Kein Tag vergeht, an dem nicht neue Vorschläge zum Abbau demokratischer Freiheiten gemacht werden. Besonders nach dem 11. September wurden im Rahmen des vorläufigen 3-Milliarden-Programms eine Vielzahl von Maßnahmen auf den Weg gebracht, die schon lange auf der Wunschliste von Law and Order Politikern, wie Beckstein (CSU) oder Schily (SPD), standen. Nebenbei wird das Bild vom „kriminellen Ausländer" gesetzlich weiter verankert.
Eine Maßnahme, die nach dem 11. September inzwischen auch bundesweit möglich geworden ist, stellt die Rasterfahndung dar. Schleswig-Holstein hat als letztes Bundesland am 2. Oktober ein entsprechendes Gesetz erlassen. Demnach können nun Daten verschiedener staatlicher Einrichtungen, wie z.B. Meldeamt, Ausländerbehörde, Sozialamt, KfZ-Zulassungsstelle und Polizei, gebündelt und auf bestimmte Eigenschaften hin untersucht werden. Dabei wird nach Angaben von Horst Haug, Sprecher des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg, jede(r) als verdächtig bewertet, wer/welche ständig abends Besuch bekomme, durchs Treppenhaus schleiche, ohne Geräusche zu verursachen – oder auch wer sein Auto um die Ecke parke, so dass es nicht zu sehen sei.
Rassistisch motivierter Generalverdacht
BürgerInnen werden aufgerufen, entsprechende Beobachtungen über eigens dafür eingerichtete „Hotlines" der Polizei zu melden. Denunziationen und pauschale Verdächtigungen gegen „anders aussehende" Menschen speisen sich nicht nur aus dem in der deutschen Gesellschaft ohnehin verbreiteten Rassismus, sondern zudem aus den staatlichen Maßnahmen, die bestimmte Bevölkerungsgruppen unter Generalverdacht stellen. So werden an vielen Hochschulen insbesondere Daten von arabischen Staatsangehörigen überprüft, allein in Hamburg wurden den Behörden auf diese Weise die Daten von 10.000 Studierenden übermittelt. Zu Recht kritisiert die Studierendenvertretung der Frankfurter Universität, dass die Ermittlungen „eine Stimmung aufbauen, in jedem, der nicht deutsch aussieht, einen Feind zu sehen."
Auch die Spekulationen über weitere sog. „Schläfer" tragen dazu bei, die gesellschaftliche Stimmung gegen Muslime, MigrantInnen und AusländerInnen zu verschärfen. Verdächtig ist nun jede/r, denn eine Eigenschaft sog. „Schläfer" ist ja gerade ihre Unauffälligkeit und Angepasstheit. So entspricht das Profil, nach dem mit Hilfe der Rasterfahndung gesucht wird, genau dem Bild, das noch vor einem halben Jahr den „Ausländer, der uns nützt", darstellte: jung, technisches Studium, strafrechtlich unauffällig, finanziell nicht auf den Staat angewiesen.
Neuer „Anti-Terroristen-Paragraph" 129b
Ein weiteres Gesetzesvorhaben, das im Zuge der „Anti-Terror-Gesetzgebung" wieder aus der Schublade geholt wurde, ist die Erweiterung des Gummiparagraphen 129 um den Paragraph 129b. Dieser stellt nun die Gründung, Mitgliedschaft oder Unterstützung von ausländischen Organisationen, die von staatlicher Seite als „terroristisch" eingeordnet werden, unter Strafe.
In der Vergangenheit hatte der Paragraph 129 nicht nur die Funktion, Mitglieder linker politischer Gruppen zu kriminalisieren, sondern diente darüber hinaus auch als „Ermittlungsparagraph", mit dessen Hilfe linke Strukturen gezielt ausspioniert werden konnten. Dasselbe droht jetzt auch den Menschen, die von Deutschland aus Gruppen im Ausland unterstützen, die der deutsche Staat als „terroristisch" angesehen werden.
Diese Zuschreibung ist dabei in erster Linie ein Produkt außenpolitischer Zielsetzungen, die sich je nach Interessenlage verändern kann. So wurden die jetzt als „Terroristen" bezeichneten islamistischen Gruppen in Afghanistan lange Zeit von westlichen Staaten als „mutige Freiheitskämpfer" (Ronald Reagan in einer Proklamation zum „Afghanistantag" 1983) glorifiziert, ausgebildet und militärisch unterstützt.
Dem Geist und der Logik der neuen Verschärfung folgend, wäre früher z.B. auch die politische Unterstützung des African National Congress (ANC) strafbar gewesen – damals eine Organisation, die den bedeutendsten Anteil am Kampf gegen das rassistische Apartheid-Regime in Südafrika hatte.
AusländerInnenrecht im Visier
Als wären diese Maßnahmen noch nicht genug, versuchen nun Politiker von Schily bis Beckstein, die Gunst der Stunde zu nutzen, um die ohnehin schon rassistische AusländerInnengesetzgebung noch weiter zu verschärfen:
So fordern sie u.a. eine wesentlich restriktivere Handhabung bei der Visavergabe. Die Aufnahme von Fingerabdrücken in Pässen und Visa soll ebenso die Regel werden wie die Anfrage beim Verfassungsschutz über ImmigrantInnen und damit die verstärkte Ausspähung von Einwanderungswilligen durch Geheimdienste. Wenn es nach dem „Innenexperten" der CSU Zeitlmann ginge, würden sogar noch alle nach dem neuen Staatsangehörigkeitsgesetz eingebürgerten Menschen nachträglich vom Verfassungsschutz überprüft werden. Damit werden generell alle, die nicht mit einem deutschen Pass geboren wurden, als potenziell „kriminell" oder „terroristisch" dargestellt.
Auf diese Weise werden Ängste gegenüber MigrantInnen geschürt, Ausgrenzungen und rassistische Hetze vorangetrieben und unter dem Etikett der „Terrorismusbekämpfung" die Festung Europa klammheimlich weiter ausgebaut. Das ohnehin verbreitete Bild vom „kriminellen Ausländer" wird so von staatlicher Seite noch einmal forciert.
Freiheit stirbt mit Sicherheit!
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass keine dieser Maßnahmen und Gesetzesverschärfungen einen wirksamen Schutz gegen Verbrechen der Art bieten können, wie sie am 11. September in New York und Washington stattgefunden haben.
Trotzdem ist es in einer Atmosphäre echter Besorgnis in der Bevölkerung und nicht zuletzt auch dank der medialen Inszenierung der Anschläge Politikern der „harten Hand" gelungen, schwerwiegende Einschränkungen demokratischer Rechte durchzusetzen und die rassistische Ausgrenzung bestimmter Bevölkerungsgruppen weiter voranzutreiben.
Dagegen regt sich wohl auch deswegen wenig Protest, weil ein großer Teil der Bevölkerung vermutet, wegen Herkunft, Aussehen, Religion bzw. Weltanschauung und Lebensweise nicht von Überwachung und Repression betroffen zu sein.
Doch zum einen können von Maßnahmen wie z.B. der Rasterfahndung potenziell alle Menschen betroffen sein, zumal schon in der Vergangenheit zu beobachten war, dass der Aktionsradius solcher Maßnahmen, sobald sie erst einmal eingeführt wurden, immer weiter ausgedehnt wurde. Zum anderen kann und darf ein gesellschaftliches Zusammenleben nicht auf ständiger Kontrolle und auf Misstrauen gegenüber Mitmenschen aufgebaut sein: Ein Überwachungsstaat, der alle Lebensbereiche kontrolliert und sanktioniert, zerstört die Freiheit aller im Namen eines falschen Begriffs von „Sicherheit". Ein solcher Staat hat rein gar nichts mit einer Vorstellung von einer freien und emanzipierten Gesellschaft zu tun, einem solchen Staat muss breiter gesellschaftlicher Protest und Widerstand entgegengesetzt werden.
NEIN zum Überwachungsstaat, sei es durch Rasterfahndung, Bürgerhotline, verdeckte ErmittlerInnen, Zugriff auf oder Langzeitspeicherung von Tele- und Internetkommunikationsdaten!
NEIN zu rassistischer Ausgrenzung, wie sie z.B. bei restriktiver Handhabung von Visaregelungen, Fingerabdruck im Personalausweis oder Regelanfragen beim Verfassungsschutz praktiziert wird!
