Die Medien und der Krieg:

Strategien ideologischer Mobilmachung

Die „Berichterstattung" hat sich seit dem 11. September auf Kriegsmetaphorik, die Logik von Zivilisation versus Barbarei, die These vom Kulturkampf, Bedrohungsinszenierung und Diffamierung kritischer linker Stimmen als Antiamerikanisten weitgehend eingelassen. Sondersendungen zum Islam, zum „Krieg" und zur Aufrüstung des Staates wechseln einander ab. Während in manchen Sendungen noch Platz ist für ein Nachdenken über die Folgen der eben einsetzenden militärischen Eskalation, engagieren sich insbesondere Boulevardblätter bei der ideologischen Mobilmachung der „Heimatfront".

Die Logik von Zivilisation versus Barbarei

Am Tag „danach" titelten deutsche Tageszeitungen noch mit „Angriff auf Amerika" (FAZ, Tagesspiegel, Berliner Morgenpost, Handelsblatt), Terrorangriff auf das Herz Amerikas (Die Welt), Terrorkrieg gegen Amerika (Süddeutsche Zeitung), Angriff auf die USA (taz), Krieg gegen Amerika (Berliner Zeitung). Nur die Bildzeitung hatte schon das „grosse Ganze" im Blick und appellierte: „Grosser Gott, steh uns bei". Dann rief Präsident Bush rief den „Krieg" aus. Schnell wurde dabei aus dem Angriff auf Amerika einer auf „Amerika und alles, wofür die westlichen Führungsmacht steht", das „Gute an sich" (Bush), schließlich auf die „gesamte zivilisierte Welt" (Schröder).

Inzwischen sind die Begrifflichkeiten weitgehend ausgemacht, die grundlegenden Deutungsschemata festgelegt. Man hat es der Welt zurechtgelegt – wir lesen es in der Presse: Der „Gegner wohnt in „Löchern", haust in „Höhlen", versteckt sich in „Unterschlüpfen", steht außerhalb der Menschheit und der Zivilisation, „die Terror-Bestie (Atta) lebte acht Jahre in Deutschland" . Er ist einer der Barbaren, die „ausgeräuchert" werden müssen. Die Logik ist einfach: Sie heißt „Zivilisation" versus „Barbarei". Schnell blickt uns die Barbarei denn auch schön konkret auf Titelblättern hinter Fadenkreuzen direkt in die Augen: Bin Laden fungiert als Personifizierung des Bösen in Gestalt des Islam. Die Verbreitung seines Steckbriefes „dead or alive" macht den anonymen Schrecken vermeintlich identifizierbar und adressierbar. Entsetzen findet Kanäle und das Feindbild ist eingebettet in einen übergeordneten Zusammenhang: „Entweder Ihr seid für uns oder Ihr seid für die Terroristen" (George W. Bush).

„Was tun, wenn der Terror nach Berlin kommt..." (Berliner Zeitung)

Wo nun ihre Verursacher bekannt sind, steht die „Angst" nun steht in großen Lettern auf den überregionalen Blättern. „Was tun, wenn der Terror nach Berlin kommt?" fragt die Berliner Zeitung. Bedrohungsinszenierung vor der eigenen Haustür paart sich mit Erklärungsangeboten für die Untertanen: „Kanzler, wie schlimm wird es für uns?" (Bild). Schröder & Co profilieren sich als entschlossene, und doch verantwortungsbewußte Staatsmänner. Sie zeigen „Führung", wie die konservative Presse anerkennend feststellt. Und die Boulevardblätter können es gar nicht erwarten, dass auch deutsche Soldaten draußen in der Welt „ihren Mann stehen". In ganzseitigen Vierfarbreportagen wird die Qualität der soldatischen Ausbildung in Deutschland gelobt. Derweil läßt die Welt am Sonntag mit einem Text des Protofaschisten Ernst Jünger den Pazifismus denunzieren. Die Notwendigkeit militärischer Mobilisierung im „Kampf gegen den Terror" findet ihre Legitimationsgrundlagen.

„Wenn der Feind vor den Toren steht, hat innerhalb der Mauern jeder Streit zu ruhen..." (FAZ)

Wer in diesen Zeiten der geistigen und militärischen Mobilmachung Kritik äußert oder die herrschende Logik in Frage stellt, muß damit rechnen, öffentlich zurechtgewiesen und diszipliniert zu werden. „Wenn der Feind vor den Toren steht, hat innerhalb der Mauern jeder Streit zu ruhen", fordert die Frankfurter Allgemeine Zeitung (28.09.2001). „Verwahrlostes Denken", der „Zusammenbruch der Vernunft" oder Antiamerikanismus werden unterstellt, wo in Ursachendiskussionen von der imperialistischen Machtpolitik der USA gesprochen wird.

Selbst die Grundgesetze von Presse und Meinungsfreiheit scheinen nicht mehr der Verteidigung wert: Merkel, Goppel und Meyer können fordern, der Tagesthemen-Moderator Ulrich Wickert müsse das öffentlich-rechtliche Fernsehen verlassen, da er sich in einem Artikel in der Zeitschrift Max den offiziellen Deutungsmustern nicht unterordnet hat. Wickert korrigiert sich in den Tagesthemen - kleinlaut. Die Botschaft: „Im Krieg wird als erstes die Meinungsfreiheit abgeschafft" (taz, 05.10.2001).

Doch prinzipiell nahezu keine Empörung in der deutschen Presselandschaft - Protest gegen diese Zensur- und Einschüchterungsversuche werden kaum artikuliert.