Graswurzelrevolution
von rechts?
Zum Versuch jüngerer
Vertreter der "Neuen" Rechten, in der Dark-Wave-Szene Fuß zu fassen,
von Alfred Schobert
(DISS)
1. Rechtsextreme Infiltrationsstrategie:
Entwurf und Umsetzung
"Pardon, ich höre Popmusik",
überschrieb der frühere Neonazi ud spätere FPÖler Jürgen
Hatzenbichler (vgl. Kellershohn 1994b, S. 77-86) leicht ironisch einen
Artikel in Nation & Europa (3-4/91, S. 86-88). Hatzenbichler
thematisierte die "durch-amerikanisierte Kunstöffentlichkeit von heute"
(S. 86) und die rechte Abneigung gegen derartige "Massenkultur". "Amerikanismus"
definiert Hatzenbichler als die "totale Durchsetzung unserer Kultur mit
einem künstlichen Produkt, amerikanischer 'Kultur' eben, das sich
aus mehreren kulturellen Einflüssen afrikanischer und europäischer
Art bildete" (ebd.). Ist die rechte Kritik am "Amerikanismus", besonders
wenn "Hollywood" ins Spiel kommt, meist mit einem antisemitischen Baß
unterlegt (vgl. Schobert 1996b, S. 33), schlägt Hatzenbichler rassistische
Saiten an. Heutzutage setzten sich "immer stärker die afrikanischen
Strömungen" (S. 86) durch, worunter Hatzenbichler "schnelle Rhythmen
und auf Gestammel reduzierte Texte" (S. 87) versteht. Panisch verzerrt
registriert Hatzenbichler einen Sachverhalt, den Diedrich Diederichsen
(1993, S. 54) so faßte: "Alle weltweiten Jugendkulturen beruhten
in der Nachkriegszeit auf Dekontextualisierungen schwarzer amerikanischer
Kultur (was sie von den Vorkriegsjugendkulturen sehr zu ihrem Vorteil unterscheidet)."
Dennoch plädiert Hatzenbichler
für ein Sich-Einlassen auf Popmusik, um eine rechte "Gegenkultur und
Alternativkultur" herauszubilden. Das war eine Zumutung an eine Leserschaft,
der man nicht völlig zu Unrecht einen Musikgeschmack zwischen Wagner-Opern
und Wehrmachts-Märschen zuschreibt. Deshalb war sie wohl mit dem warnenden
Hinweis "Provokation" im Untertitel versehen. Und verhallte vorerst ohne
nennenswertes Echo.[1]
In der Jungen Freiheit
(JF) trat Roland Bubik (vgl. Kellershohn 1994b, S. 86-89) im Herbst 1993
in die Stiefelabdrücke seines österreichischen Redaktionskollegen.
Ohne Pardon präsentierte er "Die Kultur als Machtfrage" und schreckte
in seiner Variante der von Karlheinz Weißmann propagierten rechten
Graswurzelrevolution (vgl. Kellershohn 1994a, S. 34f.) nicht vor unkonventionellen
Ideen zurück, die traditionelleren Kameraden wohl die Haare zu Bergen
stehen ließen.
Bubik repetiert Gedanken
Armin Mohlers zur "Konservativen Revolution" und streut Reizworte, um seinen
"jungen, revolutionären Konservatismus" zu profilieren. Unter der
Zwischenüberschrift "Reaktionäre Ästhetik und Konservative
Revolution" schreibt er: "Während auf emotionaler Ebene ein Mangel
an Gemeinschaft besteht, entwickeln sich im Bereich der Kommunikationsnetzwerke
neue Möglichkeiten, auf Menschen einzuwirken. Insbesondere die Unterhaltungsindustrie
[...] hat einen Einfluß bislang ungeahnter Totalität. [...]
Versierte Marketing-Konzepte machen sich das Innerste des Menschen, seine
Psyche, zum Zielobjekt: eine Welt von Images, Bildern, Kennsymbolen prägt
Menschen" (JF 10/93, S. 23).
Angesichts von Gemeinschaftsverlust
einerseits und neuen Kontroll- und Lenkungsmöglichkeiten andererseits
lotet Bubik Bedingungen neuer,
um Macht zentrierter Gemeinschaft
aus. Die im MTV-fixierten Medienkonsum der "Kids" verortete "Machtfrage"
ist dabei insofern besonders attraktiv, als es um "nicht-kognitive[(.]
Übermittlung von Botschaften" (JF 10/93, S. 23) gehe. In dieser Ausschaltung
von Rationalität sieht Bubik seine Chance, zumal inhaltlich Anknüpfungspunkte
zu konservativ-revolutionären Ideologemen bestehen.
"Dieser [der "Machtfrage";
AS] gilt es, sich zu stellen, die Jugendkultur von heute bietet erfolgversprechende
Ansätze hierfür. Der Gedanke des 'Kreisbildes' von Geschichte,
in dem die 'Moderne' nie Endzustand sein kann und 'Postmoderne' als Hilfsvokabel
zur Umschreibung der Pulverisierung aufklärerischen Erbes fungiert,
scheint Bestandteil vieler Jugendkulturen zu sein. Ein merkwürdiges
Bewußtsein, in einer Phase des Niedergangs zu leben, ist virulent,
vom 'age of destruction' ist die Rede [...]. Man [...] mißtraut der
Erklärbarkeit der Welt, wendet sich sogar rückwärts, etwa
in Form der verschiedenen Independent-Szenen" (JF 10/93, S. 23).
Via "Kreisbild" und "Postmoderne"
knüpft Bubik an Armin Mohlers Postmoderne-Rezeption an.[2]
Gestützt auf diese Autorität kann Bubik sich dann die Frechheit
erlauben, der JF die Begrenztheit ihres Tuns vorzuhalten, um dann seine
angeblich bereits praktisch fortgeschrittene Alternative aufzuzeigen: "So
kennzeichnet es die Lage trefflich, daß im besten Sinne reaktionäre
Ästhetik und Lebensauffassung nicht von 'rechten Postillen' am erfolgreichsten
verbreitet wurden, sondern mittels silberner CD-Scheiben. Neo-Folk, Gothic,
Gruppen wie 'Dead can dance' oder 'QNTAL' (Leser der JF-Musikkritik wissen
Bescheid) sprechen eine andere Sprache als die der Moderne" (JF 10/93,
S. 23).
Die inhaltliche Qualifikation
der von Bubik vereinnahmten Musik bleibt auffallend unbestimmt, und die
genannten Bands fügen sich nicht seiner Strategie (vgl. Schobert 1997,
S. 391f.). Auf Anschlußfähigkeit an Julius Evolas "Aufstand"
oder "Revolte gegen die moderne Welt" setzend (vgl. Schobert 1995, 67-70),
geht es Bubik hier vage um eine "andere Sprache als die der Moderne", andernorts
- dies zeigt die Beliebigkeit seines Denkens - "um eine andere Sprache
als die der Postmoderne" (Bubik 1994, S. 193).
Jedenfalls macht sich Bubik
Hoffnungen und sieht im unübersichtlichen Terrain von Kultur und Kommunikation
"gute Zeiten für Partisanen" (JF 10/93, S. 23) heraufziehen. Kurz
darauf nahm unter seiner Regie die Operation Dark Wave in der JF Gestalt
an (vgl. Schobert 1996a). Über einen Nachwuchswettbewerb wurde eine
auf Musik spezialisierte Autorin gewonnen. Eine Reihe von Autoren (bzw.
Pseudonymen), darunter Hatzenbichler, präsentierten fortan Musikgruppen.
Zwischenzeitlich wurde ein JF-Stammautor, Peter Boßdorf (vgl. Kellershohn
1994b, S. 97-100), als ständiger Mitarbeiter im - der Auflage nach
- wichtigsten Organ der Dark-Wave-Szene, dem Zillo installiert.
Bubik versuchte, die Band
Forthcoming Fire, deren Frontman Josef Klumb alias Jay Kay aus Bingn sich
durch die Verbreitung neonazistischer Propagandathesen und einer antisemitischen
Verschwörungstheorie in Musikmagazinen[3] hinreichend
qualifiziert hatte, als JF-Hausband aufzubauen (vgl. JF 6/96, S. 24 u.
8/96, S. 3). Ein Foto von Forthcoming Fire schmückte die Anzeige,
mit der sich die JF im Zillo (2/96, S. 8) als "romantisch, anders,
frei" anpries. Über die Anzeige kam es zu einem heftigen und zähen
Streit in der Dark-Wave-Szene. Trotz Protesten aus der Musikszene[4]
hielt Zillo-Herausgeber Rainer "Easy" Ettler lange an seinem Mitarbeiter
Boßdorf fest; auch bot er Forthcoming Fire mehrfach die Möglichkeit,
sich einem größeren Publikum zu präsentieren.[5]
Erst kürzlich verschwandt Peter Boßdorf aus dem Impressum und
trat auch nicht mehr als Zillo-Autor auf.
2. Entsteht eine rechtsextreme
Infrastruktur in der Dark-Wave-Szene?
Die jüngeren Kulturstrategen
der "Neuen" Rechten können lediglich aufgreifen, was sich innerhalb
der von ihnen angpeilten Subkultur tut, und bestimmte Tendenzen verstärken
bzw. bestimmte strategische Positionen in der Szene-Infrastruktur zu besetzen
versuchen. Es überschreitet hingegen ihre Möglichkeiten, selbst
initiativ und aktiv zu werden und autonom kulturelle Praxis zu entfalten.
Wie steht es also um die Anknüpfungspunkte in der Dark-Wave-Szene?
Entsteht gar eine komplette Infrastruktur (Bands, Labels, Fanzines und
Magazine, Tourveranstalter und Auftrittsmöglichkeiten) für rechtsextreme
Dark Wave?
Die Bands und Musikprojekte,
die sich als rechtsextreme Überzeugungstäter der 'eurechten'
Kulturstrategie anbieten, können hier, auch wenn es sich um eine Minderheit
innerhalb der Musikszene handelt, nicht alle benannt und aaalsiert werde.
Das Spektrum reicht in der musikalischen Vielfalt der Independent-Szene
vom Industrial oder Noise bis zum Neofolk, von hypermoderner Elektronik
bis zur Klampfe, von lärmend hart bis soft und eingängig. So
ist der als "Industrial-Legende" gefeierte Musiker Jean-Marc Vivenza aus
Grenoble als Referent in die Aktivitäten der Europäischen Synergien
um den Belgier Robert Steuckers eingebunden.[6] Die
britische Band Death In June, die seit 1981 besteht und allein daher schon
- wie die Compilation "Heilige Tod. A beneficial tribute to Death in June"
(Palace of Worms Records/Semaphore 1995) zeigt - historisch international
als Vorbild fungiert, verdiente eine ausführliche Analyse, ergänzt
um die Darstellung der personell eng mit Death In June verbundenen Bands
und Projekte wie Sol Invictus um Tony Wakeford und Current 93.
Welche politische Brisanz
und welches terroristische Potential im Flirt des um ein honoriges Image
bemühten intellektuell aufgemotzten Rechtsextremismus mit Teilen der
Dark-Wave-Szene stecken, zeigt ein Blick auf das Treiben des auch in Deutschland
tätigen US-Amerikaners Michael Jenkins Moynihan. Mit seinem Musik-Projekt
Blood Axis genießt Moynihan hierzulande in der Independent-Szene
ein gewisses Ansehen; er tauchte gar in den Club-Charts des Zillo
auf. Zumeist findet man ihn irgendwie "kontrovers" und fällt
ahnungslos auf seine verlogenen taktischen Selbstdarstellungen herein.
Das elitäre Szene-Selbstverständnis steht in krassem Gegensatz
zur Uninformiertheit, mit der das Zillo und Fanzines wie
Black
über Moynihan schreiben. Ihre Naivität macht sie zur Manövriermasse
einer braunen Kulturoffensive.[7]
Im Interview mit No
Longer A Fanzine (H. 5, S. 8) erklärt Moynihan seine Sympathie
für Auschwitzleugner und rechtfertigt die nazistische Vernichtungspolitik:
"Einerseits denke ich, daß die Zahl 6 Millionen nur zufällig
und ungenau und wahrscheinlich eine grobe Übertreibung ist. Ich habe
revisionistische Bücher gelesen, die gut gegen den Holocaust-'Kanon'
argumentieren, und selbst die jüdischen Historiker verändern
fortwährend ihre Ansprüche [!]. Doch mein Hauptproblem bezüglich
der Revisionisten ist, daß sie von der Annahme ausgehen, das Töten
Millionen unschuldiger Menschen sei als solches 'böse'. Mehr und mehr
neige ich zur entgegengesetzten Schlußfolgerung. Ich geriete nicht
aus der Fassung, wenn ich herausfände, daß die Nazis jede ihnen
zugeschriebene Grausamkeit begangen hätten - ich zöge es vor,
wenn es wahr wäre."
Wer das zur dem Showbusiness
geschuldeten Provokation eines Mundwerksburschen herunterspielt, übersieht
das ideologische System, das dahintersteckt. Gewiß, Moynihan ist
ein publicitygeiles Großmaul. Doch er ist politischer Überzeugungstäter,
und das macht es brandgefährlich, wenn er - wie es in Auf Abwegen
/H. 20, S. 37) heißt - "seine Vision voll durch[zieht]".
1994 absolvierte er den
Wulfing Initiationsritus. Der Tribe of the Wulfings ist Teil der nordischen
Religionsgemeinschaft Asatrú. Zu den Wulfings gehören weitere
mit Moynihan kooperierende Musiker und Publizisten, so Robert Ward (früher
Herausgeber von The Fifth Path) und Markus Wolff von Crash Worship,
auch Herausgeber von Minotaurus. Die Fotos vom Initiationsfest im
Asatrú-Blatt
Vor trú (H. 53, S. 47) wirken albern
folkloristisch. Liest man die Empfehlung der von Jürgen Rieger für
die nazistische Artgemeinschaft herausgegebenen Nordischen Zeitung (Vor
trú H. 52, S. 42 u. H. 53, S. 50) oder das sympathisierende
Porträt des in Norwegen wegen Mord und Brandstiftung einsitzenden
Varg Vikernes von der Black-Metal-Band Burzum[8], wird
deutlich, daß Asatrú in der Tradition einer "Lagerfeuer-Romantik"
steht, die schon einmal unromantisch in Pogrom-Feuern und Konzentrationslagern
endete. Daher sollte man den vor Jahren zunächst bzgl. Death In June
von der Zeitschrift
Spex (4/91, S. 40) kritisch, aber dennoch in
verharmlosender Tendenz eingeführten Topos "Lagerfeuer-Romantik" verabschieden.
Moynihan ist Multifunktionär.
Er betätigt sich als Verleger und vertreibt in den USA das "Grüne
Buch" Gaddafis, das auch hierzulande bei Nationalrevolutionären äußerst
beliebt ist. Aus Flugschriften des inhaftierten US-Neonazis James Mason,
stellte Moynihan für seinen Verlag Storm Books das Buch "Siege. The
Collected Writings of James Mason" zusammen und versah diese Melange aus
Nazismus und Charles Mansons "Universal Order" mit einer einfühlsam
erläuternden Einleitung.
Als Autor war Moynihan in
verschiedenen Organen tätig. Für diverse Musikmagazine interviewte
er u.a. Charles Manson (Seconds H. 32, S. 64-74), den Satanisten
Anton LaVey (ebd., H. 27, S. 56-60), die Industrial-Band Whitehouse (ebd.,
H. 28, S. 60-62) und skandinavische Metaller wie Unleashed (ebd., H. 30,
S. 9-11; vgl. auch Vor trú H. 52, S. 46f.) und Bathory (The
Fifth Path H. 5, S. 36-41; Reprint in Vor trú H. 53,
S. 14-18) oder auch die britische Band In The Nursery (The Fifth Path
H. 5, S. 8-14). Ebenso interviewte er Peter Steele von Type 'o' Negative;
eine deutsche Übersetzung dieses sozialdarwinistischen Interviews
erschien in der JF (47/94, S. 20).
Plexus. A National Socialist
Theoretical Journal veröffentlichte 1994 zwei Aufsätze Moynihans.
Plexus wird herausgegeben von W.H. Kendall und von der National
Workers League, einer - so das deklarierte Selbsterständnis - "National
Socialist Labor Union", gesponsert. Eifrig Alfred Rosenberg zitierend,
demonstrierte Moynihan dort nazistische Gesinnungsstärke.
Musikalisch ist Moynihan
ein Fuzzi, und man muß sich wirklich wundern, woher sein relativer
Erfolg rührt. An der Musik kann es nicht liegen. Interesse, auch kommerzielles,
erregen indes seine kultische Selbstinszenierung und persönliche Legendenbildung.
Sie sind attraktiv für ein auf "Geheimnisse" abfahrendes Publikum
(vgl. Schobert 1997, S. 387-389). Der heidnische Hype hat drei Komponenten.
(1) Moynihan operiert mit einem Symbolverständnis, demzufolge Symbole
(heilige) Zeichen mit Eigenmacht ("power") seien; der Gebrauch bestimmter
Symbole, so vor allem Blut und Kruckenkreuz, suggeriert Aura. (2) Entsprechend
bedeutend ist Moynihans Reisetätigkeit, die ihn - zeitweise begleitet
vom Österreicher Kadmon[9] - zu diversen Kultstätten
in Deutschland und Österreich führte. Zur Medieninszenierung
fotografisch dokumentiert, tankt Moynihan hier demonstrativ den Rohstoff
für die charismatische Selbstinszenierung. (3) Moynihan versteht es,
als Trittbrettfahrer am Ruf anderer Underground-Kultfiguren teilzuhaben.
Die Chance dazu bot ihm Boyd Rice (NON), der - trotz seines Sozialdarwinismus
und seiner Bewunderung für Alfred Rosenberg - in Industrial-Kreisen
hohes Ansehen genießt.
Boyd Rice nahm Moynihan,
der bis dahin nur unter dem Namen Coup de Grâce pubertäre Lärmexperimente
auf Cassetten vorweisen konnte, 1989 mit nach Japan. So gehörte Moynihan
neben Douglas Pearce von Death In June und Tony Wakeford von Sol Invictus
zur Crew der legendären Osaka-Performance ("Total War") und war an
einigen Alben von Boyd Rice beteiligt. Seither zehrt Moynihan vom Kult-Status.
Mittlerweile gibt sich der Boyd-Rice-Epigone gereift, reklamiert künstlerische
Anteile an NON (vgl. Black. Das alternative Musikmagazin
H. 6, S. 35) und äußert sich frostig über Boyd Rice (vgl.
Auf
Abwegen H. 20, S. 38).
Unterstützung im deutschsprachigen
Raum fand Moynihan durch die Kooperation mit dem Moerser Label Cthulhu
und durch Kadmon, der Blood Axis in einer Ausgabe seiner Schriftenreihe
Aorta
(H. 19) hochjubelte. Unter dem Namen Blood Axis veröffentlichte Moynihan
auf dem eigenen Label Storm gemeinsam mit Allerseelen eine Single.
Schließlich
erschien nach verschiedenen Compilation-Beiträgen 1995 bei Cthulhu
die CD "The Gospel of Inhumanity". Dieses "Evangelium der Unmenschlichkeit"
ist eine unerträgliche Mischung aus Nietzsche-Rezitation, Anleihen
bei Bach und Serge Prokofiev sowie Samples von Ezra Pound, Charles Manson
u.a. Im US-Nazi-Skin-Blatt
Resistance (H. 6, S. 38), wurde "The
Gospel of Inhumanity" begeistert aufgenommen und als "faschistische Symphonie"
gefeiert. Moynihan nahm diese Einladung zum Bündnis an: Er bedankte
sich mit einer ganzseitigen kommerziellen Anzeige im Blatt und stellte
sich so in eine Reihe mit der NSDAP/AO, die für T-shirts mit Hakenkreuz-Motiv
warb. Auch hierzulande entdeckt die militante Nazi-Szene nun Moynihan:
Einheit und Kampf. Das revolutionäre Magazin für Nationalisten
(Aufruhr-Verlag Bremen) besprach (H. 18, S. 29) "The Gospel of Inhumanity"
in den lobendsten Tönen.
Zwei kleinere Zeitschriften
aus dem Dark-Wave- und Indepedent-Spektrum müssen eindeutig der rechtsextremen
Publizistik zugeordnet werden. An erster Stelle zu nennen ist das einem
heidnischen Faschismus und dem Traditionalismus Evolas verpflichtete Dresdener
Blättchen
Sigill, im Untertitel früher als Magazin,
neuerdings als Zeitschrift für die konservative Kulturavantgarde
Europas charakterisiert (vgl. Schobert 1996a, S. 70f.). Wie Sigill
bundesweit verbreitet wird auch das im Osten Berlins erscheinende Europakreuz.
Europas Kunst, Kultur & Kraft. Europakreuz betreibt offen
das Bündnis mit der Naziskinhead-Szene: Im Sommer 1997 erschien im
braunen Skin-Magazin
Rock Nord ein Artikel des Europakreuz-Herausgebers
Marco Thiel, der Death In June per Vergleich mit dem Nazi-Barden Frank
Rennicke, kurz zuvor Interviewpartner in Europakreuz (H. 19, S.
9-12), dem Publikum schmackhaft zu machen versuchte. Im "Kalender" führte
Europakreuz
(H. 19, S. 28) zwischen Konzertterminen den (verbotenen) Leipziger Nazi-Aufmarsch
zum 1. Mai auf; außerdem wurden die Nummern mehrerer "nationaler
Infotelefone" angegeben.
Die Entstehung durchweg
rechtsextremer Label von solcher Größe, daß sie die Bezeichnung
Plattenfirma verdienten, ist bisher nicht festzustellen. So viel gehört
heutzutage nicht mehr zur Produktion eines Tonträgers in Kleinstauflage.
Gebilde wie die eng mit Sigill kooperierende Dresdener Mjölnir
Tonkunst sind noch vernachlässigbare Größen; das gilt auch
noch für die umtriebigere L.O.K.I.-Foundation im sächsischen
Aue.[10]
Schwer ist das Moerser Label
Cthulhu Records einzuordnen, das - neben dem erwähnten Album von Blood
Axis - auch einschlägige Compilations veröffentlichte, so "Im
Blutfeuer". Cthulhu-Chef Willi Stasch (auch Mitarbeiter bei Sigill)
gibt sich immer unpolitisch, doch kann der Mann so naiv (um nicht zu sagen:
blöd) sein, wie er vorgibt?[11] Das harte neonazistische
Treiben seines "Künstlers" Michael Moynihan kann ihm nicht verborgen
geblieben sein. Dennoch brachte Stasch 1997 - vermutlich auf Vermittlung
Moynihans - ein weiteres Produkt von Glaubenskämpfern der Asatrú-Gemeinschaft
auf den Markt: "Fire of Life" von Changes.[12]
Im Zuge stärker
werdender rechtsextremer Tendenzen versucht das den Unabhängigen Freundeskreisen
verbundene rechtsextreme Kommerzunternehmen VAWS (= Verlag + Agentur Werner
Symanek), sich - ähnlich wie man auch im Buchgeschäft sowohl
als Versand wie als Verlag tätig ist - ergänzend zu den Mailorder-Geschäften
mit Tonträgern auch zum Label emporzuarbeiten. VAWS vertreibt mittlerweile
auch ein Produkt der Mjölnir Tonkunst; wenn solche Kooperationen ausgeweitet
würden, könnte mit der Finanzkraft von VAWS in der Tat ein rechtsextremes
Label für die Dark-Wave-Szene entstehen. Erstes VAWS-Labelprojekt
war eine unter tatkräftiger Mithilfe Jay Kays entstandene Doppel-CD
nebst Begleitbuch zu Ehren der Nazi-Kulturikone Leni Riefenstahl.[13]
Das Echo im rechtsextremen
Szeneteil ist geteilt: Während
Sigill H. 13, S. 40) die CD
als repräsentatives Produkt feiert und auch die F (10/97, S. 24) sich
voll des Lobes zeigt, publiziert Einheit und Kampf (H. 18, S. 20)
einen herben Verriß. Die harten Kämpfer monieren "esoterisch-naive
Lobhudelei auf die Schwarze Sonne" und fürchten, SS-Mitglieder würden
angesichts dieser Harmlosigkeit "wohl im Grabe rotieren".
3. Zwischenbilanz der politischen
Auseinandersetzung
An diesem unterschiedlichen
Echo auf die Riefenstahl-Compilation läßt sich präzisieren,
worum es der "Neuen" Rechten bei der Operation Dark Wave geht, um die Zwischenbilanz
der politischen Auseinandersetzung nicht auf eine zu simple Basis-Unterscheidung
zu stellen: Es geht nicht darum, ob "die" Dark-Wave-Szene nazistisch sei
oder ob Teile dieser Szene nazistisch seien oder nicht. Die Infiltrationsversuche
sind, sieht man von den erst kürzlich aufgetretenen Trittbrettfahrern
aus der militanten Szene ab, bei weitem komplizierter angelegt, als es
dieser platte Binarismus zu denken erlaubt.
Hintergrund der diverierenden
Einschätzungen der Riefenstahl-CD sind die verschiedenen politischen
und strategischen Optionen der extremen Rechten (vgl. Kellershohn 1994a,
S. 30-33). Vertretern der terroristischen Option sind die notwendigen Rücksichtnahmen
und die Langfristigkeit der metapolitischen Option wohl nicht begreiflich.
Vertreter der metapolitischen Option hingegen kalkulieren, wann sie offen
auftreten und wann sie Mimikry betreiben. Ihnen geht es nicht darum, kurzfristig
Dark Waver als Mörder "im Auftrag Odins" (nach dem Muster des mehrfachen
Mörders Thomas Lemke) zu rekrutieren. Auch braune Blitzkarrieren nach
dem Vorbild der vorübergehend aus der Musikszene rekrutierten JF-Autorin
werden nur als Einzelfälle angestrebt.
Metapolitisch geht es um
einen allgemeinen Umschwung, der eine Grundstimmung aufgreift und verzerrt.
Etappenziele sind die Enttabuierung von Nazi-Symbolen (insbesondere die
praktische Aufweichung juristischer Sanktionen durch subkulturell selbstverständliche
Überschreitung) und völkisch-nationalistischen Ideologemen. Man
will gerade an diejenigen Jugendlichen heran, die man durch originalgetreue
Soldatenlieder und SA-Gesänge verschrecken würde, die jedoch
der von Death In June präsentierten Fassung des Horst-Wessel-Liedes
ästhetisch etwas abgewinnen können. Und an Jugendliche, die gewiß
die medizinischen Experimente des SS-Ahnenerbes ablehnen, sich von geheimnisumwobenen
SS-Esoterikern und der Mythologie der Wewelsburg indes faszinieren lassen
können. Ist der Nazismus so erst einmal teilweise enttabuisiert, hat
man gar vermeintlich "positive Seiten" des Nazismus ausgemacht, kann die
extreme Rechte weitersehen.
Diese schleichende Besetzung
kultureller Räume mit Symbolen und Ideologemen des Vökischen
Nationalismus ist im Gange, gestützt auf eine noch unvollständige
eigenständige Infrastruktur und an entscheidenden Stellen gebilligt
durch Teile der Musikszene. Hält man sich dies vor Augen, kann trotz
der Erfolge, die von aufgeklärten und kritischen Teilen der Musikszene
im Zusammenspiel mit thematisch Interessierten aus der Antifa erzielt wurden,
keine Entwarnung gegeben werden. Gewiß, es gibt Widerständiges
aus der Szene (vgl. Schobert 1997, S. 389-391). Gewiß, es ist ein
Erfolg, daß im Mai 1997 in Hamburg und Bochum nach öffentlichem
Druck die Konzerte von Death In June u.a. abgesagt wurden und daß
es in Rostock und in Plauen Proteste gab. Gewiß, das Bochumer Konzert
von Forthcoming Fire am 28.2.97 wurde durch eine Bühnenbesetzung verhindert.
Gewiß, der Flirt zwischen JF und Zillo ist vorbei, was aber
hauptsächlich daran liegt, daß sein Garant, Zillo-Herausgeber
Ettler, im April 1997 verstarb.
Eine kritische Aufarbeitung
der Verstrickung des Zillo in den organisierten Rechtsextremismus
im Zillo blieb aus, und die Dark-Wave-Szene hat kein Medium, wo
die Debatte geführt werden könnte. Es herrschen immer noch eine
erschreckende Naivität und ein Informationsdefizit in der Szene.[14]
Besonders deutlich zeigt sich dies bei den Organisatoren des jährlichen
Leipziger Pfingstfestivals hier findet die JF weiter Ansatzpunkte, ihr
Werben um die Dark-Wave-Szene fortzusetzen.[15]
Die 'neurechte' Operation
Dark Wave stößt also auf Widerstände, die rechtsextreme
Szene-Infiltration konnte eingedämmt werden, doch die "Neue" Rechte
hält Territorium besetzt und weiteres könnte ihr zufallen. Bewährt
haben sich inhaltlich fundierte Auseinandersetzungen "vor Ort", so zuletzt
als im Frühjahr 1998 eine antifaschistische Nachbarschaftsinitiative
in Mühlheim an der Ruhr VAWS dazu zwang, den gerade neu bezogenen
Verlagsstandort wieder aufzugeben.[16] Der Ausgang
des Konfliktes ist offen, das alles andere als statische Operationsgebiet
unübersichtlich - gute Zeiten für Aufklärer?
Literatur
Bubik, Roland: Herrschaft und
Medien. Über den Kampf gegen die linke Meinungsdominanz. In: Schwilk,
Heimo/Schacht, Ulrich (Hg.): Die selbstbewußte Nation. "Anschwellender
Bocksgesang" und weitere Beiträge zu einer deutschen Debatte. Frankfurt
a.M./Berlin 1994, S. 82-94
Diederichsen, Diedrich:
Freiheit macht arm. Das Leben nach Rock 'n' Roll 1990-93. Köln 1993
Kellershohn, Helmut:
Das Projekt
Junge Freiheit. Eine Einführung. In: ders. (Hg.)
1994, S. 17-50 (= 1994a)
Kellershohn, Helmut:
Die selbsternannte Elite. Herkunft und Selbstverständnis des Personals
der Jungen Freiheit. In: ders. (Hg.) 1994, S. 51-116 (= 1994b)
Kellershohn, Helmut
(Hg.): Das Plagiat. Der Völkische Nationalismus der Jungen Freiheit.
Duisburg 1994
Mason, James: Siege.
The Collected Writings. Edited and Introduced by Michael M. Jenkins. Denver
1992
Mohler, Armin: Die
Konservative Revolution in Deutschland 1918-1932. Ein Handbuch. 3. erw.
Aufl. Darmstadt 1989
Schobert, Alfred:
Mitte und Normalität. Zur Gleichzeitigkeit von moderner Kollektivsymbolik
und traditioneller institutionalistischer Symbolik. In: Schulte-Holtey,
Ernst (Hg.): Grenzmarkierungen. Normalisierung und diskursive Ausgrenzung.
Duisburg 1995, S. 53-73
Schobert, Alfred:
Kreuz, Totenkopf und Gruft. Dark Wave und "Neue Rechte". In: Jäger,
Margret/Wichert, Frank (Hg.): Rassismus und Biopolitik. Werkstattberichte.
DISS-Forschungsbericht 1996. Duisburg 1996, S. 67-74 (= 1996a)
Schobert, Alfred:
Der Wahn von Sinn und Selbst. In: links H. 316/317, S. 31-33 (= 1996b)
Schobert, Alfred:
Geheimnis und Gemeinschaft. Die Dark-Wave-Szene als Operationsgebiet 'neurechter'
Kulturstrategie. In: Cleve, Gabriele u.a. (Hg.): Wissenschaft Macht Politik.
Intervention in aktuelle gesellschaftliche Diskurse. Münster 1997,
S. 384-395
Fußnoten
1 Mittlerweile
hat Nation + Europa (6/97, S. 51-53) Heinz Rudolf Kunze als den
"Botho Strauß des Rock 'n' Roll" entdeckt.
2 "Die
sogenannte 'Postmoderne'", schrieb Mohler (1989 II, S. 20) forsch, "ist
ein illegitimes Kind der Konservativen Revolution"; vgl. Criticón
H. 96, S. 157-161; H. 99, S. 38 u. H. 106, S. 81-83.
3 Vgl.
Gothic. Magazine for Underground Culture H. 23, S. 30f. u. The
Gothic Grimoire. Musikmagazin für Dark-Wave & Life-Style 1/96,
S. 9.
4 Auch
die oben erwähnte Musikspezialistin der JF, die die Zeitung 1995 entsetzt
verlassen hatte, griff ihn diesen Streit ein mit einem offenen Brief an
den Zillo-Herausgeber, in dem sie vor der JF warnte (dok. in Schobert
1996a, S. 72f.; vgl. auch ihr Interview in taz v. 8./9.6.96, S.
13f.).
5 Vgl.
Zillo 11/96, S. 54-56 u. 2/97, S. 34f.; vgl. vom Vf. Tore, die 'n
Hammer haben. In: junge Welt v. 5.2.97, S. 13.
6 Vgl.
vom Vf. Rechte Synergien. In: junge Welt v. 28.10.96, S. 13.
7 Das
gilt mit Abstrichen selbst für das Moynihan-Interview in Auf Abwegen
(H. 20, S. 37-39), obwohl der Interviewer des durchaus kritischen und sehr
informativen Magazins sich Moynihan sehr kritisch nähert.
8 Vgl.
Vor trú H. 52, S. 6; vgl. auch
The Fifth Path H. 5,
S. 7. Moynihan arbeitet an einem Buch über die skandinavischen Metal-Berserker
und besuchte Vikernes zu diesem Zweck im Gefängnis. Vikernes betreibt
aus dem Gefängnis heraus weiter eine Plattenfirma. Seine Mutter, die
49jährige Lene Bore, wurde Anfang April 1997 von der norwegischen
Polizei als Kopf einer neonazistischen Terrorgruppe bei Bergen festgenommen.
Bei der Festnahme stellte die Polizei ein umfangreiches Waffenarsenal und
detaillierte Pläne für Attentate auf führende norwegische
Politikerinnen und Politiker sicher (vgl.
taz v. 14.4.97, S. 2).
9 Zu Kadmon
(= G. Petak) und seinem Musikprojekt Allerseelen vgl. vom Vf. Sounds aus
der Hölle. In: junge Welt v. 5.11.96, S. 14.
10 Zur
L.O.K.I.-Foundation und dem ihr nahestehenden Turbund Sturmwerk, verantwortlich
für die 1992 in Erlangen erschienene stramm antisemitische Publikation
Sturmgeweiht. Wille & Vermächtnis der Organisation Tyr,
vgl. vom Vf. Wirrköpfe und Polit-Banditen. In: junge Welt v.
9.1.97, S. 11 (u. die barschen Reaktionen in Sigill H. 13, S. 5
u. Europakreuz H. 19, S. 24).
11 Vgl.
seine Presseerklärung vom 30.5.1996. Gegen die Präsentation der
Compilation "Im Blutfeuer" in der Jungen Freiheit (35/1995, S. 20)
protestierte Staschs allerdings mittels eines Leserbriefes, der unter dem
Titel "Künstler, wehrt Euch!" abgedruckt wurde (JF 37/95, S. 23).
12 Vgl.
Vor trú H. 53, S. 47 u. das vom Glaubensbruder Markus Wolff
geführte Interview in Sigill H. 13, S. 24-28.
13 Vgl.
vom Vf. In Riefenstahl-Gewittern. In: junge Welt v. 9.12.96, S.
13.
14 Eine
positive Ausnahme ist das Fanzine Auf Abwegen (Bochum und Münster),
das zunehmed deutlicher Stellung bezieht.
15 Vgl.
JF 20/97, S. 20; 23/97, S. 24 u. 24/98, S. 24; vgl. v. Vf.: Scheinbar romantisch
und versponnen. In: Freitag 23/98, S. 4.
16 Vgl.
Mark Hagel: Heliozentriker ohne Zentrum. In: Jungle World 21/98,
S. 9.