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Ein internes Papier der AAB
zur Vergewaltigerdebatte

Da von der AAB seit der "Neuen Sachlichkeit" keine öffentlichen Reaktionen auf die vielfach geäußerte Kritik und die damit verbundenen Forderungen zu vernehmen waren , haben wir uns dazu entschlossen ein internes Diskussionspapier der AAB zu veröffentlichen. Das Papier stammt aus dem April 2000 und versteht sich wie aus der Überschrift schon ersichtlich als "Verteidigung" der Positionen der AAB. Wir glauben das vieles was in der "Neuen Sachlichkeit" unverständlich war in diesem Papier sehr viel klarer (wenn auch nicht weniger arrogant und sexistisch ) rüber kommt. Wir hoffen damit einigen Menschen die Entscheidung über den weiteren Umgang mit der AAB zu erleichtern und den Umgang der AAB mit Kritik an ihren Positionen und ihrem Verhalten transparenter zu machen.

Harry und Milena Potter

Selbstkritik ist die beste Verteidigung

Ein Jahr nach der Veröffentlichung eines Vergewaltigungsvorwurfes gegen ein angebliches Mitglied steht die AAB in der Pflicht, sich denen gegenüber zu erklären, die von ihr zu recht einen Iransparenten und souveräneren Umgang mit dem Thema Sexismus und Patriarchat im allgemeinen und dem Vorwurf im besonderen erwartet hatten. Die AAB hat die Erwartungen teilweise enttäuscht: einerseits hat sie berechtigtes Unverständnis provoziert, andererseits ist sie aber auch auf unberechtigtes Unverständnis gestoßen.

Allerdings ist niemandem mit dem bloßen Einräumen von Fehlem - seien sie formaler oder inhaltlicher Natur - oder mit einfachen Entschuldigungen geholfen- Vielmehr weiden die Diskussion und der Umgang - oder auch das ausbleiben derselben - nur sinnvoll aufgearbeitet, wenn nicht nur gezeigt wird, daß es Fehler und Mißverständnisse gegeben hat, sondern auch, warum.

Der eigentliche Fall...

Nach Bekanntwerden des Vorwurfs hat die AAB über den Vorfall diskutiert und entsprechend des allgemeinen Umgangs, den die Gruppe für solche Vorwürfe vorsieht, in zwei nach Frauen und Männern getrennten Vollversammlungen eine Entscheidung gesucht, wobei allein die Entscheidung der Frauen die ausschlaggebende gewesen wäre. So gab es bereits kurze Zeit nach Bekanntwerden des Vorwurfs zwei öffentliche Stellungnahmen der AAB zur aktuellen Situation, die in der AA/BO und im AStA der FU verbreitet und u.a. in der Interim veröffentlicht wurden- Allerdings war zum Zeitpunkt der Stellungnahme der beschuldigte Mann definitiv nicht in der Gruppe (was keine Aussage über seine vorherige Mitgliedschaft beinhaltet), und es gab auch keine Stellungnahme zu einem Rauswurf durch die Gruppe, aus dem ja eine vorherige Mitgliedschaft logisch hervorgegangen wäre. Dies ist wichtig, weil der Täter bekanntlich nicht nur mit vollem Namen öffentlich gemacht wurde, sondern entgegen allen üblichen Konventionen auch als Mitglied einer Gruppe geoutet wurde, die bekanntermaßen mit einiger Repression zu kämpfen hat. Keine öffentliche Stellungnahme über Mitgliedschaft oder Nicht-Mitgliedschaft der Person abzugeben und sich trotzdem zu den eigentlichen Vorwürfen öffentlich zu verhalten, wurde daher zu einer fast unlösbaren Aufgabe- (Und tatsächlich hatte dieses doppelte "Outing" Folgen. Die Polizei ermittelte nicht nur gegen den Mann wegen Vergewaltigung, sie tat dies auch in Verbindung mit seiner angeblichen Mitgliedschaft in der AAB. So kam es, daß angebliche AAB-Mitglieder vorgeladen wurden, um im Rahmen der polizeilicher Ermittlung wegen Vergewaltigung auszusagen...)

Doch die Situation hatte sich geklärt, bevor die Gruppe überhaupt erst ernsthaft gefordert wurde, und so löste sich das Dilemma, bevor es eigentlich entstand. Daß sich die Situation jedoch zumindest in Hinsicht auf den Mitgliedsstatus als eindeutig geklärt darstellte und daher keine positive Stellungnahme zur Mitgliedschaft erforderte, wurde der AAB allerdings prompt als Täterschutz ausgelegt, obwohl allein ein allgemein üblicher und selbstverständlicher Umgang zum Selbstschutz vor Repression ausschlaggebend gewesen war.

... und die Diskussion im allgemeinen

In gewisser Hinsicht war das eigentliche Problem also nicht die mangelnde Auseinandersetzung mit dem Fall. sondern der Glaube, mit der betreffenden Person habe sich auch das Thema erledigt. (Ein Glaube, für den gerade die Forderungen eines Teils der sog. Szene die Steilvortage bot. Denn hier kommt es weniger auf eine Aufklärung und eine Verständigung über Konsequenzen an. Der Fall ist vielmehr immer schon geklärt bzw. soll sogar einer Klärung entzogen werden. Damit ist auch über die einzige Konsequenz, die überhaupt verlangt wird - .für immer raus aus allen linken Zusammenhängen" - immer schon vorweg entschieden.)

Für die AAB stellte sich die Sache daher zunächst relativ geklärt und entspannt dar. Auch die von der betroffenen Frau veröffentlichte Darstellung wurde nicht in Frage gestellt. Allerdings stellte sich der Begriff von Vergewaltigung, der der ganzen Diskussion zugrunde liegt, als problematisch dar. In den Diskussionen wurde deutlich, daß der Begriff völlig unbestimmt bleibt und dem geforderten Definitionsrecht geradezu widerspricht. Wenn jede Grenzüberschreitung unterschiedslos als Vergewaltigung bezeichnet wird und alles damit gleichgültig wird, so wird die ganze Dimension sexueller Diskriminierung in einem unbestimmten Wort verschluckt und eine Diskussion über den Begriff der Vergewaltigung überflüssig. Das Ziel. Vergewaltigung nicht nur beispielsweise im Sinne der geltenden Rechtsprechung aufzufassen, sondern auch die nicht erfaßten, vielfältigen Formen sexueller Macht unter den Begriff zu subsumieren. fällt so noch hinter formaljuristische Definitionen zurück. Denn statt tatsächlichverschiedene Formen sexueller Machtausübung zu bestimmen, werder sie weiterhin unbestimmt gelassen und in der Black-Box "Vergewaltigung" hineingesteckt, ja letztlich wird die Frau selbst zur Black-Box: Statt ihr die Möglichkeit an die Hand zu geben, sich über die verschiedenen Formen von Macht und deren Verbindung zu Sexualität klar zu werden und sie öffentlich zu benennen, wird die Frauen als unfähiges und unmündiges Wesen eingestuft, dessen Gefühle keiner Begrifflichkeit bedürfen. Durch diese Verharmlosung von Vergewaltigung geht Ihre Ernsthaftigkeit verloren, denn "Vergewaltigung kann bei den Linken ja alles mögliche heißen ...". Abgesehen von der dreisten Anmaßung, einfach alle möglichen Formen sexueller Machtausübung auf eine Stufe zu stellen und dadurch das Leid vieler Frauen selbstherrlich zu relativieren, wird die Frau hier wie eine reflexionslose Pflanze behandelt. Die Argumentation, die auf die Undefinierbarkeit von Vergewaltigung abzielt, weil diese von jeder Frau anders empfunden werde, bestärkt dabei noch das Vorurteil, nach dem Frauen nicht zu abstrakt-rationalem Denken und Handeln in der Lage seien, dafür aber um so sinnlicher ausgerichtet sind und besonders gefühlsbetont Denken und Handeln. Zudem ist ein bloßer Vergewaltigungsvorwurf (!) bei einem Definitionsrecht der betroffenen Frau" immer schon identisch ist mit einer Tatsachenbehauptung, und darüberhinaus führt die Ineinssetzung von Definitions- und Sanktionsrecht noch zu der absurden Situation, daß auch über Sanktionsmöglichkeiten gar nicht mehr geredet werden kann. Der subjektive Vorwurf definiert nicht, wie die Frau sich eben subjektiv fühlt, sondern setzt zugleich auch die allgemeinverbindliche Wirklichkeit und bestimmt damit auch für alle anderen Frauen bzw. für alle Menschen überhaupt die allgemeine Geltung. So eindimensional und unbestimmt die Vergewaltigungsvorwürfe sein sollen, so auch die Sanktionen. Obwohl es durchaus sexistische Verhaltensweisen bestimmt werden können, die zwar keine Vergewaltigung darstellen, aber gleichwohl Konsequenzen haben sollten, gibt es nach dem eingeschränkten Verständnis nur eine Lösung (die zudem Rückschlüsse auf biologistisch-triebhafte Vorstellungen von Vergewaltigung zuläßt): "Für immer raus!"

Wenn es also gilt, zumindest ungefähre Grenzen zu bestimmen, die Männern zu kennen und zu akzeptieren haben und auf die sich jede Frau berufen kann, so daß niemand sich darauf rausreden kann, Mann wisse ja nie. welche Frau wo welche Grenzen habe, so ist jede Definition notwendig auf allgemeine und verbindliche Geltung angewiesen. Wenn andererseits aber keiner Frau, die sich verletzt fühlt, ihre geistige Integrität abgesprochen werden soll, so kann dieses Dilemma zwischen dem subjektiven Anspruch der einzelnen Frau und dem objektivem Anspruch gegenüber den Frauen insgesamt und dem Thema selbst nur gelöst werden, indem subjektive und objektive Urteile eben getrennt werden. Keiner kann der betroffenen Frau ihr subjektives Empfinden bestreiten (insofern ist es eben subjektiv), zugleich kann der logische Geltungsraum aber nicht mit diesem Empfinden unmittelbar zusammenfallen. Die Frau hat das Recht, sich so verletzt zu fühlen, wie sie sich eben fühlt, und ebenso frei kann sie ihre Konsequenzen ziehen oder ihre Forderungen ableiten. Spätestens ihre Darstellung des Übergriffs, ihre Forderungen etc. müssen sich aber zwangsläufig am objektiven, öffentlichen und allgemeinen Geltungsanspruch von Vergewaltigung brechen. Die subjektive Sicht der Dinge kann sich, sobald sie sich nur irgendwie äußert, nur auf das allgemeine Verständnis anderer, etwa anderer Frauen anderer Gruppen usw. beziehen. Ein Definitionsrecht ohne zu definierendes und ohne Geltungsraum bleibt daher unbestimmt und leer. Die AAB will daher der Frau ihre keineswegs ihre Verletztheit absprechen, gleichzeitig haben aber auch die Frauen der AAB das Recht zu definieren, wie sie den Vorwurf bestimmen und einordnen und welche Konsequenzen sie für sich im Umgang mit dem Typ zumindest innerhalb ihrer Gruppe ziehen.

Der Versuch, das Ungleichgewicht der Geschlechter auszugleichen, indem er der Frau soviel Macht und Recht wie möglich übertragen will, kippt also ins Gegenteil um: Freiheit ohne Notwendigkeit ist Willkür, und die Macht der Willkür nicht zu unterscheiden von ihrer Ohnmacht. Wenn also der Begriff der Vergewaltigung nicht bestimmbar ist, wenn die verschiedenen Formen sexueller Machtausübung nicht definierbar und ihre Konsequenzen entsprechend differenzierbar sind, wenn im Gegenteil gar nicht nachgefragt werden darf, vielmehr das Geschehene tabuisiert und die Frau auf ihre bloßen Gefühle reduziert wird, dann ist dieser Machtzuwachs als Freiheit ohne Notwendigkeit gleichbedeutend mit absoluter Ohnmacht.

Das nicht-verhalten der AAB als überhebliches Verhalten

Die nur relative Schwere des Vergewaltigungsvorwurfs, der unreflektierte "Umgang" in Teilen der Szene mit dem Thema, die Unverschämtheit, der AAB und vor allem den entscheidungsbefugten Frauen der Gruppe das Interesse zu unterstellen, Vergewaltiger zu unterstützen, sowie die Tatsache, daß der Betreffende ohnehin nicht in der Gruppe ist, führten zu einem laxen Umgang der AAB mit dem besonderen Fall wie auch mit dem Thema im Allgemeinen. Dieser leichtfertige Umgang der AAB wurde jedoch weder dem Thema gerecht noch denjenigen, die durchaus an einer Diskussion jenseits bornierter Vorstellungen interessiert waren. Die überhebliche Einstellung gegenüber den Vorwürfen und dem unsinnigen Umgang bestimmter .Zusammenhänge- rührte jedoch weniger aus mangelnder Bereitschaft zur Auseinandersetzung. Das Verhältnis war vielmehr das Umgekehrte- In dem Maß in dem sich die Situation in Bezug auf den Täter klärte und die Ablehnung am Umgang bestimmter .zusammenhänge" theoretisch fundiert wurde/in dem Maß stellte sich diejenige abwehrende und desinteressierte Haltung ein, die zu recht kritisiert wurde. So kam es, daß sich nicht trotz, sondern gerade wegen der scheinbar bereinigten Situation der Druck auf die AAB verstärkte. Doch einerseits wollte die AAB die zum Teil völlig absurden Vorwürfe, wie sie vor allem durch erbärmliche Papiere in der Interim erhoben wurden, nicht auch noch durch eigene Beiträge anerkennen. Andererseits gibt es kaum geeignete und erfolgversprechende Diskussionsforen. Im Nicht-Umgang der AAB spiegelt sich daher auch der allgemeine Zustand der Linken, die weder strukturell-organisatorisch noch inhaltliche Anknüpfungspunkte für eine solche Debatte anbieten kann. (Wobei in der Vergewaltigungsdiskussion zudem noch Standpunkte erhalten geblieben sind, die in jeder Hinsicht als antiquiert gelten müssen und von der neueren feministischen Kritik längst überholt sind. Eine radikale Kritik bzw. Dekonstruktion sexistischer und patriarchaler Praxis findet in ganz anderen Kreisen statt, die jenseits der hier beteiligten "Zusammenhänge" liegen und die völlig zurecht die gespenstischen "Diskussion" voller Biologismen und sexistischer Implikationen ignorieren - soweit sie überhaupt wahrgenommen wird.) Gleichwohl ist auch die AAB solange nicht über diese veralteten Standpunkte hinaus, als sie dies nicht ausweisen kann. Um sich Auseinandersetzungen, wie sie in der Interim stattfinden, wirklich entheben zu können, hätte die Gruppe so früh wie möglich einen souveränen Umgang finden müssen, der zumindest das eigene Vorgehen erklärt und den eigenen Standpunkt deutlich macht. Erst dann darf sich die AAB darüber beschweren, daß sich andere Gruppen nur in Abgrenzung zu ihr identifizieren oder sich zur AAB als einer riesigen Projektionsfläche verhalten, in die alles hineinprojiziert wird, was an Schlechtigkeit der Welt irgendwie verortet werden muß.

Zudem war klar, daß man von einer Gruppe mit der Größe und dem Anspruch der AAB mehr erwarten kann als 2-5; knappe Stellungnahmen. Zurecht wurde daher ein weiteres, ausführlicheres Papier gefordert, welches die AAB ohnehin bereits angekündigt hatte. Denn ein solches Papier drängte sich schon im Eigeninteresse der Gruppe auf: Selbst wenn der Umgang der AAB und ihre Position zu dem Thema richtig sein sollten - niemand kann den Umgang nachvollziehen, wenn er nicht öffentlich begründet und so weit als möglich ausgewiesen wird. Dieses geforderte Papier hat lange auf sich warten lassen, zu lange. Neben den allgemeinen Schwierigkeiten, die jede Diskussion bei diesem Thema bewältigen muß, hat die AAB für die Verzögerung Gründe geltend gemacht, die zwar richtig sind, aber niemanden wirklich befriedigen können:

  • als politisch aktive Gruppe durften über die Auseinandersetzung mit dem Thema die übrigen Aktivitäten der Gruppe nicht völlig vernachlässigt werden
  • als relativ große und daher heterogene Gruppe gestaltet sich die Diskussion organisatorisch und inhaltlich schwierig,
  • erschwert wird dies noch dadurch, daß die Jugendpolitik einen Schwerpunkt AAB ausmacht und der Diskussionsstand daher recht unterschiedlich ist.
Als das Papier dann erschien, war es doch - z.T. notgedrungen - auf die Inner-Berliner-Debatte zugeschnitten, ohne daß dies wirklich deutlich wurde, und es enthielt eine Reihe von richtigen Ergebnissen, die z.T. mißverständlich bleiben müssen, weil ihr Hintergrund nicht deutlich wind. 'So soll beispielsweise die geschlechtsneutrale Schreibweise keineswegs Frauen als Opfer und Männer als Täter neutralisieren, im Gegenteil. Es geht darum, nicht immer schon von der Differenz der Geschlechter auszugehen, sondern deutlich zu machen, daß diese als Produkt der gesellschaftlichen und diskursiven Praxis ständig reproduziert werden müssen, wobei Vergewaltigung eine besonders machtvolle und drastischste Form darstellt

Obwohl das Papier die Spuren der Berliner Auseinandersetzung trägt, versteht es sich gleichwohl nicht als Rechtfertigung, weder für das Verhalten der Gruppe und schon gar nicht für den Täter. Genauer gesagt: Es ist nur insoweit auch eine Rechtfertigung der Gruppe, als sich das Papier als Beitrag zur Diskussion" versteht, der sich als eine Kritik am bisherigen Umgang der Szene mit dem , Thema begreift und genau in diese Richtung ernst genommen worden muß - so gut oder schlecht die AAB sich auch sonst verhalten mag.

Der kritische Kern des Ganzen

Denn egal, wie man das Verhalten der AAB bewertet - die AAB hat sich nicht um den kritischen Kern innerhalb der Auseinandersetzung gedrückt, im Gegenteil Sie hat nicht nur öffentliche Kritik am bisherigen Umgang mit Vergewaltigungsvorwürfen geübt, sondern auch einen eigenen Umgang festgelegt und öffentlich gemacht. Und sie hat zum "Definitionsrecht der Frau", dem Knackpunkt der ganzen Auseinandersetzung, Stellung genommen, sie hat die problematischen und sexistischen Implikationen dieses "Definitionsrechts" und seine unauflösbaren Widersprüche kritisiert und daraus Konsequenzen gezogen.

Diese Ergebnisse - insbesondere die unauflösbaren Widersprüche eines "Definitionsrechts", das der Frau weder zugesteht, überhaupt etwas zu definieren noch der Definition den Geltungsraum eröffnet, den jedes Recht beanspruchen muß - diese Ergebnisse werden von einigen nicht als Kritik am bisherigen Umgang wahrgenommen. Offensichtlich ist es einfacher, das Papier von vornherein als Verteidigung einer "Täterschützer-Position" abzutun denn als Angriff auf den bisherigen Umgang, der keineswegs als geklärt gelten kann, und der im Gegenteil als selber sexistisch zurückgewiesen werden muß.

Im übrigen ist der allgemeine Umgang der AAB - Vergewaltiger fliegen raus, die Entscheidung liegt bei den Frauen der Gruppe, Grundlage für ihre Entscheidung ist die Darstellung der Frau, deren Schutz immer Priorität hat - dieser allgemeine Umgang ist wohl kaum in Richtung Täterschutz zu interpretieren.

Doch wie man es auch dreht und wendet, das Definitionsrecht der Frau läßt sich nicht durchhalten, weil es immanent unlogisch ist. Entweder man nimmt es ernst und versucht es zu verwirklichen. Dann muß das subjektive Urteil der Frau allgemeine Geltung beanspruchen können, d.h. es muß sein bloß subjektives empfinden überwinden, um sich verallgemeinern und überhaupt erst als Recht behaupten zu können. Oder man lehnt es aus genau denselben Gründen ab: ein Definitionsrecht, das unerfüllt und ohnmächtig im Innern der Frau bleibt, weil es sich nicht äußern soll, gar nichts definiert und sowieso keine allgemein anerkannte Geltung voraussetzen kann - ein solches Definitionsrecht ist keines. Das Definitionsrecht nimmt sich daher selber nicht ernst, wenn es nicht öffentlich diskutierbare Definitionen und allgemeine anerkannte Geltungsraume verlangt, die im Begriff des Definitionsrechts immer schon mitgesetzt sind. Was die AAB einfordert: und gegen das alleinige Definitionsrecht der Frau in Stellung bringt, ist in diesem immer schon implizit enthalten: nämlich das Definition etwas zu definierendes voraussetzt und Recht auf allgemeine Geltung und wechselseitige Anerkennung angewiesen ist.

Resümee

Die AAB hat die Sache für sich zu früh abgehakt und eine schlüssige Darstellung nach außen versäumt. Als die Darstellung in Form des Papiers-"Neue Sachlichkeit" dann erschien, war die Aufnahme bereits durch das lange Nicht-Verhalten negativ vorgeprägt. Zudem war das Papier trotz allem knapp gehalten, im Stil z.T. flappsig und zu stark auf die Abwehr bestimmter Forderungen ausgerichtet. Die inhaltlichen Begründungen dieser Abwehr, die allgemeine Bestimmung des Patriarchat und die Bedeutung von Vergewaltigung gerieten dabei in den Hintergrund, z.T. wurden sie gar nicht ausgewiesen.

An einer inhaltlichen Auseinandersetzung zeigte sich bis heute allerdings kaum jemand wirklich interessiert. Obwohl die AAB als öffentlich auftretenden und ansprechbaren Gruppen die Möglichkeit bietet, sich einfach mit ihr zu treffen, um die Vorwürfe und den Umgang direkt zu klären, wurde dieses Angebot nur von zwei Gruppen wahrgenommen, aus Berlin selbst sogar nur von einer. Standessen stapeln sich in einer Zeitschrift wie der Interim Stellungnahmen, Vorwürfe und Behauptungen von irgendwelchen Gruppen, von denen kein Mensch weiß, wer sie sind oder ob es sie überhaupt gibt (so waren etwa die "AAB-Aussteiger" frei erfunden}, und die Mythenbildung (AAB feierte im Schnarub Tumbi Verbrüderung mit dem Vergewaltiger") nimmt groteske und peinliche Formen an. Bei den bisherigen Diskussionen mit anderen Gruppen jedenfalls hat sich herausgestellt, daß die meisten Gruppen entweder gar keinen Umgang mit entsprechenden Vorwürfen angeben können oder aber so ähnlich verfahren würden, wie die AAB.

Interim 513 v.2.11.2000
 

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