es:

,,Aust bemerkte, die BRD-Stellen hätten schon in dem Zeitpunkt, als das Kommando Martyr Halimeh mit der gekaperten Landshut in der Luft gewesen sei, genau gewußt, wie die Entführer hießen."

Stefan Aust hatte offensichtlich Anhaltspunkte für den Verdacht, daß dem Mossad bereits vor der Entführung der Landshut die Information über die bevorstehende Entführung zugespielt wurde.

Diesen Hinweisen auf einen entsprechenden ,,V-Mann", den es ganz offensichtlich gab, habe ich es zu verdanken, daß ich ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückte.

Ich war in der Vergangenheit als Sympathisantin der RAF bekannt geworden und hatte durch meine Ehe eine enge persönliche Verbindung zu einem führenden PFLP Funktionär. Darüber hinaus war ich angeblich vom Mossad ,,umgedreht", ein Gerücht, das bereits 1976 von Klaus Croissant und anderen im Umfeld der RAF (auch in Stammheim und bei Werner Hoppe) in der BRD verbreitet wurde - kein Wunder, daß sich der Verdacht auf mich fokussierte. Auch die Bild-Zeitungs-Meldung vom 18.10.1977, die dem ,,OV-Wolf" als Vorläufer diente, ist darauf zurückzuführen. Ebenso die Tatsache, daß an dem Verdacht meiner Beteiligung so konstant festgehalten wurde.

Daß auch die Stasi über den V-Mann informiert war, kann im ,,OV-Wolf" nachgelesen werden, dort heißt es: ,,Am Abend vor der Entführung erhielt auch die BRD von der Planung einer Flugzeugentführung Kenntnis" - ein Ergebnis der Erkenntnisse der Abteilung III - den Abhörspezialisten des MfS. Die Lauscher der Stasi waren mit Sicherheit sehr nahe am Geschehen. In der ,,Operativ-Information" vom 22. Juli 1980 wurden diese Erkenntnisse dann verknüpft mit den Gerüchten, die es über mich gab.

Auch in der Hauptverhandlung fanden sich Hinweise auf die Existenz eines V-Mannes.

Am 22. Mai 1997 stellte der Vorsitzende Richter Schieferstein zu Beginn der Hauptverhandlung dem BKA-Beamten Glaeske die Frage: ,,Am 13. war die Entführung, am 14.10. sind Sie bereits nach Mallorca geflogen und haben nach vier Namen aus der Passagierliste recherchiert. Woher hatten Sie die Personalangaben im Bericht?" Der Zeuge gab eine Antwort, die in ihrer Substanz unvollständig war, er sagte: ,,Von den Meldezetteln der Hotels und Nachfragen in Reisebüros. Das steht alles im Bericht, an mehr kann ich mich nicht mehr erinnern."

Im weiteren Verlauf der Verhandlung wurde er noch einmal danach gefragt, wie es dazu kam, daß er genau die vier richtigen Namen aus der Passagierliste herausgefiltert hatte. Er gab an, es seien die iranischen und arabischen Namen der entsprechenden Altersgruppe gewesen.

Wieso wußte das BKA bereits am 14. Oktober, daß es vier Entführer waren und daß die vier keine Deutschen waren? Die ungewöhnlich schnelle und präzise Ermittlung der vier Entführer steht im auffälligen Widerspruch zu der Tatsache, daß das BKA keinen einzigen Namen der arabischen Kontaktleute, die ebenfalls vor Ort waren, herausfinden konnte. Selbst Kamal Servati, der sich mit einem iranischen Paß auswies, konnte angeblich nicht ermittelt werden.

Zurück zur Stasi und ihren Verbindungen zu westdeutschen Diensten. Neben der Abteilung III hatte das MfS noch weitere, ausgesprochen effektive Möglichkeiten, an alle vertraulichen ,,Erkenntnisse" der Abteilung Terrorismus des BKA und deren Ermittlungsergebnisse heranzukommen. Dafür sei hier nur ein Beispiel genannt.

Anfang 1998 zeigte der Westdeutsche-Rundfunk in der ARD eine Sendung mit dem Titel ,,Unternehmen Romeo". Gemeint war die sogenannte Romeo-Brigade des MfS, die mit ihrem gezielten Einsatz von Erotik und Sexualität Spionage betrieben hatte. Standardopfer waren einsame und schlecht bezahlte westdeutsche Sekretärinnen, die in einem Koordinatensystem von Fleiß und Anpassung - der typischen Frauensozialisation der 50er und 60er Jahre - groß geworden waren. In der Sendung wurden, stellvertretend für viele, drei Frauen vorgestellt, die dieser Strategie für viele Jahre zum Opfer gefallen sind. Eine dieser Frauen war Sekretärin im Bundeskriminalamt Abteilung Terrorismus. Ihr Romeo - ein westdeutscher Kommunist der für das MfS spionierte - heiratete sie und ließ sie 18 Jahre lang - von 1972 bis 1990 - ,,Päckchen für Drüben" organisieren. Die geheimen Unterlagen packte sie ganz normal in eine Tasche oder eine Plastiktüte, nahm sie abends mit nach Hause und brachte sie am nächsten Morgen wieder zurück in ihre Dienststelle. 18 lange Jahre bis zum Zusammenbruch der DDR! Sie war nur ein Beispiel für die vielen Fäden dieses Netzes. Allein im Bundeskriminalamt Abteilung Terrorismus waren es mindestens vier Personen, die für das MfS arbeiteten.

Angesichts solcher Strukturen läßt sich heute nicht mehr feststellen, wer war die Henne, wer war das Ei. Gesichert ist lediglich eins, alles was BKA oder Verfassungsschutz zu wissen glaubten, wußte auch das MfS, aber nicht alles, was das MfS zu wissen glaubte, wußte auch das BKA oder der Verfassungsschutz.

Ich persönlich hatte die Mutmaßung von Stefan Aust - dem Mossad sei die Aktion im Vorfeld bekannt geworden und damit auch den deutschen Behörden - immer für einen typischen Tick von Geheimdienstexperten gehalten. In den Augen der Stasi standen ohnehin fast alle Menschen in Beziehung zu einem Geheimdienst, wenn nicht bei ihnen, dann waren sie beim Gegner unter Vertrag.

Meine Meinung habe ich revidiert, seit ich weiß, daß Said Ali Slim - 1977 der Ehemann von Souhaila Andrawes - wahrscheinlich bereits seit 1976 für den Mossad gearbeitet hat.

Seine Anwesenheit im Oktober 1977 auf Palma de Mallorca und zwar im Hotel `Bellver' ist mehr als nur denkbar. Mein Mann erzählte mir, daß die Verbindung zwischen Said Ali Slim und Andrawes beargwöhnt wurde und es deshalb große Probleme gab, aber Said Ali Slim sei ,,verrückt nach ihr" gewesen (he was crazy about this girl).

Daß diese Ehe nicht fortgesetzt wurde, nachdem Andrawes 1978 wieder nach Bagdad und später nach Beirut kam, hat möglicherweise seinen Grund darin, daß das wahre Interesse von Slim nicht Andrawes, sondern eher Wadi Haddad galt, der aber im März 1978 verstorben war.

Wenn dem Mossad die bevorstehende Entführung wirklich bekannt war, dann hat er auch die deutschen Behörden darüber in Kenntnis gesetzt. Vermutlich war es der Verfassungsschutz, der die Information im Vorfeld der Entführung im chaotischen Konkurrenz- und Kompetenz-gerangel der damaligen Zeit zu spät weitergegeben hat. Möglicherweise hätte die Entführung der Landshut rechtzeitig verhindert werden können und es war nicht nur das Versteck von Hanns-Martin Schleyer, das, wie man heute weiß, frühzeitig bekannt war.

Mir ist die Bemerkung eines Verfassungsschutzbeamten erzählt worden, ,,die Haas muß verurteilt werden, damit der Aust endlich Ruhe gibt". Das ist natürlich auch ein Grund, warum ein Mensch verurteilt werden soll. Mit meiner Verurteilung sollen all diese beunruhigenden Fragen endlich verstummen.

Wie und wann genau der Verdacht über meine angebliche Beteiligung an der Landshut -Entführung an die westlichen Staatsschützer gelangte, ist nach wie vor ungeklärt. Fest steht nur, daß im Juni 1981 mit diesem Gerücht zum ersten Mal versucht wurde, Druck auf mich auszuüben. Das wiederholte sich danach immer dann, wenn die Fahndungserfolge mal wieder zu lange auf sich warten ließen oder sich sonstige Gründe ergaben, an mein angeblich ,,enormes Wissen" herankommen zu wollen. Mehrmals wurde mir in den Medien eine Beteiligung an Aktionen unterstellt - neben der Landshut-Entführung z.B. auch eine Mit-wirkung an dem Attentat gegen den Vorsitzenden der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen.

Zum Verhängnis wurde mir dabei, daß meine Biographie Anlaß genug für Spekulationen gab und darüber hinaus die realen Konstellationen auf Mallorca mühelos auf mich übertragen werden konnten. Im einzelnen habe ich das in meiner Prozeßerklärung vom 30. März 98 umfassend aufgezeigt. Auch Rechtsanwalt Golzem hat in seinem Plädoyer detailliert vorgetragen, daß die sogenannte ,,Quellenmeldung" keine ,,Quellenmeldung" ist, sondern die Ansammlung der Nachforschungen des BKA auf Mallorca von 1978 bis 1980.

Es ist schon merkwürdig, daß die Reise von Kamal Servati und Cornelia Vermaesen trotz der Nachforschungen bis zum Herbst 1980 unentdeckt geblieben sein soll. Der Verfassungsschutz behauptet, ihm seien die Reisebewegungen der Personen Servati/ Vermaesen, geb. Trubendorffer und dem Kind Nicole schon im November 1977 bekannt geworden. Auch die Flugliste mit den Namen Vermaesen und Servati sei ihnen bereits im November zugegangen, damit hätten sich die Ermittlungen aber erschöpft. Die Frage des Gerichts, ob der Inhalt der Quellenmeldung an das BKA übergeben worden sei, beantwortete der Zeuge Piekarek vom Verfassungsschutz mit den Worten: ,,Das weist die Notiz nicht aus." Einerseits will das BfV 1977 die Ermittlungsergebnisse des Bundeskriminalamtes durch eigene Erkenntnisse gestützt haben, andererseits soll diese wichtige Meldung aber in der Ablage gelandet sein. Wenn es so gewesen wäre, wäre das ein Skandal.

Inzwischen hat die Zeugenaussage von Juan Bauza Barcelos, dem Hotelmanager, der 1977 das Hotel Java leitete, bewiesen, daß das BKA bereits vor 1980 Kenntnis von dem Pärchen Servati/Vermaesen hatte.

Im Februar 1994 wurde ich in einer ,,Einzelgegenüberstellung zum Zwecke der Identifizierung" dem Zeugen Bauza Barcelos vorgestellt. Der Zeuge versicherte, mich noch nie gesehen zu haben und ergänzte, ,,wenn ich sie schon einmal gesehen hätte, würde ich sie heute wiedererkennen." Für diese Aussage gibt es zwei Rechtsanwälte als Zeugen.

Im Protokoll von Bundesanwalt Kouril liest sich diese Aussage jedoch ganz anders, nämlich so: ,,Ich kann mich nicht erinnern, die Beschuldigte früher einmal gesehen zu haben. Ich meine, ich würde sie wiedererkennen, wenn ich sie früher schon mal gesehen hätte."

Solche tendenziösen Fälschungen von Kouril haben auch andere Zeugen hier in der Haupt-verhandlung bestätigt. Sie gaben bei den entsprechenden Vorhalten zu erkennen, daß in der Niederschrift ihrer Vernehmung eher die Interpretation des Bundesanwaltes fixiert wurde.

Doch der Zeuge Bauza Barcelos soll gemäß dem Vernehmungsprotokoll sogar noch ganz andere Dinge im Februar 1994 gesagt haben.

,,Die Polizei erschien bereits am 14. Oktober 1977 bei uns im Hotel Java. (...) Sie fragten auch nach arabischen Gästen. (...) Die gesuchten Namen waren in unserem Register nicht verzeichnet. Und am 14. Oktober 1977 hatten wir auch keine arabischen Gäste. Die Polizei und ich befragten damals aber den Chef der Rezeption, den Chef der Bar und andere Angestellte, ob ihnen etwas aufgefallen wäre. Dabei erfuhr ich, daß 5 oder 6 Tage zuvor ein Mann mit einem arabischen Namen in Begleitung einer europäischen Frau und eines Kleinkindes in unserem Hotel übernachtet hatte."

Über diese Angaben habe ich mich schon vor der Hauptverhandlung sehr gewundert, denn sie standen im Widerspruch zu allen anderen Aussagen.

1992 wurde der Zeuge Bauza Barcelos von einem Fernsehteam von ,,Spiegel-TV" interviewt. In diesem Interview hatte er nicht von einer europäischen Frau mit einem Kind gesprochen. Es ist nur die Rede von einer Frau, die mit einem holländischen Paß gereist sei. Der Zeuge Gerdes vom BKA bestätigte, daß es bei den Nachermittlungen 1980 keinen Hinweis auf mich oder ein Kleinkind gab. Der Zeuge Gollwitzer, der die Nachermittlungen auf Mallorca 1980 durchführte, hat dies in der Hauptverhandlung ebenfalls versichert. Der Zeuge Glaeske, der 1977 im Hotel Java Nachforschungen anstellte, hat weder in seinem damaligen Bericht noch hier in der Hauptverhandlung eine derartige Aussage erwähnt. Und jetzt, 17 Jahre später, ist die Frau auf einmal blond und es soll ein Kleinkind geben.

Rechtsanwalt Golzem stellte am 9. Mai 1996 den Beweisantrag, den Zeugen Bauza Barcelos zu hören. Zwei Jahre später wurde er dann auch tatsächlich geladen. Herr Barcelos schrieb sogar einen Brief an das Gericht, in dem er seine Freude zum Ausdruck brachte, der deutschen Justiz behilflich sein zu können.

Am Tag seiner Zeugenvernehmung warteten wir hier allerdings vergeblich auf ihn. Der Senat bemühte sich in Erfahrung zu bringen, wo denn der Zeuge abgeblieben war. Im ersten Telefonat hieß es noch, er sei abgeflogen. Etwa eine halbe Stunde später überraschte der Vorsitzende Schieferstein mit der Mitteilung, der Zeuge wäre aufgrund der innenpolitischen Situation in Spanien von den spanischen Sicherheitsbehörden am Abflug nach Deutschland gehindert worden. Da es sich bei der Zeugenladung nicht um eine ,,offizielle" Ladung handele, könne es sich auch um eine Falle der ETA handeln, in die der Zeuge gelockt werden solle.

Dieser Vorgang warf für mich jede Menge Fragen auf. Wie hatten die spanischen Sicherheitsbehörden von der Ladung Kenntnis erhalten? Sollte Herrn Bauza Barcelos suggeriert werden, er sei in Gefahr, wenn er hier aussagt? Wer hat die Abreise verhindert und warum? Sollte mal wieder die mündliche Befragung eines Zeugen verhindert werden, wie bei so vielen Zeugen in diesem Prozeß?

Am 23. April 1998 kam dann der Zeuge. Ungefähr nach einer viertel Stunde gab es die erste Überraschung. Er erläuterte anhand der Rechnung, daß es sich bei den Gästen Servati und Vermaesen nur um zwei Erwachsene gehandelt habe.

,,Auf der Rechnung ist oben eine Spalte C (Cuna). In diese Spalte muß eingetragen werden, wenn ein Kind jünger als drei Jahre ist. Die Eintragung darf nicht unterbleiben".

Er betonte die Verpflichtung zur Registrierung eines Kleinkindes unabhängig von der Zahlungspflicht gehabt zu haben, da die Anwesenheit aller Gäste z.B. für den Fall von Katastrophen registriert werden mußte. Daraufhin machte das Gericht eine längere Pause!

Nach dieser Pause überreichte der Senat dem Zeugen die Fotokopie der erwähnten staatsanwaltschaftlichen Vernehmung, um ihn Absatz für Absatz abnicken zu lassen. Herr Bauza Barcelos ist in dem gesamten Komplex der einzige Zeuge, der in jeder Beziehung unabhängig und niemanden verpflichtet ist. Aber auch bei ihm, oder vielleicht gerade bei ihm, sollte nur das, was auf dem Papier steht Gültigkeit haben und die mündliche Befragung verhindert werden.

Meine Verteidigung intervenierte erfolgreich und der Zeuge konnte weiter befragt werden, wie es die Strafprozeßordnung in einem Verfahren vorschreibt. Jetzt erst kam ans Licht, was vorher mit all diesen Manövern verhindert werden sollte.

Frage: Wann haben Sie erstmals von dem Mann und der europäischen Frau mit Kleinkind gehört?

Zeuge: Ich habe erfahren, daß die Polizei nach einer europäischen Frau geforscht hat. Wann genau, weiß ich nicht. Es handelte sich um eine Person mit Kleinkind.

Frage: War das 1977?

Zeuge: Ich glaube nein.

Frage: Das Letztgesagte bezog sich auf das, was die Polizei Sie gefragt hatte. Wann haben Sie erstmals von dem Mann, der Frau und dem Kleinkind gehört?

Zeuge: Davon habe ich erfahren, als die Polizei mich informierte, ziemliche Zeit danach.

Frage: Wurde unabhängig von den Fragen der Polizei und unmittelbar nach dem 13.10.1977 vom Personal Ihnen gegenüber von einer europäischen Frau und Kleinkind berichtet?

Zeuge: Nein.

Frage: Vorhalt aus der Vernehmung der Bundesanwaltschaft.

Ich verstehe das so, daß Ihnen das vom Personal berichtet wurde.

Zeuge: Nein, das stimmt nicht, ganz genau das Gegenteil. Es war schon eine ganze Zeit verstrichen, als nach diesen Details gefragt wurde. Miquel, der Barchef, und Francisco wurden von der Polizei über diese Details befragt. Das war viel später.

Der Zeuge schilderte außerdem, daß die Polizei ihn bei drei bis vier Gelegenheiten im Hotel aufgesucht habe. Er berichtete, daß auch in dem Zimmer von der auf der Rechnung genannten Personen nachgesehen wurde und dabei sei auch ein Heizkörper abmontiert worden. Wurden Fingerabdrücke gesucht?

Angeblich gab es ja aufgrund der Quellenmeldung nur eine Nachermittlung im Jahre 1980. Der BKA-Beamte Gollwitzer hat hier ausgesagt, außer dem Hoteldirektor 1980 keinen weiteren Mitarbeiter des Hotels angetroffen zu haben, da sich das Hotel gerade im Umbau befand. Mit anderen Worten, die Zeugen Miquel und Francisco wurden bereits vor 1980 vernommen, im Zuge der Nachforschungen nach diesem Pärchen.

Es ist auch überhaupt nicht vorstellbar, daß das BKA 1977/78 ca. 80.000 Hotelmeldekarten aus Palma de Mallorca durch die Wiesbadener Computer jagt und u.a. mit PIOS und anderen Fahndungsdaten abgleicht ohne daß die Paßdaten von Cornelia Vermaesen aufgefallen wären. Der Paß war zu diesem Zeitpunkt bereits in PIOS gespeichert, denn er wurde am 08. Januar 1977 als gestohlen gemeldet. Auch der Paß von Servati muß bei diesem Computer-check aufgefallen sein, hatte er doch die gleichen Fälschungsmerkmale wie die Pässe des Kommandos der PFLP.

Mit all diesem Wissen wird heute deutlich, daß das BKA bereist 1977 von der Existenz des Pärchens wußte, sich aber darauf beruft, erst im Herbst 1980 durch die Quelle davon erfahren zu haben. In Wirklichkeit wurde mit den Ermittlungsergebnissen aus den Jahren 1978 bis 1980 eine Quellenmeldung fabriziert, deren Zuverlässigkeit mit der anschließenden Nachermittlung im Dezember 1980 begründet wird.

Um diese zeitlichen Verdrehungen nicht offen legen zu müssen, sind die Nachermittlungen, die Gollwitzer 1980 durchführte, mit einer Sperrerklärung versehen worden. Wie lautete noch die Begründung: ,,Da eine Offenlegung dem Wohl des Bundes erhebliche Nachteile bereiten würde."

Meine Geschichte, wie ich sie auch in meinen beiden Einlassungen im Oktober 1996 und im März 1998 geschildert habe, habe ich nicht erfunden, sie entspricht in jeder Einzelheit den Tatsachen. Es gibt die Zeugen für die einzelnen Erlebnisse, es gibt die Dokumente, Drohbriefe etc., weil ich schon immer ahnte, das glaubt dir kein Mensch, deshalb habe ich alle Dokumente sorgfältig aufbewahrt.

Die notwendige Skepsis, die die meisten Menschen berechtigterweise gegenüber Verschwörungstheorien hegen, erweisen sich in der Realität oft als Schutz derer, die relativ ungehemmt jedes Mittel nutzen, wenn es sich wie hier um die `Bekämpfung des Terrorismus' dreht. Es sind keine dunklen Mächte der Finsternis, die da am Werk sind, es ist der ganz banale, bürokratische Apparat, der einerseits versucht seinen gesellschaftlichen Auftrag zu erfüllen und andererseits zwangsläufig immer wieder in einem erheblichen Maße seine eigene Rolle und die entsprechenden finanziellen Mittel, die ihm zugebilligt werden, legitimieren muß. Heute mehr, als das früher der Fall war.

Ich finde es sehr gefährlich, zu unterschätzen, wie oft dabei die bestehenden gesetzlichen Schranken unterlaufen bzw. überschritten werden. Wenn sich dann auch noch - wie in meinem Fall geschehen - für Staatsschutzbehörden die Notwendigkeit ergibt, Vorgänge zu vertuschen oder wahre Informanten zu schützen, gilt eben nur noch das ,,Wohl des Bundes".

Einen Staatsanwalt, der Beweise produziert, darf es in einem demokratischen Rechtssystem nicht geben. Er hat auch keinen gesellschaftlichen Auftrag für eine solche Vorgehensweise.

Die Waffen für die Entführung der Landshut wurden nicht von mir nach Palma de Mallorca gebracht und deshalb werde ich eine Verurteilung auch auf keinen Fall hinnehmen.

Monika Haas