Kosovo, Mazedonien, Afghanistan... die Bundeswehr mischt mit!
Die menschenverachtenden Anschläge in New York und Washington wurden von der Regierung der USA schon kurz danach als Krieg interpretiert; die NATO sah in ihnen nur kurz darauf einen Angriff aus dem Ausland und erklärte erstmals in ihrer Geschichte den ,Bündnisfall‘. Auch für eine solche Entwicklung hatte die Bundesregierung „uneingeschränkte Solidarität" zugesagt. Nun sind bereits deutsche Soldaten im Einsatz – mindestens an Bord der AWACS-Flugzeuge und Spezialeinheiten in der Nähe Afghanistans; zum Schutz deutscher Einrichtungen wie es offiziell heißt. Das Magazin Focus berichtet davon, dass deutsche Soldaten „nicht in der Etappe bleiben wollen. Mit dem Nachrücken in US-Stützpunkte im Kosovo will sich die Bundeswehr nicht zufrieden geben." Und im „Verteidigungs"ministerium werde hinter vorgehaltener Hand von einem „sichtbaren Beitrag" gesprochen. So will die Bundesregierung – in trauter Einheit mit CDU/CSU und FDP – den Anspruch untermauern, zukünftig weltweit mit Truppen der Bundeswehr aufzutreten.
War mit der Beteiligung der Bundeswehr am Krieg gegen Jugoslawien ein wichtiger Schritt gemacht worden, um in Südosteuropa wieder als imperialistische Ordnungsmacht aufzutreten, so sind der Einsatz in Mazedonien und die Beteiligung an den Militäraktionen „gegen den Terrorismus" weitere Schritte, die Großmachtrolle auch militärisch zu untermauern.
Gerade erst hat die Bundeswehr im Mazedonien das Kommando übernommen. Dort hat sich die UCK angeblich entwaffnet und sogar aufgelöst. Somit müßte das Gewaltmonopol des Staates wiederhergestellt sein. Aber nun brauchen Bundesregierung und NATO plötzlich Schutztruppen für die knapp 300 zivilen Beobachter in diesem Land. Um die militärische Führung dieser Mission hat sich die Bundesregierung gerissen und als Voraussetzung gefordert, daß es sich um ein „belastbares" Mandat handeln müsse, d.h. dass die Bundeswehrsoldaten auch kämpfen können sollen. Die Bundesregierung und große Teile der Presse lassen sich einiges einfallen, nur um ihre Truppen in Mazedonien mit Zustimmung des Bundestages und der Bevölkerung dauerhaft stationieren zu können. Immer neue – scheinbar humanitäre – Gründe müssen dafür herhalten. Schon bei der Vorläuferaktion ging es nur vordergründig um das Einsammeln von Waffen, deren freiwillige Abgabe ja vereinbart worden war. Auch die Behauptung von der Verhinderung eines Bürgerkrieges trifft nicht den Kern dessen, was von der Bundesregierung so gerne „deutsche Interessen" genannt wird. Vielmehr geht es um die wirtschaftliche, politische und militärische Vorherrschaft in der Region. „Wir werden dort das Sagen haben", verkündete Bundeskanzler Schröder im Juni 1999. Tatsächlich wird auf dem Balkan bereits mit der Mark bezahlt. Sie ist offizielle Währung in Montenegro und Kosovo, Zweitwährung in Bosnien-Herzegowina.
Bulgarien und Mazedonien haben ihre Währungssouveränität verloren, sie sind an die DM gekoppelt.
Im Sommer drückte Schröder seinen Parteifreund Bodo Hombach gegen den Widerstand fast aller EU-Gremien als EU-Sonderkoordinator für den sogenannten „Stabilitätspakt für Südosteuropa" durch. Kürzlich wechselte Hombach an die Spitze des WAZ-Zeitungskonzerns. Dieser hatte jüngst in etlichen Balkan-Staaten Beteiligungen an Medien-Unternehmen aufgekauft, wobei Hombach mit seinen guten Kontakten geholfen hat. Das ist ein Beispiel für die Interessen deutscher Konzerne in Südosteuropa. Schon 1993 hatte die kroatische Zeitung Danas getitelt: „Siemens kauft Kroatien".
Über 2,4 Milliarden € stehen im Rahmen des Stabilitätspaktes für Projekte zur Verfügung. „Die Finanzkonditionen, das Verhältnis von Kredit und Zuschuss, sind so gut wie nie zuvor", wirbt Hombach um Investoren. „Echter Mehrwert" werde geschaffen. Märkte sollen erobert werden. Dass es dabei zu Konkurrenzen kommt, ist naheliegend. Bei der Planung und Kontrolle der Paneuropäischen Verkehrskorridore und der Transeuropäischen Energietransportnetze stellt das Dreieck zwischen Nis, Skopje und Sofia einen wichtigen Knotenpunkt dar. Ganz in der Nähe haben die USA-Militärs im Kosovo einen ihrer größten Militärstützpunkte in Europa geschaffen und planen eine Öl-Pipeline. Der mazedonische Verteidigungsminister spricht in diesem Kontext von einem „anhaltenden Konflikt zwischen USA und EU", während die MazedonierInnen „die Leidtragenden" des Konfliktes seien. Der europäische bzw. deutsche Anspruch auf bevorzugte Teilhabe an der kapitalistischen Durchdringung und Ausbeutung der Region und die Untermauerung dieses Anspruches durch die Anwesenheit von Militär spiegelt sich auch darin wieder, dass die zum „Einsammeln der UCK-Waffen" kommandierten Truppen in Zuschnitt, Auftrag und Kommandostruktur jener EU-Eingreiftruppe ähnelten, die ab 2003 der europäischen Außenpolitik einen militärischen Arm geben soll. Truppen der USA waren nicht eingebunden.
Der eben begonnene neue NATO-Einsatz in Mazedonien steht nun unter deutscher Führung – offiziell zum Schutz der zivilen UNO- und OSZE-Beobachter, inoffiziell mit dem Ziel, dort langfristig Bundeswehr-Einheiten zu stationieren. So geht es dabei auch um eine Erweiterung der militärischen Machtbasis Deutschlands auf dem Balkan. Die Anschläge in den USA haben der Bundeswehr dort eine Führungsrolle zugewiesen. Mit Nachdruck erinnert auch die der Großindustrie nahestehende Frankfurter Allgemeine Zeitung daran, dass Europa „selbst für Ordnung in seinem Hinterhof sorgen muß" (04.10.2001).
Die Einsätze auf dem Balkan und die sich entwickelnde Beteiligung deutscher Truppen am sogenannten „Krieg gegen den Terrorismus" sind nur der Beginn einer Epoche, in der der deutsche Imperialismus seine ökonomischen und machtpolitischen Interessen auch wieder mit militärischen Mitteln durchzusetzen versucht. Um eine entsprechende Rolle in der Weltpolitik zu begründen, dafür werden die Gelegenheiten genutzt, die sich eben bieten. Parlamentarische Hürden sind nicht nur wegen der derzeitigen Mehrheitsverhältnisse nicht zu erwarten; gezielt wird auch die Ausschaltung des Parlaments in Fragen des Krieges betrieben. Man könne ja immer noch nachträglich darüber abstimmen, heißt es. Aber glaubt jemand ernstlich daran, eine Entscheidung zur Entsendung deutscher Truppen würde rückgängig gemacht? Nein, der Militarisierung der deutschen Außenpolitik ist nur mit eine breiten und entschlossenen außerparlamentarischen Bewegung beizukommen. Erste Grundlagen dazu müssen jetzt gelegt werden – unter anderem mit der Kritik an den imperialistischen Zielen der deutschen Außenpolitik.