In den Krieg marsch, marsch!

3.900 deutsche SoldatInnen sollen es werden, die beim Krieg gegen Afghanistan - und vermutlich andere Staaten - mitmischen dürfen. Ein erheblicher Teil dieser Truppen kommt aus Schleswig-Holstein. Das ABC-Abwehrbataillon 610 aus Albersdorf (Kreis Dithmarschen) wird sich mit dem Kriegsgerät Spürpanzer Fuchs beteiligen. Aus Kiel-Holtenau werden sich Hubschrauber des Marinefliegergeschwaders 5 an dem Marineverband beteiligen, der - so offizielle Dokumente - „östlich von Suez" zum Einsatz kommen soll. Zu den für den Kriegseinsatz auserkorenen Einheiten gehören auch fünf Minensuch-Boote und ein Versorgungsschiff aus Olpenitz bei Kappeln. Ihr Auftrag soll es sein, den Seeweg am Horn von Afrika zu kontrollieren. Schon Mitte November hatte der Staatsminister im Außenministerium, Christoph Zöpel, das nordostafrikanische Land Somalia als möglichen weiteren Einsatzort der Bundeswehr ins Spiel gebracht. Bereits im Einsatz ist das Lufttransportgeschwader 63 aus Hohn bei Rendsburg. Es beteiligt sich am Transport von Kriegsgütern von der US-Flugbasis Ramstein ins türkische Incirlik. Von dort wird das Material dann ins Kriegsgebiet geschafft. Von Incirlik aus haben in den letzten Jahren - öffentlich wenig beachtet - immer wieder britische und US-amerikanische Kampfbomber Angriffe auf den Irak geflogen. Sollte die sogenannte Anti-Terror-Allianz unter Führung der USA ihre Angriffe auf den Irak oder Somalia ausweiten - und in den USA wird dies mit Blick auf den Irak immer massiver gefordert und öffentlich diskutiert - dann wären deutsche Soldaten jedenfalls schon mal dicht dran. Erst recht, wenn es der Bundeswehr gelingen sollte, wie vorgesehen im somalischen Hafen Djibouti einen Stützpunkt für die Schiffe einzurichten.

Und allen aktuellen Dementis zum Trotz, dass so eine Ausweitung des Krieges mit deutscher Beteiligung nicht geplant sei, zeigt die Geschichte der imperialistischen Kriege, dass sich entsprechende Vorwände schnell (selbst) schaffen lassen. Zwar existiert eine Protokollnotiz der Bundesregierung, nach der nicht beabsichtigt sei, in Ländern außerhalb Afghanistans deutsche bewaffnete Streitkräfte ohne Befassung des Deutschen Bundestages einzusetzen, doch zum offiziellen Auftrag der Bundeswehr gehört auch die Jagd auf Kriegsverbrecher. Und dazu zählt die Bundesregierung Osama bin Laden allemal. Kein Wunder also, dass auf der omanischen Insel Massira rund 100 Soldaten des deutschen Kommandos Spezialkräfte mit entsprechenden Vorbereitungen beschäftigt sind.

„Flagge zeigen" mit der Deutschen Marine

1.800 der 3.900 SoldatInnen, die jetzt im Kriegseinsatz sind, gehören zur Marine. Diese heißt seit dem Anschluß der DDR nicht mehr Bundesmarine, sondern Deutsche Marine. Auch ihre Einsatzgrundsätze haben sich seitdem deutlich verändert. Für die politische Führung hat die Marine einen zentralen Stellenwert. Besonders herausgestellt werden die Vorteile der Seestreitkräfte, weil sie geeignet sind, „möglichst verzugslos den politischen Willen sowie die Bereitschaft und Fähigkeit zum (...) Handeln (zu) demonstrieren"1 , d.h. sie taugen als militärisches Druckmittel zur Aufrechterhaltung eines Weltwirtschaftssystems, das den multinationalen Konzerne und dem Norden nutzt. Deutlich formuliert dies Hans Lüssow, der Inspekteur der Deutschen Marine: „Der Erfolg Deutschlands (...) ist abhängig von der Wahrnehmung unserer Interessen durch gestalterische Einflußnahme auf internationale Institutionen und Prozesse. Unser Land unterstützt eine Weltordnung, die auf den Prinzipien des freien Handels und des Völkerrechts ruht. Diese Ordnung zu schützen, notfalls auch mit militärischen Mitteln, muß unser Interesse sein und bleiben." Und weiter: „Stärker noch als in den 80er Jahren sind unsere Streitkräfte heute ein Mittel deutscher Außen- und Sicherheitspolitik (...) Im Frieden und in der Krise eröffnen Seestreitkräfte als mobiles, rasch verfügbares und flexibel einsetzbares Mittel der politischen Führung eine Vielzahl von Optionen im Krisenmanagement."2  War der Operationsraum der Einheiten der Bundesmarine bis in die 80er Jahre auf die Nord- und Ostsee begrenzt, so ist „mit dem erweiterten Auftrag (...) die besondere Schwerpunktsetzung der deutschen Marine auf die Nordregion Europas entfallen."3 Flottillenadmiral Thomas Kempf: „So gesehen bedeutet die Abschaffung von künstlichen Grenzen im hoheitsfreien Raum der offenen See schließlich auch für die deutsche Marine seit ihrem Eintritt in das Bündnis ein weiteres Stück Normalität (...) Die alleinige Konzentration auf die Nordregion Europas gilt nicht mehr. Vielmehr ist die Marine gefordert und grundsätzlich in der Lage, überall dort eingesetzt zu werden, wo dies im Sicherheitsinteresse Deutschlands politisch als notwendig erachtet wird (...) Die geographische Priorität liegt auf Europa und seiner Peripherie, auf den drei Regionen Nordatlantik und Nordsee, Ostsee und dem Mittelmeerraum und darüber hinaus."4  Im Falle weit entfernter Einsätze orientiert die Marine logistisch auf die Einrichtung „nationaler Abstützpunkte (...) am Rande des jeweiligen Einsatzgebietes"5  sowie auf Flugplätze im Einsatzgebiet, da „wir" – wie bedauernd festgestellt wird – „für Seeluftstreitkräfte (...) keinen eigenen [Flugzeug]Träger besitzen."6 

Ohnehin verkündet die Marine immer wieder stolz, daß es Marineeinheiten waren, die die ersten Out-of-area-Einsätze der Bundeswehr durchgeführt haben7 , und bereits 1996 hatte die Bundesmarine 40% ihrer schwimmenden Einheiten im Stand der Krisenreaktionskräfte.8  „Seestreitkräfte sind immer die ersten Krisenreaktionskräfte (KRK), die in die Nähe von Krisengebieten oder Konfliktzonen verlegt werden (...) Sie sind Vorboten der Macht (...) Sie benötigen weder eine diplomatische Anmeldung noch Überfluggenehmigungen, sondern entfalten ihren Einfluß frei und in der Krise auch unbehindert."9  Mit dem im Sommer 1999 für das Mittelmeer aufgestellten ständigen maritimen NATO-Einsatzverband, an dem die Deutsche Marine ständig mit einem Schiff beteiligt sein wird, soll auch dort die Grundlage verbessert werden, „um damit im Falle rascher, krisenhafter Entwicklungen langwierige Abstimmungsverfahren zwischen den NATO-Kommandos und ihren Mitgliedsstaaten zu vermeiden".10 

Die Umrüstung der Deutschen Marine auf Schiffstypen und Einsatzgrundsätze weit ab der Heimathäfen ist Ausdruck der zunehmenden Verwendung deutschen Militärs als Instrument imperialistischer Außenpolitik. Für Vertreter der Deutschen Marine ist damit auch eine „Neubewertung von Rolle und Umfang der Marine im Gesamtkonzept der Bundeswehr" erforderlich, zu der auch die „Entwicklung maritimen Bewußtseins in entscheidenden politischen und militärischen Verantwortungsebenen" gehört.11 

Deutsches Militär nach Afghanistan

Bereits vorbereitet wird auch der Einsatz weiterer Bundeswehr-Truppen zur Besetzung Afghanistans. Deutlich heißt es am Rande der Afghanistan-Konferenz in Königswinter, dass die Organisatoren einer solchen Konferenz später auch besonders in der Pflicht seien, der vereinbarten Regelung mit Waffengewalt und der Entsendung von Truppen Nachdruck zu verleihen. Diese könnte auch unter UNO-Mandat organisiert werden. Jedenfalls beriet Bundeswehr-Generalinspekteur Harald Kujat entsprechende militärische Planungen bereits mit obersten Militärs der USA, Frankreichs und Großbritanniens bei einem Geheimtreffen in der Karibik.

1 zit. nach Europäische Sicherheit 8/1998, S. 15. Verfasser des Beitrages war Hans Frank, stellvertretender Generalinspekteur der Bundeswehr (zurück)

 2 zit. nach Marineforum 1-2/1999, S. 12 (zurück)

 3 ebd., S. 14 (zurück)

 4 zit. nach Marineforum 6/1999, S. 6 (zurück)

 5 vgl. Wehrtechnik II/1999, S. 26 (zurück)

 6 zit. nach Marineforum 9/1999, S. 10 (zurück)

 7 vgl. zum Beispiel Wehrtechnik IV/1998, S. 44 (zurück)

 8 so jedenfalls der damalige Inspekteur der Marine Hans-Rudolf Boehmer in einem Interview mit dem Flensburger Tageblatt (18. April 1996) (zurück)

 9 zit. nach Marineforum 3/1999, S. 8 (zurück)

 10 zit. nach Wehrtechnik IV/1998, S. 41 (zurück)

 11 zit. nach Marine-Forum 11/98, S. 6 (zurück)