Aus CONTRASTE Nr. 176: Schwerpunkt Teil 1

HAGEN 4

Mit Geduld und Ausdauer

... die werden benötigt von der Idee beziehungsweise

dem Traum - denn viele verbinden damit auch ein

Idealbild und hohe Erwartungen - bis zur wirklichen

Realisation eines gemeinschaftlichen Wohnprojektes.

Auf dem ehemaligen Hof des Bauern Rathjen in

Hagen-Grinden - landschaftlich schön in der

Wesermarsch gelegen - ist diese Realität jetzt ein

Stück weit verwirklicht. Die ersten Mieter des

Projektes sind eingezogen.

 

Redaktion Bremen / Birgit Ahlswe - Es begann in der

Finkenburg, wo Fünf der jetzigen beziehungsweise zukünftigen

Bewohner des ehemaligen Hof Rathjen ihre ersten

Erfahrungen im Zusammenleben mit einer mehr oder

weniger bunten Gemeinschaft sammelten. Das war vor

Fünf Jahren. Einige hatten mittlerweile in Bremen gewohnt, so

wie Karin Hartrampf. Sie hat bereits verschiedene Wohnformen

kennengelernt. Auch das Leben in einer Kleinfamilie in der

Stadt. Ursprünglich kommt sie

aus einer großen Familie vom Land und bevorzugt diese

Lebensform der sozialen Gemeinschaft wegen. Die bietet

gegenseitigen Austausch, Anregung und Unterstützung im

Alltag. Sie zieht den Kontakt mit Menschen

dem abendlichen Fernsehkonsum vor. Dazu bietet eine

größere Gemeinschaft auf dem Lande einfach mehr

Möglichkeiten. Mehr Möglichkeiten für eine gemeinsame

Auseinandersetzung und auch die Erledigung der

notwendigen Arbeiten in Haus und Garten. Das ist

manchmal anstrengend aber auch spannend und lebendig.

 

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11 Menschen, 60 Rinder und ein Hund

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Dieser Hof ist das dritte Projekt der AllerWohnen e.G.

Diese regelt die Finanzierung durch externe Geldanleger,

staatliche Rendite und die Einnahmen der Mieten.

Die Wohnprojekte gründen einen Hausverein, der sich

eine Satzung gibt, um das Zusammenleben zu regeln

und kümmert sich um alle weiteren Angelegenheiten

selbst, wie Renovierung und Vermietung. Im ehemaligen

Rathjens Hof wohnen bis jetzt sieben Erwachsene

und drei Kinder. Hinzu kommen die sechzig Galloway-Rinder des

Landwirts Johannes Schettler und der Hofhund Topper. Bis zum

Jahre 2001 soll sich die Anzahl

der Bewohner auf zwanzig erhöhen - so viele Mieten

werden bis dahin zur Finanzierung benötigt.

"Die Organisation des Kaufes hat viel Kraft gekostet",

erzählt Karin Hartrampf. Ein Jahr lang haben sich

die Beteiligten damit befaßt. Prüfung der Umbau- und

Renovierungsmöglichkeiten, Bauanträge und Finanzierung. Die

Suche eines passenden Objektes war nicht einfach. Es sollte

ein bißchen Land dabei sein, eine gute Verkehrsanbindung

haben und vor allem mußte es die

Möglichkeit zum Ausbau von Wohnraum für zwanzig

Personen bieten. Im Oktober 1998 war der Kauf schließlich

perfekt. Mit dem Vorbesitzer wurde eine fließende

Räumung bis zum Herbst 2000 vereinbart. Inhaltliche

Überlegungen über die Gestaltung des Zusammenlebens waren im

voraus kaum möglich. Die müssen sich

jetzt in der Praxis ergeben.

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"Learning by doing"

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Die jetzigen Mieter sind im Alter zwischen 29 und 44 Jahren

und kommen aus den verschiedensten Berufen:

Landwirt, Pädagogen, Tischler, Hauswirtschaftlerin

und ein Politik-Wissenschaftler. Was alle gemeinsam

haben, ist das Ziel ökologisch zu wirtschaften. In den

Nebengebäuden sollen zwei weitere Wohneinheiten ökologisch

ausgebaut werden. Insgesamt wird es dann vier

Wohneinheiten geben. Langfristig gibt es Überlegungen

zur Ansiedlung ökologisch wirtschaftender Betriebe, wie

einen Hofladen und einen Verarbeitungsbetrieb für

Nahrungsmittel. Auch eine Werkstatt wäre möglich. Die

Umbau- und

Renovierungsarbeiten werden zum größten

Teil selbst ausgeführt. Handwerkliches Geschick ist da

schon gefragt. Aber mit einer guten Portion Interesse

und der Bereitschaft zum "learning by doing" kommt

man irgendwann auch ans Ziel. Die Hofstelle existiert

bereits seit dem 17. Jahrhundert, und die jetzigen Mieter

sind die dreizehnten in der Besitzerfolge. Zu gegebener

Zeit werden sie ihre Hofstelle jedoch noch mit einer

weiteren, bereits eingesessenen Familie teilen: Ein

Storchenpaar nistet seit einigen Jahren in dem Horst hinter

dem Hof.