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Nr. 17 November 1999 bis Januar 2000  Rechtshilfeverein AZADI

rechtshilfeverein

informationen 


Neues Recht ab Januar 2000

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden kam mehr als die Hälfte der 1998 eingebürgerten AusländerInnen aus der Türkei (etwa 60 000 oder 56 Prozent). Etwa vier der rund 7,3 Millionen AusländerInnen leben bereits mehr als acht Jahre in Deutschland. Die Eltern von 700 000 in der Bundesrepublik geborenen Kinder unter 10 Jahren können einen Antrag auf die deutsche Staatsangehörigkeit stellen. Nach der ab 1. Januar 2000 geltenden Regelung besteht die Möglichkeit zur Einbürgerung nach acht Jahren Aufenthalt in Deutschland; bisher waren es 15 Jahre. (AZADI/AFP, 23.11.99) Für das Jahr 2000 rechnet die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck, mit mindestens 550 000 Anträgen auf Einbürgerung. Alle in Deutschland geborenen Kinder werden mit Geburt Deutsche, wenn ein Elternteil seit mindestens acht Jahren in der BRD lebt. Bis zum 23. Lebensjahr können sich die Betroffenen für den deutschen oder einen ausländischen Pass entscheiden. Die Berliner Grünen, der Türkische Bund Berlin und die Ausländerbeauftragte Beck, sprechen sich gegen eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz und gegen schriftliche Sprachtests bei der Einbürgerung aus. (AZADI/ND/JW, 3., 5., 7.11.99)

EU braucht Einwanderer

Die Abteilung für Bevölkerungsfragen der Vereinten Nationen rät der EU in einer Studie, im kommenden Vierteljahrhundert 35 Millionen Menschen aus anderen Weltgegenden aufzunehmen, um die Zahl ihrer berufsfähigen Bevölkerung aufrecht erhalten zu können. Für Deutschland errechneten die Experten einen "Bedarf" von einer halben Million Einwanderer. (AZADI/FR, 12.1.2000)

Deutschland macht die Grenzen dicht(er)

Laut einer europäischen Asylstatistik, die das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) für das Jahr 1999 vorgelegt hat, nimmt Deutschland im Vergleich nur noch 28 Prozent der Flüchtlinge auf; im Vorjahr waren es noch 33 und vor zwei Jahren 42 Prozent. Damit dürfte die Bundesrepublik als Aufnahmeland nicht einmal mehr den neunten Platz innerhalb der EU einnehmen. Weit vor ihr liegen die beiden kleineren EU-Staaten Niederlande und Belgien. (AZADI/FR, 7.1.2000) Aus Furcht vor illegaler Einwanderung führen ab dem 10.1.2000 Belgien und Luxemburg für einige Wochen wieder Kontrollen an ihren Außengrenzen ein und setzen damit die Schengen-Vereinbarungen von 1995 über den Abbau der Personenkontrollen außer Kraft. Diese Maßnahme soll in Zusammenarbeit mit deutschen, niederländischen und französischen Polizeibehörden stattfinden. Besonders betroffen sind hierbei Auto- und Zugreisende. Hintergrund dieses Vorgehens ist die Absicht Belgiens, einen Teil der dort lebenden Ausländer zu legalisieren und zu verhindern, dass während dessen neue illegale Einwanderer ins Land kommen. Menschenrechtsgruppen kritisierten die Sonderregelung, weil sie den Eindruck erwecke, als ob "unmittelbar eine Fremdeninvasion" bevorstehe. (AZADI/taz/Berl. Zeitung, 10.1.2000)

Griechenland jetzt auch Schengenland

Nachdem sich Griechenland seit Jahren darum bemüht hat, in den Kreis der Schengen-Anwenderstaaten aufgenommen zu werden, ist das Land seit Januar 2000 auch dabei. Als erstes sind im Fährverkehr mit Italien die Kontrollen abgeschafft und ab 26. März mit Beginn des Sommerfahrplans werden auch Flugpassagiere in alle EU-Staaten - außer Großbritannien, Irland und den skandinavischen Ländern - wie Inlands-Reisende behandelt. Die Polizeibehörden der Partnerländer sehen diese Liberalisierung nicht gerne, weil sie wieder einmal befürchten, dass massenhaft Illegale vornehmlich aus der Kurdenregion Nordiraks, aus Asien und Afrika nach Europa einfallen. Insbesondere Deutschland fordert von Griechenland effektivere Kontrollen an Griechenlands Außengrenzen. (AZADI/FR, 4.1.2000)

Rassismus in Europa Besorgnis erregend

Die "Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" stellt in ihrem Jahresbericht 1998 für die gesamte EU einen Anstieg von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit fest, der sich vor allem in "neuen versteckten Formen" äußert. Beunruhigend sei vor allem "die Gleichgültigkeit der Allgemeinbevölkerung" und die Diskriminierung, die "auch auf institutioneller Ebene erst möglich gemacht wird". Der Interkulturelle Rat in Deutschland kritisiert in diesem Zusammenhang verschiedene Äußerungen des SPD-Innenministers Schily und ist der Ansicht, dass in Deutschland ein Jahr nach dem Regierungswechsel die Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit "um zehn Jahre zurückgeworfen" sei. (AZADI/epd, 14.12.99)

Alltagsrassismus

"Ich kann den Vorfall nicht vergessen. Wir drei sind hier in Deutschland aufgewachsen und zum ersten Mal hatten wir mit Leuten zu tun, die uns gegenüber einen solchen Ausländerhass gezeigt haben und sich so unverschämt gegenüber uns und den anderen Menschen, die dort saßen, verhalten haben." Bei Erledigungen in der Außenstelle Bielefeld des Bundesamtes für die Anerkennung von Flüchtlingen, wurden zwei Kurdinnen und ein Kurde von einem Beamten beschimpft und zurechtgewiesen: "Ich lasse mir als Deutscher mein Land durch euch nicht kaputtmachen. Wenn ich möchte, schmeisse ich euch raus. Ich bin hier das Gesetz." (AZADI und die 3 KurdInnen)

Aachener Friedenspreis ohne Aachen

Die Stadt Aachen tritt auf Betreiben der CDU/FDP-Mehrheit aus dem Verein Aachener Friedenspreis aus, der seit 1989 Menschen und Organisationen auszeichnet, die sich für die Verständigung der Völker "von unten" einsetzen. Zu den PreisträgerInnen gehört u.a. auch die vom türkischen Staatssicherheitsgericht zu 15 Jahren Haft verurteilte und seit 1994 inhaftierte kurdische Parlamentarierin Leyla Zana. Sie erhielt den Preis 1995. (AZADI/ General-Anzeiger, 11.12.99)

Arbeit statt Sozialhilfe

Der Innenminister von Schleswig-Holstein, Ekkehard Wienholtz, setzt sich dafür ein, dass das Arbeitsverbot für Flüchtlinge fallen soll. Dieses gilt derzeit für alle, die nach dem 15. Mai 1997 in die BRD eingereist sind. Wienholtz kritisiert, dass diese Menschen gegenwärtig keine Möglichkeit haben, ihren Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen zu bestreiten und statt dessen von Sozialhilfe abhängig gemacht werden. (AZADI/FR, 27.10.99) Die Hamburger Ausländerbeauftragte Ursula Neumann wie die Mehrheit ihrer KollegInnen in den Ländern schlossen sich dieser Forderung an. Der Sprecher von Pro Asyl bezeichnete das Vorhaben als "sehr positiv". (AZADI/JW, 30.12.99) Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, D. Wiefelspütz, kündigt eine Lockerung des Arbeitsverbotes an. Es werde ein Kompromiss vorgelegt, wonach Flüchtlinge nach einer Wartezeit zwischen 12 und 18 Monaten eine Arbeit aufnehmen können sollen. (AZADI/ND, 6.1.2000) Die Arbeitslosenquote der Ausländer in Deutschland ist fast doppelt so hoch wie die Erwerblosenquote insgesamt. Sie liegt bei 18,4 Prozent und liegt in der gesamten BRD auf dem gleichen Niveau wie die Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland. Darauf verweist das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. (AZADI/JW, 13.1.2000)

Schily für Demontage des Asylrechts

SPD-Bundesinnenminister Otto Schily bezeichnet es als "Illusion", dass das deutsche Asylrecht vor dem Hintergrund einer EU-Harmonisierung eine Zukunft haben könne und plädiert so für die totale Abschaffung dieses Grundrechts. Ihm schwebt dagegen eine unabhängige Institution vor, die nicht mehr primär nach juristischen Kriterien Asylanträge prüfen soll. Die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Menschenrechte, Claudia Roth, kritisiert Schily's Vorstoß als Gnadenrecht und erklärt u.a.: "Ein Gnadenrecht löst sich von rechtlichen Bindungen und entzieht sich internationalen Verpflichtungen." Doch selbst der Sondergipfel der EU in Tampere/Finnland bekannte sich im Oktober in Bezug auf ein gemeinsames Asylsystem erstmalig dazu, die Genfer Flüchtlingskonvention "uneingeschränkt und allumfassend" anzuerkennen und in die Praxis umzusetzen. (AZADI/taz, FR, 30.10./19.11.99) Der niedersächsische Innenminister Bartling signalisiert wie sein Bundeskollege Bereitschaft, das Grundrecht auf Asyl auf dem Altar der europäischen Harmonisierung zu opfern. (yahoo, 14.12.99)

Fingerabdruck von allen

Das EU-Parlament in Straßburg stimmte für eine Vorlage der EU-Kommission zur Harmonisierung der Ein- wanderungspolitik. Demnach müssen sich in Zukunft alle AsylbewerberInnen bei Antragstellung einen Fingerabdruck ("Eurodac") abnehmen lassen. (AZADI/taz, 19.11.99)

"Blamable Scheinlösung"

Die Konferenz der Länderinnenminister beschließen eine Regelung zu den sog. Asyl-Altfällen. Hierbei geht es um Menschen, die nach Deutschland flohen und bisher hier kein Asyl erhielten. Der Kompromiss sieht bestimmte Stichdaten vor: Familien mit minderjährigen Kindern erhalten eine befristete Aufenthaltsbefugnis, wenn sie vor dem 1. Juli 1993 in die BRD eingereist sind, und für allein stehende und kinderlose Flüchtlinge gilt der 1. Januar 1990. Die Hürden: Die Betroffenen müssen einen Arbeitsplatz haben und ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten. Was besonders zynisch ist, weil geduldete AsylbewerberInnen von den Arbeitsämtern in der Regel gar keine Arbeitserlaubnis erhalten. Pro Asyl nennt den Kompromissentwurf eine "unzureichende, engherzige und blamable Scheinlösung". Der Vorsitzende der rechtsextremen "Republikaner", Rolf Schlierer, hingegen begrüßt vor allem Schily's Äußerungen zur Asylpolitik. (AZADI/FR, ND, taz 18.-20.11.99) Der hessische Landesverband des Diakonischen Werkes und andere caritative Einrichtungen kritisierten die Altfallregelung als "nicht ausreichend", vor allem für traumatisierte Kriegsflüchtlinge oder alleinreisende Minderjährige. Betreuer von AsylbewerberInnen und RechtsanwältInnen sind davon überzeugt, dass es viele Menschen geben wird, "deren Hoffnung am Ende enttäuscht wird." Die Flüchtlingsberaterin Christel Krummeich-Dural spricht davon, dass in den ersten Wochen nach Inkrafttreten ein "großes Durcheinander" herrsche. (AZADI/FR, 8.1.2000)

Wandel in der Asylpolitik verlangt

Der SPD-Parteitag hat gegen die Stimme von Bundeskanzler Schröder einen grundlegenden Wandel der Asylpolitik gefordert. Scharf angegriffen wurden die Äußerungen von Bundesinnenminister Schily, der behauptet hatte, lediglich drei Prozent aller AsylbewerberInnen seien asylwürdig und der Rest Wirtschaftsflüchtlinge. "Der muss jetzt beweisen, dass er auch ein Reaktionär ist", war u.a. zu hören. In Beschlüssen wird gefordert, die kürzlich beschlossene Altfallregelung auf einen größeren Personenkreis auszuweiten, indem auf Bedingungen wie eigene Mietwohnung und Sozialhilfeempfang verzichtet werden soll. Desweiteren soll das Ausländergesetz in Einklang mit der Genfer Flüchtlingskonvention gebracht werden. Menschen, die nicht von staatlicher Seite verfolgt werden, sollen demnach ebenfalls einen Flüchtlingspass erhalten. "Unsichere Herkunftsländer" sollen ins Asylverfahrensgesetz aufgenommen werden. Die Bundesregierung wird aufgefordert, die UN-Kinderschutzkonvention zu ratifizieren, das Flughafen- verfahren außer Kraft zu setzen, das Amt des Bundes- beauftragten für Asylangelegenheiten abzuschaffen, Berufungen gegen Urteile im Asylverfahren zuzulassen und die jüngsten Verschärfungen des Asylbewerberleistungs-gesetzes rückgängig zu machen. (AZADI/ FR/ND, 10.12.99)

Schily in der Türkei

"In einer freundschaftlichen und offenen Atmosphäre" fand laut Presseverlautbarung des Bundesinnenministeriums ein zweitägiger Besuch von Otto Schily in der Türkei statt. Er hob dabei "die traditionell guten Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland" hervor und betonte, dass es "das Bemühen der Bundesregierung" sei, die "Beziehungen auf politischem und wirtschaftlichem Gebiet weiter auszubauen". Schily befürwortete den Status der Türkei als EU-Beitrittskandidat, forderte aber gleichzeitig "eine strikte Einhaltung der Menschenrechte" . (AZADI/Erklärung Bundesministerium des Innern, 9.11.99)

Türkei EU-Beitrittskandidat

Die Staats- und Regierungschefs der 15 EU-Länder haben am 10.12.99 in Helsinki u.a. der Türkei den "Kandidatenstatus" für einen EU-Beitritt zugestanden, der allerdings mit einigen Auflagen verbunden ist. Zu den Bedingungen gehören politische und wirtschaftliche Reformen und der "politische Dialog" mit der EU über Menschenrechtsfragen, eine Beendigung der Grenzkonflikte in der Ägäis sowie eine konstruktive Lösung der Auseinandersetzungen um Zypern. Auch der inhaftierte PKK-Vorsitzende Abdullah Öcalan hatte sich für den Kandidatenstatus der Türkei ausgesprochen und geäußert, dass eine solche Entwicklung für die Türkei und Europa nützlich sein würde. Nach dem Beschluss des EU-Gipfels, die Türkei als Beitrittskandidat zu akzeptieren, warnte der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Gerd Poppe, vor einer Vollstreckung des Todesurteils gegen den PKK-Vorsitzenden Öcalan. Die CSU sprach von einer "krassen Fehlentscheidung" und einer notwendigen Diskussion über geografische Grenzen der EU. Europapolitiker der SPD wandten sich gegen einen baldigen EU-Beitritt der Türkei. (AZADI/FR/ND/Junge Welt, 10.-13.12.99)

20 000x "Ausländer raus"

Weil der Berliner CDU-Innensenator Werthebach festgestellt hat, dass es "erhebliche Defizite mit der Integration hier rechtmäßig lebender Ausländer" gebe, hat er sich für das Jahr 2000 eine "konsequente Rückführung" von mehr als 20 000 Menschen vorgenommen. Dem Berliner "Tagesspiegel" gegenüber erklärte Werthebach "ausreisepflichtige Ausländer, Bürgerkriegsflüchtlinge und abgelehnte Asylbewerber" zum Ziel seines Vorhabens. (AZADI/JW, 24.12.99)