Strategien der `Neuen Rechten´im Kampf um kulturelle Hegemonie
"Auch
wenn wir es nicht wahrhaben wollen, in und um Europa tobt ein ideologischer
Kampf. Widersprüchliche Geisteströmungen wollen sich in das Bewußtsein
der Menschen einschleusen. Aber die wirkliche Veränderung, die Revolution,
muß zuerst in den Köpfen der Menschen stattfinden. Wer den bestimmenden
Einfluß auf das Bewußtsein der Menschen hat, der hat die Macht."
So
läßt sich 1994 Jörg Haider, der österreichische FPÖ-Vorsitzende
vernehmen. Kultur ist für ihn ein ideologisches Machtzentrum, das
mit `Härte´ erobert werden muß. In diesem Zitat sind einige
Zielvorstellungen der `Neuen Rechten´ sehr deutlich benannt: Es geht
um das Erlangen kultureller Hegemonie, im und über Bereich der `Kultur´
soll die Machtfrage gestellt werden. in Kriegsmetaphern wird von Kulturkampf,
vom Stellungskrieg an verschiedenen, sich verändernden kulturellen
Fronten gesprochen.
Hegemonie
bedeutet im Wortsinn zunächst einmal "Vorherrschaft". Um eine kulturelle
Vorherrschaft zu erlangen, müssen demnach eine Reihe von gesellschaftlich
wichtigen Positionen besetzt werden. Von solch einer Stellung aus lassen
sich dann die eigenen Vorstellungen und Inhalte relativ problemlos in die
Gesellschaft hineinvermitteln. Und schließlich geht es darum, über
die Besetzung kulturelle Bereiche, Herrschaftsbeziehungen zu organisieren,
zu legitimieren und auszubauen.
Der
von der `Neuen Rechten´ ausgerufene Kulturkampf ist unbedingt als
ein langfristig angelegtes Konzept zu begreifen.
In
einer Politik der kleinen Schritte geht es ersteinmal darum, in verschiedenste
kulturelle und subkulterelle Bereiche der Gesellschaft zu intervenieren
und dort mit eigenen Themen und Vorstellungen präsent zu sein. Allerdings
standen und stehen die Rechten vor dem Problem, die eigenen Inhalte überhaupt
diskutierbar und für mehr als nur erklärte Rechtsextreme annehmbar
zu machen. Die Lösung für das Problem besteht nun im wesentlichen
aus zwei Komponenten: "Im Rahmen ihrer Strategie (...) ist die neurechte
`Elite´, wenn es um die `Massen´ geht, durchaus zu Konzessionen
an den Zeitgeist (...) bereit" (vgl.: A. Schobert: Mitte und Normalität,
in: ernst Schulte-Holey (Hg.): Grenzmarkierungen, Normalität und diskursive
Ausgrenzung, Duisburg 1995, S.69) Ihre reaktionären Inhalte kommen
im modernisierten Gewand daher, es geht um eine lifestylegemäße
Aufbereitung rechter Positionen, Lebensauffassungen und Wertvosrtellungen.
Um "den bestimmenden Einfluß auf das Bewußtsein der Menschen"
zu erringen, wie Haider meint, sollen die Leute nicht von vorneherein durch
tumben Traditionalismus und allzu offensichtliche Bezüge auf den Nazifaschismus
abgschreckt werden.
Ein
weiteres Mittel die eigenen Auffassungen aufzuwerten und sich in der Öffentlichkeit
mindestens als ernstzunehmender Diskussionspartner zu präsentieren,
ist die Diffamierung der politischen Gegenposition als totalitär und
antidemokratisch.
Dazu
haben sich die `Neuen Rechten´ in der BRD ein recht wirkungsvolles
Instrument geschaffen, die sogenannte `Political Correctness´. Da
die Anti-PC-Kampagne der ´Neuen Rechten´ ein wesentlicher Bestandteil
deren Strategie ist, soll hier kurz einmal darauf eingegangen werden.
Ein
Hauptziel `neurechter´ Politik ist es zunächst einmal, gezielt
emanzipatorische Politikvorstellungen und -Praxen zu diffamieren, um dann
im Gegenzug ihre eigenen autoritären, rassistischen, sexistischen
und nationalistischen Inhalte wesentlich einfacher unter die Leute bringen
zu können. Und an diesem Punkt greift die Anti-PC-Argumentation der
Rechten: Die `Politisch Korrekten´ sind das Synonym für die
politischen Gegner schlechthin: AntirassistInnen, AntifaschistInnen, Feministinnen,
Linke. Mit `PC´ ist gemeint: totalitär, verbohrt, lustfeindlich,
dogmatisch und intolerant. Dabei ist es sehr auffällig, daß
`PC´ begrifflich nicht konkret bestimmt wird. Die Unschärfe
des Begriffs erlaubt pauschale Aussagen, Unterstellungen und Diffamierungen,
die vom `common sense´ eindeutig zugeordnet und `verstanden´
werden. Die `Neuen Rechten´ präsentieren sich in der Öffentlichkeit
durchgängig als Opfer angeblicher linker `GesinnungsterroristInnen´.
Sie verkaufen ihre Inhalte als Tabubrüche gegenüber einer vermeintlichen
linken Meinungsherrschaft.
So
schaffen es die `Neuen Rechten´, sich als modern und undogmatisch
zu präsentieren. Mit `PC´ konstruieren sie eine angebliche gesellschaftliche
Hegemonie linker Dogmen, gegen die sie sich dann als eine progressive und
vor allem unterdrückte Minderheit abgrenzen können. Eben genau
in diesem Sinne sagt Alain de Benoist, ein führender Theoretiker der
`Nouvelle Droite´ in Frankreich: "... zu einer Zeit, da alle Welt
von sich sagt links zu sein", ist "rechts zu stehen noch das beste Mittel,
woanders zu stehen." (Benoist, Alain de: Kulturrevolution von rechts, a.a.O.,
S. 27, aus: Terkessidis, Mark: Kulturkampf, ..., S. 46)
Eine
solche Stimmung durchzusetzen ist ein elementarer Bestandteil der modernisierten
rechten Strategie. Schließlich ist es ein leichtes, sich aus einer
solchen konstruierten Opferposition als dissident und widerständig
zu profilieren. Oder wie es die Junge Freiheit in einer Werbeanzeige im
Zillo ausgedrückt hat: "romantisch, anders, frei."
Als
ein `Operationsgebiet´ ihrer `Kulturoffensive´ haben die `Neuen
Rechten´ jugend- und subkulturelle Bereiche ausgemacht.
"Worauf
es ankommt, das ist zunächst die Besetzung von Feldern im vorpolitischen
Raum: nur eine vitale Subkultur garantiert längerfristig die Durchsetzung
eigener Zielvorstellungen. Das Problem für die Konservativen besteht
nun darin, daß sich eine solche Subkultur nicht `machen´ läßt,"
schreibt Karlheinz Weißmann in der rechten Zeitschrift Criticon (zitiert
nach JF Werbematerial).
Die
Rechten versuchen also Anschluß an heutige Jugendkulturen zu finden.
Dabei suchen sie gezielt nach Anknüpfungspunkten und schon vorhandenen
reaktionären Tendenzen, um diese aufgreifen und verstärken zu
können. Ein `Schlachtfeld´ in diesem Sinne ist für die
Rechten die Darkwave und Gothic-Szene. Denn diese bietet den Rechten in
ihrem Sinne erfolgversprechende Ansätze: "Deutschland ist das Zentrum
einer Musikkultur geworden, die ihre Wurzeln im antimodernistischen Gestus
der `Gothic´-Szene besitzt. (...) Wenn das Mystische und Irrationale,
der Wunsch nach antiaufklärerischer Innenschau und gelebter Transzendenz
ihre Stimme in der Jugendkultur finden, ist der ästhetische Konsens
des Westens durchbrochen," so der Junge Freiheit Redakteur Roland Bubik
(zitiert nach JF, 4/96). Hier wird klar, daß es den Rechten zunächst
einmal darum geht, auf einer rein ästhetischen Ebene, innerhalb der
von ihnen ausgemachten Szene, ihre völkisch-nationalistischen Ideologieversatzstücke
plazieren zu können. Von Politik auf den ersten Blick keine Spur,
soll auf der scheinbar neutralen, unpolitischen Ebene von Symbolik und
Lifestyle `Land´ gewonnen werden.
Das
verdeutlicht nochmal den langfristigen Charakter dieser Strategie.
Die
Leute sollen über eine langsam hergestellte Akzeptanz an rechte Inhalte
und Lebensauffassungen herangeführt werden. Sie wollen gerade an die
Jugendlichen heran, die durch originalgetreue Soldatenlieder und SA-Gesänge
abgeschreckt wären, die jedoch der von Death In June präsentierten
Fassung des Horst-Wessel-Liedes ästhetisch etwas abgewinnen können.
Und an Jugendliche, die gewiß die medizinischen Experimente des SS-Ahnenerbes
ablehnen, aber für geheimnisumwitterte SS-Esoteriker und die Mythologie
der Wewelsburg eine Faszination zu entwickeln vermögen. Ist der Nazismus
so ersteinmal teilweise enttabuisiert und hat man gar vermeintlich `positive´
Seiten des Nazismus ausgemacht, so ist das größte Hindernis,
vor dem sich die extreme Rechte in Deutschland sieht beseitigt und man
kann weitersehen.
Die
Versuche der Rechten in der Szene Fuß zu fassen, stoßen jedoch
auch auf Widerstand aus der Szene. So arbeitet beispielsweise die Bremer
DJ-Initiative
Grufties gegen Rechts,
spätestens seit dem Aufruf `Die Geister die ich rief´ - in dem
sie sich gegen rechtsextreme , nationalistische und neofaschistische Tendenzen
in der Szene wenden - öffentlich gegen rechte Vereinnahmungsversuche
der Schwarzen Szene, wie auch die Bands QNTAL oder Deine Lakaien sich gegen
solcherart Instrumentalisierung verwehren: "Es kennzeichnet die Lage trefflich,
daß im besten Sinne reaktionäre Ästhetik und Lebensauffassungen
nicht von `rechten Postillen´ am erfolgreichsten verbreitet wurden,
sondern mittels silberner CD-Scheiben. Neo-Folk, Gothik, Gruppen wie Dead
Can Dance oder QNTAL sprechen eine andere Sprache als die der Moderne,"
spinnt sich der Roland Bubik in der JF zusammen.