Nr. 18 Februar/März 2000  Rechtshilfeverein AZADI

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"Inhumane Praxis des Verfassungsschutzes sofort beenden"

Wir möchten nachfolgend die beiden Fälle von Anwerbeversuchen ausführlich dokumentieren, weil sie so oder ähnlich verlaufen. Was sich auf der Ebene der Zusammenarbeit zwischen BND und MIT abspielt, findet seine Parallele in der menschenverachtenden Praxis deutscher Staatsschutzbeamten, die sich vorzugsweise gerade an junge kurdische AsylbewerberInnen heranmachen, weil sie glauben, mit ihnen leichtes Spiel zu haben.

"Nachdem bereits Ende des vergangenen Jahres bekannt geworden ist, dass die Thüringer Polizei junge Menschen dazu bewegen will, über antifaschistische Strukturen in Thüringen bereitwillig Auskunft zu geben, ist nun ein neuer Fall bekannt geworden. Mehrere Kurden sind von Beamten - offenbar des Bundesamtes für Verfassungsschutz - auf der Straße, zu Hause und telefonisch aufgefordert worden, mit ihnen zusammen zu arbeiten. Dabei stellten sie eine Asylanerkennung und Geld in Aussicht, anderenfalls müssten sie mit ihrer Abschiebung rechnen." Der innenpolitische Sprecher der PDS-Landtagsfraktion, Steffen Dittes, kritisierte diese "menschenverachtende Anwerbepraxis des Verfassungsschutzes" in einer Pressekonferenz am 16. Februar. Hierbei legte er die Gedächtnisprotokolle von zwei kurdischen Asylbewerbern der Presse vor.

Naim T. erklärt: "Vor etwa drei Monaten wurde ich in Erfurt in einer Seitenstraße der Magdeburger Allee angehalten und von mehreren Menschen angesprochen, die sich als Vertreter des Verfassungsschutzes vorstellten. Einer von ihnen sagte mir, dass sie sich mit mir unterhalten möchten und mich am selben Tag um 18 Uhr an diesem Ort erwarten. Ich sagte, dass ich kommen würde und fuhr weiter. Ich habe mir dann Gedanken darüber gemacht, wer diese Menschen eigentlich sind und warum sie mit mir reden wollten.
Ich habe dann entschieden, nicht hin zu gehen und habe meinem Freund Keskin von dem Treffen erzählt. Mehrmals am Tag wurde ich noch angerufen. Sie haben versucht, mich unter Druck zu setzen: z.B. wenn ich mich mit den Leuten treffen würde, bekomme ich Geld und meine Papiere würden in Ordnung gebracht, ich bekäme eine Aufenthaltsgestattung. Wenn nicht, könne ich nicht in der BRD bleiben, dann würde ich abgeschoben werden (...).

Ekinci berichtet: "Zwei Tage später hatte ich ein ähnliches Treffen. Ich bin zwischen 6 und 8 Uhr am Bahnhof aus der Straßenbahn gestiegen und wollte eine Zeitung kaufen. Gleichzeitig mit mir sind drei Leute aus der Straßenbahn ausgestiegen und haben mich angesprochen, ob ich Zeit hätte. Ich dachte, sie seien vom Jugendamt und sagte Ja. Bis dahin wusste ich noch nichts von dem Treffen dieser Leute mit Naim T. Wir gingen in ein Cafe. Sie sagten, sie würden sich gerne über die Kurden informieren. Ich sagte, dies sei kein Problem. Ein Dolmetscher war dabei. Er versuchte immer etwas über die PKK zu erfragen. Ich sagte ihm, dass ich keine PKK vertrete und sie sollen mit jemandem anderes reden. Dann habe ich das Cafe verlassen. Zum Schluss sagten sie mir, dass sie sich nochmals mit mir treffen wollten und anrufen würden. Ein Mann sagte, er würde sich dabei als Mustafa vorstellen. Am Nachmittag ging ich nach Hause und zwei dieser Menschen stehen vor der Tür (dabei auch der Dolmetscher). Ich wollte nicht mehr mit ihnen reden, aber sie versuchten, mich unter Druck zu setzen und deshalb stieg ich mit ins Auto, was sie über Telefon gerufen hatten. Wir fuhren etwa eine halbe Stunde ziellos. Sie haben versucht, über die PKK Informationen zu erhalten. Was in Erfurt mit Erpressungen geschehen sei u.a. Am Vormittag des 28. 1. sind die Leute bei mir zu Hause gewesen. Sie sagten wieder, wenn ich mitmache, bekomme ich Geld und mein Asyl. Sie fragen nach dem kurdischen Verein: wer im Vorstand sei, wie viele Leute dort arbeiten würden und mit wem der Verein zusammen arbeitet usw. Ich habe nichts gesagt. Zum Schluss meinten sie, wenn in Erfurt etwas passieren würde, dass sie mich kennen und sie würden mich und meine Familie kaputt machen. (...)
Am Nachmittag des selben Tages wurde in Gera ein Freund von uns von Leuten zu Hause besucht und ihm wurden die gleichen Fragen gestellt. Er hat alle Gespräche abgelehnt. Deswegen wurde er auch erpresst und beleidigt. Seine Frau, die Dolmetscherin ist, hat aus dem Ausweis, den sie vorgezeigt hatten, einen Namen erkennen können."

Der Präsident des Verfassungsschutzes Thüringen, Helmut Roewer, hat die Angaben der beiden Kurden bestätigt und die Auffassung vertreten, dass die Behörde zur Ausspähung der PKK auf solche Kontakte nicht verzichten könne. Aus einer Antwort des Innenministeriums Thüringen vom 19.1. auf eine Anfrage der PDS über den Einsatz von V-Leuten bei der Polizei, geht hervor, dass es für den Zeitraum von 1996 bis 1999 insgesamt 37 Einsätze gegeben hat. Im selben Zeitraum hätten sich sieben Personen selbst für Spitzeltätigkeiten angeboten. Eingesetzte Personen seien insgesamt mit rund 15.500 DM vergütet worden. Dass hierbei auch vorher Straffällige als Vertrauensleute eingesetzt würden, bestätigt das Ministerium. Die PDS-Landtagsfraktion Thüringen hatte in der vergangenen Legislaturperiode die Auflösung des Verfassungsschutzes gefordert; CDU und SPD stimmten dagegen.

Flucht vor Staatsschutz

Hanifi A. aus Stuttgart wurde unter Druck gesetzt, Informationen über kurdische Strukturen zu geben. Er hatte früher in Passau gelebt, war dort wegen angeblicher Kontakte zur PKK mehrfach festgenommen und unter Druck gesetzt worden. Deshalb zog er nach Ulm, wo er von 1996 bis 1997 Mitglied des Mezopotamien Kulturvereins war. Weil der Druck dort nicht nachließ, zog er nach Stuttgart. Er beteiligte sich im Februar 1999 auch an den Protestaktionen gegen die Verschleppung Abdullah Öcalans. "Eines Tages klingelte es an meiner Tür. Sie sagten mir, dass sie vom ‚Menschenrechts-verein Köln' kämen. Sie stellten mir Fragen über die PKK, die kurdische Frage und Abdullah Öcalan, die ich ihnen auch beantwortete. Nach knapp einem Monat kamen dieselben Personen wieder zu mir. Da ich ihnen gegenüber misstrauisch war, zeigten sie mir ihre Ausweise. Sie sagten, sie würden mich sehr gut kennen, und sie wollten von mir allgemeine und konkrete Informationen über den Mezopotamien Kulturverein in Ulm. Als Gegenleistung wollten sie meinen Bankkredit bezahlen." Gegenwärtig wird Hanifi A. observiert; vom Amtsgericht Ansbach ist gegen ihn ein Verfahren eröffnet worden, das die Ausweisung oder eine hohe Geldstrafe zur Folge haben könnte. Er will sich aber gegen den Druck zur Wehr setzen. (Azadi/Özgür Politika, 29.1.2000) Flucht vor Staatsschutz Hanifi A. aus Stuttgart wurde unter Druck gesetzt, Informationen über kurdische Strukturen zu geben. Er hatte früher in Passau gelebt, war dort wegen angeblicher Kontakte zur PKK mehrfach festgenommen und unter Druck gesetzt worden. Deshalb zog er nach Ulm, wo er von 1996 bis 1997 Mitglied des Mezopotamien Kulturvereins war. Weil der Druck dort nicht nachließ, zog er nach Stuttgart. Er beteiligte sich im Februar 1999 auch an den Protestaktionen gegen die Verschleppung Abdullah Öcalans. "Eines Tages klingelte es an meiner Tür. Sie sagten mir, dass sie vom ‚Menschenrechts-verein Köln' kämen. Sie stellten mir Fragen über die PKK, die kurdische Frage und Abdullah Öcalan, die ich ihnen auch beantwortete. Nach knapp einem Monat kamen dieselben Personen wieder zu mir. Da ich ihnen gegenüber misstrauisch war, zeigten sie mir ihre Ausweise. Sie sagten, sie würden mich sehr gut kennen, und sie wollten von mir allgemeine und konkrete Informationen über den Mezopotamien Kulturverein in Ulm. Als Gegenleistung wollten sie meinen Bankkredit bezahlen." Gegenwärtig wird Hanifi A. observiert; vom Amtsgericht Ansbach ist gegen ihn ein Verfahren eröffnet worden, das die Ausweisung oder eine hohe Geldstrafe zur Folge haben könnte. Er will sich aber gegen den Druck zur Wehr setzen.

(Azadi/Özgür Politika, 29.1.2000)

Durchsucht und Anwerbung versucht

Das LKA durchsuchte die Wohnung von Filiz Ayhan Recber, die im November vergangenen Jahres PDS-Landtagskandidatin in Stuttgart war. Es wurden Unterlagen beschlagnahmt; zudem wurde sie aufgefordert, als Spitzel für die Polizei zu arbeiten. Sie musste sich einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterziehen.

(AZADI/Özgür Politika, 24.2.2000)

Einsatz von V-Leuten illegal

"V-Leute, die der Polizei Informationen zutragen, handeln derzeit im rechtsfreien Raum. Dies hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seiner gestrigen Entscheidung festgestellt", meldet die taz vom 25. März 2000. Der Hintergrund war, dass die Polizei bei Ermittlungen zwei V-Leute auf eine bestimmte Person angesetzt hatte, um an Details zu gelangen, die zur Überführung eines Täters beitragen sollten. Die Aussagen der V-Leute wurden im Prozess verwendet. Darin sah das Bundesverfassungsgericht - im Gegensatz zum Bundesgerichtshof - einen "Verstoß gegen das Prinzip eines fairen Verfahrens", weil es keine gesetzliche Grundlagen für derartige Ermittlungspraktiken gibt. (Az.: 2 BvR 2017/94)