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Stellungnahme aus Hamburg

Umgang der M mit einem Vergewaltiger in ihrer Gruppe

     Intro 

Die Soligruppe Hamburg versteht sich nicht als politische Gruppe, die gemeinsam 
 politische Perspektiven und Praxis entwickelt. Wir sind ein Bündnis von Menschen aus verschiedenen     politischen Gruppen und Zusammenhängen, gegen den Repressionsangriff vom 13.6.95. Daher ist es nicht unser Ziel, zu den angegriffenen Gruppen und Politikansätzen jeweils gemeinsame Positionen zu entwickeln. 

Aus dieser Haltung heraus ist es uns trotzdem wichtig, notwendige politische     Minimalpositionen nicht preiszugeben.  Das Zurückschlagen einerseits antifeministischer Initiativen und andererseits staatlicher  Repression ist für viele von uns ein wichtiger Bestandteil der Arbeit. Diese Position, die Grundlage dieses Papiers ist, haben wir als Plenum jedoch nur an- und nicht ausdiskutiert. Deshalb spiegelt diese Papier auch nicht die Position der gesamten Soligruppe wider. 

     Soligruppe Hamburg, April 1996 

Zum Umgang der Antifa(M) mit einem Vergewaltiger in ihrer Gruppe und den Konsequenzen daraus für eine Solidaritätsarbeit zu dem anstehenden Antifa(M)-Prozeß. Wir haben massive Kritik an dem Vorgehen der Antifa(M) im Zusammenhang mit der  Vergewaltigung durch einen Mann aus ihrer Gruppe. Eine Zusammenarbeit mit der Antifa(M),  ohne dazu Position zu beziehen, kann leicht als Unterstützung ihrer Umgehensweise wirken.  Politischer Raum für feministische Positionen und Perspektiven würden dann nicht nur durch die Antifa(M), sondern auch durch die mit ihr zusammenarbeitenden Gruppen, eingeschränkt. Zentraler Bestandteil der politischen Arbeit von Feministinnen im Kampf gegen Sexismus sind in     Jahren erkämpfte Forderungen zum Umgang mit Vergewaltigern und mit   Vergewaltigungsvorwürfen: 
 

  • Die Definition und Einordnung des Übergriffs liegt bei der betroffenen Frau und denjenigen, mit denen sie über das Geschehene redet; 
  • Die Glaubwürdigkeit der Frau wird nicht durch Darstellungs- und 
     Rechtfertigungszwang in Frage gestellt; 
  •   Vergewaltiger werden aus linken Gruppen und Zusammenhängen 
      ausgeschlossen. 


In den Erklärungen der Antifa(M) zu dem Vergewaltigungsvorwurf wird deutlich, daß sie sich nicht an diese Forderungen halten, sondern ein gruppenintern entwickeltes Verfahren anwenden will. Dieses soll letztlich den Frauen der Antifa(M) die Macht geben, an den jeweils betroffenen Frauen vorbei, Vorwürfe zu beurteilen, einzuordnen und die ihnen genehmen Konsequenzen daraus zu ziehen. Daß sie sich in diesem konkreten Fall dabei nur auf die Sicht des Täters gestützt haben, die Weigerung der Frau, die genauere Darstellung der Vergewaltigung zu liefern, hierfür auch noch schuldzuweisend als Begründung anführen, ist an anderen Stellen schon ausführlich
kritisiert worden. Die Selbstkritik der Antifa(M) in ihrem zweiten Papier, sie würden nunmehr einsehen, daß eine Beurteilung nicht aufgrund der Täterdarstellung erfolgen könne, und das  gleichzeitige Einfordern von Informationen von der betroffenen Frau, als notwendige Grundlage für die "noch anstehende, eigene endgültige Beurteilung", unterstreicht nur noch einmal, daß die Antifa(M) entweder nichts verstanden hat, oder sich bewußt über, aus gutem Grund erkämpfte, feministische Positionen hinwegsetzt. 

Auch wenn es durchaus positiv ist, daß die Antifa(M), als eine Ausnahme innerhalb der gemischten Gruppen, die grundsätzliche Auseinandersetzung und einen strukturellen Umgang zum Sexismus entwickelt haben will, zeigt ihr Umgang, daß es damit nicht so weit her ist. Das von der  Antifa(M) beschriebene Verfahren dient in dieser Form faktisch nur dazu, nach außen hin den Forderungen Rechnung zu tragen, um letztendlich intern bestimmen zu können, wie mit dem  Vergewaltigungsvorwurf weiter umgegangen werden soll. Es geht also um die formale Korrektheit  bei gleichzeitigem Unterlaufen der Forderung von Frauen. 

Ein solcher Umgang darf sich auf keinen Fall durchsetzen und von anderen Gruppen als "Lösung"  übernommen werden! 

 Wir sehen Erklärungsbedarf, warum wir uns trotzdem solidarisch gegen die Kriminalisierung der  Antifa(M) verhalten werden und dabei auch eine Zusammenarbeit mit der Antifa(M) -soweit sie im Rahmen effektiver Solidaritätsarbeit notwendig ist- nicht ausschließen. Vor allem, weil eine  Zusammenarbeit mit der Antifa(M) ohne Stellungnahme zu der Vergewaltigungsdiskussion faktisch als Tolerierung der Position der Antifa(M) wirken und der berechtigten Kritik von feministischen Gruppen in den Rücken fallen würde. 

Das Verfahren gegen die Antifa(M) ist ein Staatsschutzangriff großen Ausmaßes auf eine seit Jahren bestehende antifaschistische Struktur. Dies drückt sich am deutlichsten in der Anwendung  des Vereinigungsparagraphen §129 StGB aus. Das Ausmaß des Staatsschutzangriffs wird auch daran deutlich, daß 17 Menschen angeklagt sind, massive Abhöraktionen von Telefonen, Gesprächen auf der Straße usw. stattfanden und nicht zuletzt erhebliche Prozeßkosten auf die Betroffenen zukommen. 

Darüber hinaus ist selbstverständlich nicht nur die Antifa(M) gemeint (es sind ja auch längst nicht nur Menschen aus der Antifa(M) betroffen). 

Kriminalisiert wird hier autonome Antifa Arbeit, die organisiert und vom Standpunkt     antikapitalistischer Positionen aus gemacht wird. Auch angesichts der Differenzen/Kritik in Bezug auf die Vergewaltigung muß dieser Angriff gegen antifaschistische Arbeit und Organisierung gemeinsam bekämpft werden. 

 Wir haben in unserer Broschüre zu dem Staatsschutzangriff vom 13.6.95 (gegen K.O.M.I.T.E.E., AIZ und radikal) dargestellt, wie wir die gesellschaftlichen und politischen Bedingungen sehen, in denen derzeit Repressionsangriffe gegen radikale-linke Organisierungen und Politik laufen. Ziel der  Repression ist, die innenpolitische Grabesruhe um die imperialistischen Großmachtbestrebungen     der BRD nicht zu stören. Das Kräfteverhältnis endgültig zu ihren Gunsten entscheiden zu können, scheint den Herrschenden in greifbare Nähe gerückt. 

 Bei der Solidarität mit kriminalisierten, den Inhalten für die sie angegriffen werden und den Gruppen, die für diese Inhalte stehen, geht es immer auch um die Verteidigung von politischem Raum. 

Es wäre fatal, wegen Kritik und Unterschiedlichkeit -in diesem Fall mit der Antifa(M)- dem Staatdiesen Raum zu überlassen. 

Wir finden es politisch notwendig, als Soligruppe zum 13.6.95, die wir ebenfalls zu laufenden §§129/129a-Verfahren arbeiten, das Antifa(M) Verfahren in unsere Solidaritätsarbeit mit einzubeziehen. Eine politische Soliarbeit sollte -soweit irgend möglich- in Abstimmung mit den  Betroffenen entwickelt werden. Die daraus resultierende punktuelle Zusammenarbeit mit der Antifa(M) begreifen wir in diesem Zusammenhang als notwendig. 

 In Bezug auf die Antifa(M) heißt das für uns nicht, daß die Kritik an dem Umgang mit der Vergewaltigung zum Nebenwiderspruch gemacht wird. Die Auseinandersetzung muß aber in  anderen Räumen stattfinden, als dort, wo der Staat seine Angriffe gegen Antifas gerade verfolgt. 

nsbesondere Antifa-Gruppen fordern wir auf, sich mit der Antifa(M) innerhalb der     Antifa-Strukturen über ihr falsches und politisch schädliches Vorgehen zu streiten. 

     Ein Teil der Soligruppe Hamburg 
     April 1996