Die „Anti-Terror-Pakete" der rot-grünen Bundesregierung
sind ein besonderes, vorweihnachtliches Geschenk.Ein Geschenk, das sich die Regierung selber gemacht hat. Denn: alle Maßnahmen zur „inneren Sicherheit", die jetzt beschlossen sind, wurden bereits vor den Anschlägen in den USA von bundesdeutschen Politikern, und beileibe nicht nur in den Reihen der Union, diskutiert. Alles, was fehlte war ein Anlass, der Bevölkerung die Notwendigkeit dieser Gesetzesverschärfungen weiszumachen. Allen Gedenkfeiern zum Hohn wurden die Opfer der Flugzeugattentate schlichtweg missbraucht, um Deutschlands Reise in den Überwachungsstaat eine Station weiter zu bringen.
Drei Punkte kennzeichnen die Maßnahmen:
1. Sie haben nur einen minimalen Effekt gegen tatsächliche terroristische Aktivitäten:
Beispiel Rasterfahdnung. Sie wurde schon zu RAF-Zeiten angewandt. „Ins Netz gegangen" ist lediglich ein mutmaßliches RAF-Mitglied, Zehntausende völlig unbeteiligte Menschen wurden zuvor aber Bespitzelungsobjekt der Behörden; Beispiel finanzielle Stärkung der „Sicherheits"behörden: Welche Wirkung bspw. gegen Bin Laden sollen zusätzliche Patroullienboote des BGS oder modernste Hubschrauber haben? Wie will die Berliner Bereitschaftspolizei Flugzeugentführungen oder Bombenattentate mit zusätzlichem Pfefferspray (finanziert aus den zusätzliche 3 Mrd. DM zur „Terrorismusbekämpfung"...!) verhindern? Beispiel Datenschutz: Wirkliche Terroristen plaudern nicht arglos am Telefon über geplante Anschläge. Sie haben es schon in der Vergangenheit verstanden, sich codiert zu verständigen. Opfer der erweiterten Spitzeltätigkeit der Behörden sind dagegen gerade die Menschen in Deutschland, die nicht von vorn herein kriminelle Machenschaften auf hohem Niveau vorhaben.
2. Sie kehren jedes rechtsstaatliche Verständnis in das Gegenteil um: Zum einen:
Galt bislang, dass jemand unschuldig ist, solange ihm nicht die Schuld nachgewiesen ist, gilt jetzt das Gegenteil, besonders bei AusländerInnen: Durch Fingerabdruck im Pass, Rasterfahndung, erweiterte Kontroll-, Datenaustausch- und Observierungsbefugnisse der Behörden geraten alle Menschen in einen Generalverdacht. Die Befugnisse der Behörden und die Datenerfassung bei Ausländern sind noch drastischer, als bei Deutschen.
Zum anderen: Aus den Erfahrungen mit der GESTAPO heraus wurde im Grundgesetz a) die strikte Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten und b) der föderale Charakter der Polizei („Polizeiangelegenheiten sind Ländersache") festgelegt. Durch die erweiterte Zusammenarbeit (insbesondere Datenaustausch) der Polizeibehörden mit den Geheimdiensten und die erweiterten Befugnisse von BKA (zentraler Kriminalpolizei) und BGS (faktisch eine Bundes-Bereitschaftspolizei, zum Teil kaserniert) werden zwei wichtige Gedanken des Grundgesetzes untergraben.
3. Die Observierungs- und Repressionsmöglichkeiten des Staates im Inland und nun auch in Richtung Ausland (§129 b – terroristische Gruppen, die es in der BRD gar nicht gibt, können dennoch von BRD-Behörden verfolgt werden!) waren nie zuvor in der Geschichte der BRD so umfassend. Parallel zur neuen internationalen Rolle der BRD als einer auch militärisch tätigen Großmacht, vollzieht sich eine Aufrüstung im Inneren. Die in der BRD lebenden Menschen können nicht mehr kontrollieren, welche ihrer Daten von welchen Behörden erfasst und ausgewertet werden. Dass diese riesige Datensammlung auch jede Möglichkeit des Missbrauches (entweder der Behörden selbst oder durch Dritte) eröffnet, liegt auf der Hand. Heiner Bartling (SPD) hat schon vorgeschlagen, dass bei allen, die im Raster „islamischer Fundamentalismus" hängen bleiben, Post und Telefon überwacht werden soll. Bei einer kürzlich erfolgten Überprüfung aller Studenten nach diesem Raster kam ein bemerkenswertes Ergebnis heraus: Zehn Prozent der Studierenden blieben im Raster hängen. Nebenbei: Merkmale eines islamistischen Terroristen sind laut Filter der Rasterfahndung u.a. finanzielle Unabhängigkeit, legaler Aufenthalt in Deutschland und keine Vorstrafen...
Das alles läuft unter dem Schlagwort der „Terrorismusbekämpfung". Tatsächlich aber ist die Festlegung, was terroristisch ist, völlig willkürlich. So blieben bislang Neonazis oder Waffenhändler vom Vorwurf des Terrorismus oder seiner Unterstützung verschont. AtomkraftgegnerInnen, die den Castor durch Sitzblockaden aufhielten, mussten sich hingegen schon von Unionspolitikern „terroristische Ambitionen" vorwerfen lassen.
Ein nur optionales Lichtlein am Ende des tiefschwarzen Tunnels
Als ob die jüngst beschlossenen Verschärfungen noch nicht reichen, wird in Politikerkreisen bereits die nächste Runde diskutiert: Helmut Wieczorek (SPD) möchte aus Abteilungen der Bundeswehr (für Radaraufklärung und Luftraumüberwachung), dem Katastrophenschutz und der GSG 9 eine „Art Nationalgarde" der BRD machen. UnionspolitikerInnen hätten gerne ein „deutsches FBI", also eine Polizei, die zentral Daten sammelt, auswertet und selbstständig Ermittlungen aufnehmen und Täter verfolgen darf. Wir sehen, die Herrschenden haben noch immer was auf Lager! Sowohl die Debatte, als auch die Beschlüsse haben keinerlei größeren Protest provoziert. Dieser Protest wäre zwar dringend notwendig (wenn er die Maßnahmen auch kaum stoppen dürfte), lässt sich aber nicht „auf Kommando" organisieren.
Einzige reale Möglichkeit, dem Überwachungsstaatszenario Widerstand entgegenzusetzen, wäre ein Aufgreifen des Themas durch die Anti-Globalisierungsbewegung - die mit Sicherheit Opfer der Schily-Pakete sein wird. Diese Bewegung hat internationale Strukturen (Schilys Maßnahmen bewegen sich im gleichen Rahmen), kann zur Zeit als einzige unabhängige Bewegung Aktionen mit Massencharakter durchführen und wird öffentlich beachtet, in Grenzen sogar respektiert.
Die wichtigsten, bereits beschlossenen Maßnahmen sind:1. Drei zusätzliche Milliarden im Haushaltsjahr 2002 für den Inlandsgeheimdienst Verfassungsschutz, den Auslandsgeheimdienst BND (Bundesnachrichtendienst), Generalbundesanwalt, Innenministerium, Bundeswehr und den Bundesgrenzschutz; zum größten Teil Personalkosten.
2. Änderung des Passgesetzes: Speicherung biometrischer Daten (Fingerabdruck, Gesichtsmerkmale) im Personalausweis.
3. Verstärkter Einsatz der Rasterfahndung: Dabei wird anhand bestimmter Daten bzw. Muster die Bevölkerung bzw. gesellschaftliche Gruppen „durchkämmt". Diese Maßnahmen stehen in direkter Verbindung mit dem Abbau des Datenschutzes.
4. Kompetenzerweiterung für das Bundeskriminalamt (BKA); das BKA wird in seiner Stellung gegenüber den Länderpolizeien unabhängiger, es kann jetzt in mehr Bereichen Ermittlungen aufnehmen, ohne dass eine konkrete Straftat vorliegt.
5. Erweiterte Befugnisse für den Bundesgrenzschutz: Der BGS wird immer mehr zu einer Bundespolizei.
6. Erweiterte Befugnisse für die Geheimdienste: MAD, BND und Verfassungsschutz sind in ihrer Daten-Sammelwut jetzt noch unbegrenzter; Die Überwachung von Telefon und Post wird für den Verfassungsschutz noch einfacher.
7. Änderung des Vereinsrechtes: Religiöse Vereine können leichter verboten werden.
8. Änderung des Asyl- und Ausländerrechtes: Personen, die lediglich im Verdacht stehen (ohne Beweis!), mit islamistischen Gruppierungen zu symphatisieren, dürfen nicht nach Deutschland einreisen bzw. müssen es wieder verlassen. Weiterhin werden automatisch Daten, wie Sprachmuster, Fingerabdrücke etc. aufgenommen und mit Datenbanken z.B. des BKA abgeglichen.
9. §129 b: Deutsche Behörden können terroristische Gruppen auch dann verfolgen, wenn diese Gruppen in der BRD nicht existieren.
10. Verringerter Datenschutz (in verschiedenen Gesetzen und Verordnungen): Ermittlungsbehörden können jetzt auf Dateisammlungen zugreifen, die ihnen vorher aus Datenschutzgründen verwehrt wurden.