Demonstration gegen Rechts

    Saalfeld: Antifaschisten protestieren gegen Auflagenbescheid

Die Demonstration gegen rechte Gewalt am Samstag im thüringischen Saalfeld kann offenbar stattfinden. Ein Verbot sei bislang weder für diese noch für die am gleichen Tag geplante NPD-»Gegenveranstaltung« ausgesprochen worden, ließ die Landesarbeitsgemeinschaft Antifaschismus/Antirassismus wissen. Allerdings bekamen die Organisatoren der Saalfelder Antfia-Demo - ein »Bündnis gegen Rechts« aus antifaschistischen Gruppen, Parteien und Gewerkschaften - inzwischen einen Katalog mit teilweise saftigen Auflagen zugesandt.

Gerade in diesem Auflagenbescheid sehen die Veranstalter nun das eigentliche Sicherheitsrisiko. So verfügte das Landratsamt die Vorverlegung beider Aufmärsche auf 14 Uhr, was zwangsläufig zur »zeitlichen wie räumlichen Nähe« der Antifaschisten zu den Neonazis führen wird, vermuten die Organisatoren. Die Tatsache, daß beide Gruppen zeitgleich mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die thüringische Kreisstadt kommen werden, ermögliche Provokationen und Zusammenstöße. Insofern trage die Forderung des Landratsamtes »nicht zur vielbeschworenen Deeskalation, sondern zur Eskalation« bei. Wie ein Sprecher des Thüringer Innenministeriums am Donnerstag in Erfurt sagte, will die Thüringer Polizei mit einem Großaufgebot, unterstützt von Beamten aus allen benachbarten Bundesländern sowie vom Bundesgrenzschutz, präsent sein. Das »Bündnis gegen Rechts« hat inzwischen gegen die Auflagen der Behörden Rechtsmittel eingelegt. So ermögliche die Forderung, die Demonstranten sollten gefälligst in Marschblöcken von 50 Metern Länge und mit zehn Metern Abstand demonstrieren, »keine Demonstration, sondern allenfalls einen Gefangenenmarsch«, reagierten sie ärgerlich.

So weit scheint das Argument wohl nicht hergeholt zu sein. Am 11.Oktober 1997 hatte die Staatsmacht nämlich schon einmal einen - kurzerhand verbotenen - Versuch der Antifaschisten durch Polizeikräfte niederdrücken lassen. Jene, die die Nachricht von der kurzfristig verbotenen Demonstration zu spät erreichte, machten unfreiwillig Bekanntschaft mit der unnachgiebigen Härte der Staatsmächtigen. Als unverhältnismäßig bezeichneten seinerzeit Betroffene den Einsatz der Polizei, die junge, oberflächlich katalogisierte Leute schon nach deren Ankunft in oder auf den Wegen nach Saalfeld heraussortierte, um sie dann, wie Kriminelle eben, in einen baupolizeilich gesperrten, ehemaligen Knast bei Unterwellenborn zu verfrachten.

In der Öffentlichkeit wird das Thema Saalfeld bereits im Vorfeld der Demonstration hoch gehandelt. Befürworter wie Gegner halten sich - wenn man den Medien glauben darf - etwa die Waage. So beeilte sich die Junge Union Thüringen zu erklären, daß der Schutz der Bevölkerung »vor rechten und linken Chaoten« oberste Priorität haben müsse. Nur ein »deutliches und energisches Vorgehen der Polizei« könne verhindern, daß sich Thüringen wegen seiner zentralen Lage »zum Mittelpunkt des Demonstrationstourismus« entwickeln werde, ließ der CDU-Nachwuchs per Pressemitteilung wissen.

Nicht minder agitatorisch aktiv waren die Kreisvorstände von CDU, SPD und FDP. Sie übergaben am Mittwoch rund 2500 Unterschriften, die sich gegen die Genehmigung beider Saalfelder Demonstrationen richten. Das parteipolitische Zweckbündnis äußerte die Befürchtung, daß linke wie rechte Kundgebungsteilnehmer Saalfeld »zum Austragungsort ihrer politischen Leitbilder machen wollen« und daher Krawalle nicht auszuschließen seien.

An Propagandaaktionen der SED am Anfang der 60er Jahre sah sich der Vizepräsident des Thüringer Landtages und parteilose PDS-Abgeordnete Roland Hahnemann erinnert. Die Tatsache nämlich, daß die drei Parteien bei ihrer Unterschriftensammlung auch nicht vor den Klassenzimmern der Saalfelder Schulen gestoppt hätten, rieche seiner Auffassung nach klar nach »parteiegoistischen Interessen«. Man wolle bei Kindern den Eindruck erwecken, als seien »die PDS, Bündnis 90/Die Grünen und Gewerkschaften politische Vereinigungen, von denen zu gewalttätigen Aktionen aufgerufen wird«. Schulamtsleiter wie Lehrer, die sich »eifrig in den Dienst der genannten Parteien stellen«, verstoßen nach Meinung von Hahnemann gegen geltendes Thüringer Recht.

Sebastian Heiligstedt
Junge Welt, 13.03.1998

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