Strafcamp

Das Zittauer Asylbewerberheim

"Das Problem ist nicht allein, dass die Bedingungen im Asylbewerberheim beschissen sind, sondern dass es mittlerweile ganz bewusst als Strafe für unliebsame Asylbewerber genutzt wird", erklärt ein Sprecher der Gruppe voice of africa aus Jena. Rund dreissig CampteilnehmerInnen haben sich auf Initiative der afrikanischen Aktivisten zusammengefunden, um die Situation im Zittauer Asylbewerberheim zu thematisieren. Für Donnerstag planen sie einige Aktionen in Zittau. Unter anderem fordern sie die Schliessung des Heims.
In der alten Kaserne der sowjetischen Armee tropft es von der Decke, der Gestank der sanitären Anlagen raubt einem den Atem. Eine Delegation, die vor einigen Wochen das Gebäude besichtigen wollte, brach ihre Exkursion wegen Anfällen von Übelkeit ab. Seitdem wurde einiges verbessert. Aber die Schikanen bleiben. Das fängt schon bei der Essenslieferung an. In Zittau gibt es keine Warengutscheine, die Flüchtlinge müssen auf Listen ankreuzen, was sie in den nächsten drei Tagen essen wollen. Aber was sie geliefert bekommen, ist nicht nur weniger als die ihnen zustehenden Rationen, sondern auch häufig für sie ungeniessbar. Muslime bekommen statt Hühnchen Schweinefleisch, das Haltbarkeitsdatum ist schon abgelaufen, bevor sie die Lebensmittel zubereiten koennen, erzählen Flüchtlinge dem Webjournal. Ein Hausmeister macht ihnen das Leben zur Hölle. Ohne ersichtlichen Grund hämmert er morgens um sechs an ihre Türen. "Wir denken jedesmal, die Polizei holt uns." Der Hausmeister - kurzhaarig und bullig, ganz der hiesigen Jugendmode angepasst - beschimpft die Flüchtlinge, erzählt ihnen, wenn es ihnen nicht passt, sollten sie doch wieder nach Hause fahren. Anträge auf Verlassen des Bezirks Zittau werden in der Regel abgelehnt. Im Heim gibt es kaum Beschäftigungsmöglichkeiten: vier Menschen leben in einem Zimmer, es gibt keine Bücher, keine Spielräume für Kinder, nicht einmal einen Fernseher. Gegen die Langeweile bleiben den häufig schon seit Jahren in Zittau Lebenden nur Spaziergänge in die Stadt. Doch dort gehen die Schikanen weiter. Wenn sie die Polizei oder den BGS sehen, versuchen sie sich schnell in einen Hauseingang zu ducken. Trotzdem werden ihre Personalien pro Spaziergang vier bis fünf mal kontrolliert. In der 30 000 Seelen zählenden Gemeinde leben ca. 200 Ausländer, davon 50 Flüchtlinge. Die Polizei kennt jeden einzelnen. Aber Spaziergänge sind nicht nur nervig, sondern auch gefährlich. Die NPD kommt zwar in Zittau nicht ueber fünf Prozent, Jugendkultur ist hier aber trotzdem tendenziell deutsch national. Die Flüchtlinge erzählen von zahlreichen Überfällen der Nazis auf einzelne allein in den letzten drei Monaten. In den letzten sieben Monaten gab es drei Naziaufmärsche vor dem Heim. Die Polizei kam, wenn überhaupt, Stunden nachdem sie benachrichtigt wurde. Rassismus erleben Nichtdeutsche aber auch von ganz "normalen" Bürgern. Ein am Camp teilnehmender afrikanischer Aktivist wurde auf die Frage nach der Toilette in einem Restaurant auf die Hintertür verwiesen.
Ansprechpartner haben die Heimbewohner fast keine. An die Ausländersorge können sie sich nur wenden, wenn sie selbst einen Übersetzer mitbringen. "Die Frustration, die sie hier tagtäglich erleben, verschlimmert die psychologischen Probleme der Flüchtlinge." erklärt der Sprecher von voice of africa. Aber vor allem gibt es Hinweise, dass bundesweit Behörden eine Versetzung in das Zittauer Heim bewusst als Strafe einsetzen. So kam ein Asylbewerber, nachdem er in einem Hamburger Heim zum Beschwerdeführer geworden war, nach Zittau.
Die CampteilnehmerInnen wollen bei ihren Aktionen mit Flugblättern ganz konkret die Zittauer Bevölkerung aufklären und sie auffordern, den Rassismus zu stoppen und die Flüchtlinge vor Übergriffen zu schützen. Ausserdem richten sie einen breiten Forderungskatalog an die Behörden. Neben der Schliessung des Heims wollen sie, dass Repressionen gegen politische Betätigung eingestellt werden, die Polizei endlich anfängt auch diese Menschen zu schützen bis zu Detailforderungen wie die Klopapierrationen von zwei Rollen pro Monat zu erhöhnen.

Hannah Wettig, Zittau

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