zurück zu CONTRASTE - HAMBURG Besuch bei 'El Rojito' - einer alternativen Kaffee-Handelsgruppe
El Rojito (deutsch: 'kleine rote Kaffeekirsche' oder 'der kleine Rote') hat sich 1987 als Solidaritätsgruppe mit der sandinistischen Revolution in Nicaragua gegründet. Es ist ein Verein, der jetzt 10 Jahre lang über die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Nicaragua informiert hat. Inzwischen dehnt sich die Info-Arbeit auf andere Länder Lateinamerikas aus. Neben dem Nicaragua-Kaffee wird inzwischen, mit La Cortadora, auch Kaffee aus El Salvador eingeführt. Trotz starker Umsatzsteigerungen arbeiten die Leute (immer etwa 8 bis 10 Menschen) seither als selbstorganisiertes Kollektiv. Zwei Männer (P., Erzieher, Holzfäller und Student seit 2 Jahren und U. , ein Sozialpädagoge, seit 10 Jahren) haben jeder eine halbe Stelle (gleiche Bezahlung, incl. aller Sozialleistungen) und haben sich über die Jahre, z.B. in die EDV, den Handel oder den Darlehensbereich eingearbeitet. Darüber hinaus gibt es "Soli"-Mitglieder des Vereins, die als Aushilfskräfte mitarbeiten. Die beiden Teilzeitkräfte arbeiten im Laden/Lager, das an zwei Tagen auch zum Direktverkauf (verschiedene Kaffeesorten, frisches Mahlen, Tassen, Schokolade, Rum, Zeitungen, Info-Broschüren etc.) geöffnet ist. Da auch die Bioläden im Stadtteil El Rojito Kaffee im Sortiment haben, hält sich der Ladenverkauf in engen Grenzen. Die "Werbung" von El Rojito spricht für sich: "Wir verkaufen keinen Kaffee, sondern eine Idee. " Entscheidungsformen: Zweimal pro Woche finden Vollversammlungen statt, montags zu organisatorischen und donnerstags zu politischen Themen (z.B.:Was ist "Entwicklung"?)
Selbstverständnis: Information, internationale Solidarität und kollektives Arbeiten - Information über die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Nicaragua und über den Kaffeehandel, - Unterstützung von Basisgruppen oder /und selbstverwalteten Kooperativen und damit Befreiungsbewegungen durch Verkauf von direkt importiertem z.T. biologischem Kaffee aus Nicaragua und El Salvador; - Erfahrungen mit kollektiver Arbeit machen und gerade heute beweisen, daß "es" geht. Zum Beispiel El Salvador: Im traditionellen Kaffeehandel erhalten die PflückerInnen nur ca. 3% des Ladenpreises. Damit Kaffee zum wichtigsten Exportprodukt von El Salvador werden konnte, wurden seit Mitte des vorigen Jahrhunderts Hunderttausende von Kleinbauern vertrieben. Wer sich dagegen und gegen die Hungerlöhlne auf den Kaffeeplantagen wehrte, den ließen die Kaffeebarone von ihren Todesschwadronen und der Armee umbringen. Auch nach 1992, nach dem Friedensabkommen zwischen der Nationalen Befreiungsbewegung FMLN und der damaligen Regierung El Salvadors, haben sich die Hoffnungen der enteigneten, landlosen Bevölkerung nicht erfüllt. Nur wenige Kooperativen, denen es mit Unterstützung des FMLN gelang, Großgrundbesitzer zu vertreiben, sind heute legale EigentümerInnen ihres Landes. Die Handvoll Kaffeebarone, die 90 % des Kaffeeexpotes kontrollieren, weil sie die überwiegende Mehrzahl der Plantagen besitzen und die Verarbeitungsanlagen, Transportmittel, sowie Banken kontrollieren, gibt es weiterhin - ebenso wie mehrere Hunderttausend landlose Familien, die sich als SaisonarbeiterInnen in der Kaffeernte ihren Lebensunterhalt verdienen. Kaffeehandel und alternativer Kaffeehandel: Der Marktpreis von Kaffee richtet sich nicht nach dem Produktionsaufwand allein, sondern nach den Gesetzen des Weltkaffeemarktes. Auch das Kalkül der Kaffeekonzerne beeinflußt den Kaffeepreis. Der Großimporteur Neumann-Rothfoss (Er kontrolliert ca. 10% des Weltkaffeemarktes und hat Büros an allen wichtigen Umschlagsplätzen.) und die in der Bundesrepublik marktbeherrschenden Kaffeekonzerne Kraft-Jacobs-Suchard (im Besitz des Multi Philip Morris, zu dem auch HAG und ONKO gehören) Tschibo (mit Eduscho) und Aldi sind z.B. längjährige Geschäftspartner der salvadorianischen Kaffeebarone. Sie profitieren mit von den dortigen Bedingungen: extrem niedrig gehaltene Löhne und Verbot, sich auf dem Lande gewerkschaftlich zu organisieren. El Rojito hingegen läßt durch die MITKA GmbH importieren. In ihr sind 6 kleine alternative Kaffeehandels-Gruppen zusammengeschlossen. Die MITKA importiert ohne Zwischenhandel pro Jahr etwa 300 Tonnen Kaffee. El rojito verkauft davon etwa 100 Tonnen. Die MITKA schließt langfristige Verträge ab und garan-tiert einen festen Abnahmepreis, der 10 % über dem Weltmarktpreis liegt. Sie verkauft ohne Gewinn. Die Überschüsse fließen der Nicaragua- und El Salvador-Solidarität zu. Der kontrolliert ökologische Anbau wird gezielt gefördert. 40 bis 50 % sind schon "Organico". Ziel ist es, nur noch solchen Kaffee anpflanzen zu lassen. Kontrolle und Zertifizierung erfolgen durch eine eigenständige Organisation im Anbauland (im Fall von Nicaragua Cenipae, die mit einer deutschen EU-Kontrollstelle aus Göttingen zusammen-arbeitet), damit die Biokennzeichnungs-Verordnung der EU erfüllt werden kann. Um die Kooperativen vor den hohen Zinsen bei Bankkrediten zu schützen, bezahlt el rojito den Kaffee im Gegensatz zum sonstigen Kaffeehandel bereits vor der Lieferung. El Rojito kritisiert den "Transfair-Kaffee" (derzeit ca. 2 % des Kaffeeumsatzes in Deutschland, siehe auch den folgenden Artikel "Rentablere Gewinnspannen"). Obwohl die Rojitos bzw. die MITKA ebenso wie Transfair den Zwischenhandel umgehen, gibt es doch beträchtliche Unterschiede, die die alternativen Kaffeegruppen veranlassen, auf das Transfair-Siegel zu verzichten: * Ein höherer Einkaufspreis samt Zusatzspende wird in den Anbauländern gezielt zur Unterstützung von sozialen Basisbewegungen verwandt, denen an strukturellen Veränderungen im Kampf um Anbauflächen gelegen ist. * Was die Vermarktung angeht, lehnen sie eine Zusammenarbeit mit Kaffeekonzernen, die sich, wie z.B. Darboven und die Union-Rösterei, an Transfair ebenso beteiligen, wie die GEPA als kirchliche Handelsgruppe oder die Friedrich-Ebert-Stiftung der SPD. "Transfair offeriert auch für die großen, rein profitorientierten Kaffeekonzerne, die nicht das geringste Interesse an einer gerechten Weltwirtschaftsordnung haben, ein soziales Deckmäntelchen." (aus:"Wir über Transfair", steht auf jeder El Rojito-Kaffeepackung) Selbstkritik -
Eigentlich kann man den Deutschen gar nicht mehr Kaffee einflößen, als sie ohnehin schon konsumieren. Die Nachfrage nach El Rojito-Bio-Kaffee ist aber dennoch größer als das Angebot. "Wenn die Ernte schlecht ist, haben wir ein Problem." Einige früher fortschrittliche Leute arbeiten heute in etablierten Einrichtungen, Unternehmen etc. und setzen sich dort für El Rojito-Kaffee ein. So gibt es eine Reihe von Großabnehmern, wie Kliniken oder StudenInnenwerke. Für die Abnahmemenge ist das zwar von Vorteil, die aufwendige und kritische Produktgestaltung läuft aber leicht ins Leere.
Auch in Nicaragua scheint es zeitweise rückwärts zu gehen. Die FSLN ist zu einem Wahlverein geworden und hat ihre früher erfolgreichen Konzepte verspielt. El Rojito hat mit der LandarbeiterInnengewerkschaft gebrochen und will nur noch mit ProduzentInnen bzw. deren Vermarktungsorganisatio-nen zusammenarbeiten, die nach dem Kriteri-um der Selbstverwaltung wirtschaften. Ein intensiver Kontakt zu den ProduzentInnen vor Ort gestaltet sich immer schwieriger. Tenor: "Es wird mühsamer, aber ehrlicher." - Anna - Tel: 040 / 39 90 41 90
22763 Hamburg Tel.: 040 / 390 68 98 e-mail: EL_ROJITO@CL-HH.comlink.de zurück zu CONTRASTE -HAMBURG ========================================================================= |