Am Beginn des 21. Jahrhunderts ist die Welt mehr als je zuvor durch krasse Widersprüche geprägt. Während auf der einen Seite Hunger und Elend in weiten Teilen der Welt immer mehr zunehmen, während auch in den reichen Industriestaaten immer mehr Menschen ins soziale Abseits gedrängt werden, nimmt auf der anderen Seite der protzige Reichtum Weniger immer weiter zu. Während technische Höchstleitungen erbracht werden, die es ermöglichen, immer mehr Güter mit immer weniger menschlicher Arbeit herzustellen, ist das paradoxe Ergebnis, dass immer mehr Menschen für die Kapitalverwertung überflüssig werden, gesellschaftlich ausgeschlossen werden und verarmen, obwohl doch die materiellen Möglichkeiten für einen allgemeinen Wohlstand längst existieren.
Mit dem Zusammenbruch des Real Existierenden Sozialismus (Wir übernehmen aus pragmatischen Gründen die Selbstbezeichnung der nicht-kapitalistischen Staaten sowjetischer Prägung. Zu unserer Einschätzung vgl. Abschnitt 3) hat der Kapitalismus als vorläufiger Sieger der Systemauseinandersetzung fast den gesamten Erdball unter seine Kontrolle gebracht. Doch gerade dadurch wird deutlich, wie wenig die marktwirtschaftlich organisierte Weltordnung zur Lösung der drängenden Probleme der Menschheit anzubieten hat:
Durch Hunger, Unterernährung und mangelnde medizinische Versorgung sterben weltweit täglich fast 40.000 Kinder einen vermeidbaren Tod. „Entwicklungshilfe" – ohnehin vielfach nur eine Form der Exportförderung – gibt nur einen kleinen Teil dessen zurück, was ständig an Zinsenlast für Kredite oder durch ungleiche Austauschverhältnisse (Terms of Trade) von den ärmeren Ländern in die reichen Metropolen fließt. Die koloniale Ausbeutung geht auch Jahrzehnte nach der Unabhängigkeit der meisten Staaten des Südens weiter.
Die immense Verschuldung erdrosselt die Ökonomien vieler sog. Entwicklungsländer; die meisten der durch die Auflösung der Sowjetunion entstandenen Staaten sehen sich in eine ähnliche Situation der Verarmung gestellt.
Die Verschuldung führt in die Abhängigkeit von Institutionen wie der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds, die Umschuldungsmaßnahmen und neue Kredite an neoliberale Auflagen in der Sozial- und Wirtschaftspolitik knüpfen. Den betroffenen Ländern hilft dies wenig, am wenigsten den Armen, deren Existenz durch die Streichung von Sozialausgaben (wie etwa die Subventionierung von Grundnahrungsmitteln) immer unsicherer wird. Die Gewinner sind – neben den kleinen, häufig korrupten einheimischen Eliten – in erster Linie die multinationalen Konzerne, denen der Zugang zu Märkten und Arbeitskräftereservoirs immer weiter erleichtert wird.
Ein Ende der Ausbeutung und Unterdrückung der sog. „Dritten Welt" ist nur durch ein Ende kapitalistischen Wirtschaftens möglich, das zwangsläufig zu imperialistischer Machtkonzentration und –ausübung führen muss. Dieses Ziel ist nur gegen die herrschenden Klassen durchsetzbar und erfordert die Entwicklung internationalistischer Kooperation mit emanzipativen Bewegungen und sozialen Kämpfen in anderen Ländern. Als ersten Schritt zur Milderung des imperialistischen Verhältnisses streiten wir für eine komplette Schuldenstreichung und die Durchsetzung angemessener Preise für Erzeugnisse und Rohstoffe des Südens. Eine tatsächlich solidarische Beziehung zwischen dem Norden und Süden (aber auch zwischen einzelnen Nationen generell) wird nur möglich sein, wenn es keinen Zwang zur ökonomischen und damit politischen Konkurrenz mehr gibt.
Doch Ausbeutung findet nicht nur im globalen Maßstab statt. Trotz des in den reichen Industrieländern produzierten immensen Reichtums geht auch hier die Schere zwischen Besitzenden und Armen immer weiter auseinander. Zunehmend setzt sich die Ideologie des Neoliberalismus durch, wonach nicht nur die Ökonomie, sondern auch bisher weitgehend staatlich organisierte Bereiche wie etwa Bildung und die sozialen Sicherungssysteme unmittelbar dem Diktat des Marktes unterworfen werden sollen. Der Staat zieht sich – auch im Zuge umfangreicher Privatisierungen – zunehmend aus seiner sozialen Verantwortung zurück. Auch dies hat einen massiven Sozialabbau zur Folge. Die Behauptung von der Standortkonkurrenz soll die Interessensunterschiede von Kapital und Arbeit verschleiern, indem sie vom Wettbewerb der „Produktionsräume" spricht und – etwa bei Lohnfragen – die Belegschaften ganzer Regionen gegeneinander ausspielt. Beschäftigungsverhältnisse nehmen zu, in denen ArbeiterInnen kein Anrecht auf soziale Leistungen und Absicherungen haben, in denen es keine tariflichen Vereinbarungen gibt, in denen Mobilität und Flexibilität zu Lasten sozialer Bezüge durchgesetzt werden und in denen solidarische Vernetzungen schwieriger werden. Individuen werden für ihre soziale Lage selbst verantwortlich gemacht. Wenn sie arbeitslos werden, haben sie eben nicht genug „Selbstmanagement" betrieben. Wenn sie nicht flexibel genug sind, fallen sie eben aus dem Arbeitsmarkt heraus.
Die zu Grunde liegenden neoliberalen Sichtweisen haben sich bis weit in die Sozialdemokratie hinein durchgesetzt. Inwieweit sie sich gesamtgesellschaftlich dauerhaft durchsetzen, hängt aber von den politischen Kräfteverhältnissen ab. Die aktuelle Politik der SPD jedenfalls greift die Unternehmensinteressen nicht an. Als wäre nicht längst das Gegenteil bewiesen, wird munter weiter behauptet (und leider auch von vielen geglaubt), dass die „Belastungen" der Unternehmen durch Steuern und „zu hohe" Löhne gesenkt werden müssten.
Schritte, die tatsächlich geeignet wären, um Armut und Arbeitslosigkeit zu bekämpfen – wie etwa eine radikale Arbeitszeitverkürzung und eine Erhöhung der Masseneinkommen – müssten durch höhere Besteuerung aus den immens gewachsenen Unternehmensgewinnen bzw. den privaten Geldvermögen der Reichen bezahlt werden. Eine solche Politik müsste also durchgesetzt werden gegen die gut organisierten Interessen der wirtschaftlich Mächtigen. Nur eine organisierte Bewegung von unten wird mit breit angelegten Protest- und Widerstandsaktionen den nötigen Druck entfalten können. Das Vertrauen auf „linke" Regierungen hingegen ist trügerisch, wie die Entwicklung nach dem rot-grünen Regierungswechsel im September 1998 erneut gezeigt hat.
Eine solche Bewegung wird sich aber nicht nur eine an den Interessen der Mehrheit orientierte Reformpolitik zum Ziel setzen können, sondern zwangsläufig mit einer Kritik der kapitalistischen Wirtschaftsweise und des Systems der Lohnarbeit insgesamt verbunden sein müssen.
Parallel zum Sozialabbau werden die demokratischen Rechte der Bevölkerung immer weiter eingeschränkt und wird Repression zunehmend die Antwort auf abweichendes Verhalten. Der „große Lauschangriff" war nur eine Etappe in dem Prozess der Aushöhlung der klassischen bürgerlich-liberalen Freiheitsrechte. Weit weniger Beachtung fand z.B. die Verschärfung der Polizeigesetze in mehreren Bundesländern, durch die u.a. die Vorbeugehaft erleichtert bzw. ermöglicht wurde.
Die Bedrohung durch Verbrechen wird medial inszeniert und führt regelmäßig zu der Forderung nach härteren Strafen und verschärfter Kontrolle. Die Reflexion der sozialen Ursachen für Kriminalität – bzw. das, was als Kriminalität definiert wird – findet immer weniger statt. Je weiter die soziale Spaltung zunimmt, je tiefer der Graben zwischen Ausgeschlossenen und Deklassierten auf der einen Seite und dem verschwenderischen Reichtum auf der anderen Seite wird, desto mehr schotten die Besitzenden ihre Welt ab.
Einkaufszentren, Bahnhöfe und U-Bahn-Stationen werden zum Operationsgebiet privater Sicherheitsdienste, die die schöne Scheinwelt des Konsums für die Zahlungsfähigen gegen BettlerInnen, Obdachlose, Punks und Junkies verteidigen. An die Stelle des öffentlichen Raumes, der allen gehört und zugänglich ist, tritt die künstliche Glitzerwelt der Shoppings-Malls und Einkaufspassagen, in denen für Armut und Elend kein Raum ist.
Eine liberale Öffentlichkeit, die gegen diese Entwicklung entschiedenen Widerspruch einlegt, existiert immer weniger. Umso mehr rechnen wir daher den Einsatz für die Verteidigung und den Ausbau sozialer und demokratischer Rechte zu unseren Aufgaben.
Die Unterdrückung von Frauen durch Männer ist bereits Jahrtausende alt – und sie besteht bis heute fort. Zwar hat die Frauenbewegung – in einigen Ländern – Erfolge bei der Bewusstmachung und Zurückdrängung patriarchaler Strukturen erzielt, dennoch ist das Patriarchat noch immer eine wesentliche, die Gesellschaft prägende Struktur. Der weitaus größte Teil der Reproduktionsarbeit (also der Arbeit in Familie und Kindererziehung) wird von Frauen geleistet. Dass diese Arbeit – im Gegensatz zur meist männlichen Lohnarbeit außerhalb des Hauses – unbezahlt ist, erscheint wie selbstverständlich und macht – in einer Gesellschaft, die nahezu alle sozialen Beziehungen über Geld vermittelt – die geringe Wertschätzung dieser Arbeit deutlich. Dies gilt umso mehr im globalen Maßstab, wo der weitaus größte Anteil aller Arbeit von Frauen verrichtet wird, sie aber nur einen verschwindend geringen Anteil am Einkommen haben. In der Erwerbsarbeit ist die Bezahlung von Frauen weiterhin geringer als die von Männern, was noch dadurch verstärkt wird, dass die Unterbrechungen in der Erwerbstätigkeit durch Zeiten der Kinderbetreuung die Erreichung besser bezahlter Positionen erschweren.
Doch Frauen sind nicht nur gesellschaftlich benachteiligt, sondern darüber hinaus vielfach mit direkt sexistischen Verhaltensweisen von Männern konfrontiert. Es sind dies nicht nur, die – oft als „Sprüche" verharmlosten – Anmachen und Belästigungen, sondern auch massive Gewaltverbrechen in der extremsten Form von Vergewaltigungen. Sexualisierte Gewalt und Gewalt in der Familie sind in unserer Gesellschaft massenhafte Erscheinungen, die noch immer überwiegend im Verborgenen stattfinden, verharmlost werden und für die häufig den Opfern eine Mitschuld zugeschoben wird.
Frauen wird zudem die Selbstbestimmung über ihr Leben und ihren Körper streitig gemacht. Für Frauen aus den reichen Industrieländern bedeutet das ein Verbot von Abtreibungen (§218 verbietet dies im Prinzip weiterhin und macht Straffreiheit von Pflichtberatung abhängig), für Frauen in den sog. „Entwicklungsländern" dagegen (Zwangs-)Sterilisation. Des Weiteren gibt es einen Ausbau vorgeburtlicher Kontrolle mit der Tendenz zur Selektion (also zur Aussonderung bzw. Verhinderung „behinderten" Nachwuchses). Durch die wachsenden Möglichkeiten der Gen- und Reproduktionstechnologie wird dieser Versuch der weitgehenden Kontrolle über die Gebärfähigkeit der Frauen weiter verstärkt. Auch auf der kulturellen Ebene bestehen weiterhin Defizite, was die Situation von Frauen in unserer Gesellschaft betrifft.
Die Frauenbewegung hat zwar viel bewegt mit ihren Themen wie Sexualität, sexistische Sprache, Ausschluss von Frauen aus der Öffentlichkeit und Politik, Sichtbarmachung der kulturellen Beiträge von Frauen, Kampf um eine frauenfreundliche Rechtsprechung und Gesetzgebung, Kampf um Frauenräume und gegen heterosexistische Normen usw. Doch eine tatsächliche Änderung der Gesellschaft ist noch nicht zu verzeichnen. Zudem besteht durch die aktuelle Entwicklung des „Rollbacks" heute die Gefahr, dass die erzielten Erfolge wieder zurückgedrängt werden.
Der politische Kampf für gleichen Lohn für gleiche Arbeit, für die Entlohnung von Haus- und Familienarbeit, für die unmissverständliche gesellschaftliche Ächtung sexualisierter Gewalt in all ihren Formen und für die vollständige Streichung des § 218 sind ebenso notwendige Schritte für die Zurückdrängung patriarchaler Strukturen wie die Reflexion und Veränderung unserer eigenen Denk- und Verhaltensmuster.
In der BRD leben ca. sieben Millionen Menschen ohne deutschen Pass. Sie sind in vielfältiger Weise rassistischer Diskriminierung ausgesetzt. Sie dürfen nicht wählen, werden von Ausländerbehörden schikaniert und sind überdurchschnittlich von Armut und Ausgrenzung betroffen, werden jedoch zu Steuerzahlungen herangezogen. Sie dienen als Projektionsfläche für Kriminalitätsängste. Ihr tatsächliches oder vermeintliches Anderssein wird benutzt, um ein nationalistisches Wir-Gefühl der „Deutschen" zu konstruieren.
Rassismus und Antisemitismus haben gerade in Deutschland eine lange Geschichte. So wie die Vorstellung der Minderwertigkeit anderer Völker genutzt wurde, um kriegerische Expansion und koloniale Ausbeutung zu rechtfertigen, so wurde der Antisemitismus – unter Anknüpfung an jahrhundertealte religiöse antijudaistische Vorstellungen – als innerstaatliches Feindbild entwickelt. Völkisches Denken, d.h. die Konstruktion eines „rassisch" und/oder kulturell homogenen und überlegenen Deutschtums, ist die gemeinsame Grundlage von Rassismus und Antisemitismus. Die besondere Aggressivität des Antisemitismus, der das Judentum zum Zentrum einer Weltverschwörung erklärte, gipfelte schließlich in dem historisch beispiellosen Verbrechen des Holocaust.
Auch heute sind in Deutschland rassistische Vorstellungen leicht mobilisierbar. Jüngstes Beispiel war die von der CDU inszenierte – und erschreckend erfolgreiche – Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. Durch die Mobilisierung rassistischer Ressentiments wurde der – ohnehin schon bescheidene – Plan der rot-grünen Bundesregierung für eine erleichterte Einbürgerung und eine tendenzielle Abkehr vom völkischen Staatsbürgerschaftsrecht noch weiter verwässert.
Am stärksten vom Rassismus betroffen sind die Flüchtlinge. Schon den Versuch, in die abgeschottete „Festung Europa" zu gelangen, bezahlen viele Flüchtlinge – z.B. in den Wassern der Oder an der deutschen Grenze zu Polen – mit dem Leben.
Hier angekommen werden sie pauschal unter Betrugsverdacht gestellt, mit Leistungen noch unter dem Sozialhilfesatz abgespeist, unterliegen einem faktischen Arbeitsverbot und sind einem Asylverfahren ausgeliefert, das ihnen kaum eine Chance lässt, als asylberechtigt anerkannt zu werden. Regelmäßig wird auch in solche Staaten abgeschoben, in denen Flüchtlingen bei ihrer Heimkehr Folter, Gefängnis oder gar den Tod befürchten müssen. Solcherart ausgegrenzt werden sie zum hauptsächlichen Angriffsziel für rassistische Gewalt – oft mit tödlichen Folgen.
So starben am 18.1.1996 bei dem wohl folgenschwersten rassistischen Brandanschlag in der Geschichte der BRD auf eine Lübecker Flüchtlingsunterkunft zehn Menschen. Die skandalöse juristische „Aufarbeitung" dieses Falles zeigte deutlich, dass der Rassismus tief in Staat und Gesellschaft verankert ist. Statt dringend tatverdächtige Neonazis zu verfolgen, versuchten Polizei und Staatsanwaltschaft, einem Hausbewohner die Tat in die Schuhe zu schieben. Nur massive Proteste und Öffentlichkeitsarbeit konnten die Verurteilung eines offensichtlich Unschuldigen verhindern. In den Kontext dieses staatlichen und gesellschaftlichen Rassismus gehört es auch, dass faschistische Gruppen und Parteien immer offener ihre Hetze verbreiten können und dabei von der Staatsgewalt vor antifaschistischem Protest und Widerstand geschützt werden.
Wir treten daher ein für das Verbot und die tatsächliche Zerschlagung* aller faschistischen Organisationen, für die gesellschaftliche Isolierung rassistischer, nationalistischer und antisemitischer Verhaltensweisen, für die Abschaffung aller Sondergesetze gegen AusländerInnen und Flüchtlinge, für das Wahlrecht für alle EinwohnerInnen auf allen Ebenen sowie für offene Grenzen!
Es bleibt Aufgabe antirassistischer Politik, die Fluchtursachen zu benennen und der Diffamierung von „Wirtschaftsflüchtlingen", also Armutsflüchtlingen, entgegenzutreten. Fluchtbewegungen sind die direkte Folge kapitalistischer bzw. imperialistischer Wirtschafts- und Machtstrukturen. Die Bekämpfung von Fluchtursachen fängt beim Widerstand gegen Rüstungsexporte an und geht weiter zur (möglichst praktisch-materiellen) Solidarität mit Befreiungsbewegungen in der sog. „Dritten Welt". Dabei wollen wir allerdings eine unkritische Idealisierung dieser Befreiungsbewegungen vermeiden und z.B. Defizite bei Fragen demokratischer und emanzipativer Ideen und Strukturen offen benennen und kritisieren.
Die „Neue Weltordnung" des siegreichen Kapitalismus hat der Welt keinen Frieden gebracht. Im Gegenteil: Kriegerische Auseinandersetzungen sind an der Tagesordnung. Immer unverhohlener melden die wirtschaftlich und militärisch mächtigen Staaten des Nordens den Anspruch an, die gesamte Welt im Sinne ihrer eigenen Interessen zu organisieren. Zu dieser jüngsten Phase des Imperialismus gehören auch massive militärische Einsätze gegen nicht genehme Regionalmächte, die zum Teil vorher über lange Jahre politisch oder militärisch unterstützt wurden, weil dies den ökonomischen oder machtpolitischen Interessen der kapitalistischen Staaten nützlich erschien. Die Verfolgung Oppositioneller und/oder nationaler Minderheiten war für die imperialistischen Staaten dann kein Grund, diese Unterstützung einzustellen.
Mit der Beteiligung deutscher Kampfbomber an den Angriffen auf Jugoslawien gipfelte die schrittweise Militarisierung der deutschen Außenpolitik in der Führung eines völkerrechtswidrigen und grundgesetzwidrigen – und damit selbst im Sinne der Verfassung strafbaren und verbrecherischen – Angriffskrieges. Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg ging von deutschem Boden wieder Krieg aus. Geradezu zynisch war die propagandistische Pirouette, die zur Rechtfertigung des dritten deutschen Waffengangs gegen Serbien in diesem Jahrhundert benutzt wurde: Gerade weil deutsche Flugzeuge und Truppen im Zweiten Weltkrieg Terror und Völkermord auf dem Balkan betrieben hatten, sei die Bundeswehr heute berufen – erneut mit Bomben – für die Menschenrechte einzustehen.
Obwohl der Verlauf des Kosovo-Krieges die humanitäre Rechtfertigung Tag für Tag unglaubwürdiger machte, rechtfertigten viele ehemalige Linke bei SPD und Grünen den deutschen Kriegseinsatz. Gerade Rot-Grün war maßgeblich daran beteiligt, pazifistische und antimilitaristische Positionen abzudrängen und die wenigen Proteste zu denunzieren. Die KritikerInnen blieben in der Minderheit.
Der Kosovo-Krieg war nur ein Auftakt für weitere militärische Interventionen Deutschlands in der Zukunft . Die Bundeswehr findet ihre neue Aufgabe – nach dem Wegfall der alten Feinde – als mobile Einsatztruppe für die militärische Durchsetzung der ökonomischen und machtpolitischen Interessen des deutschen Imperialismus.
Zu unseren Zielen gehören deshalb die Auflösung von NATO und Bundeswehr sowie die Abschaffung aller staatlichen Zwangsdienste!
Dass die Menschheit gegenwärtig einen unverantwortlichen Raubbau an den natürlichen Lebensgrundlagen auf unserem Planeten betreibt, ist eine kaum bestrittene Tatsache. Hauptfaktor der Umweltzerstörung ist die industrielle Produktion nach dem Profitprinzip, also die gesellschaftliche Struktur. So lobenswert ein um Ökologie bemühtes individuelles Verhalten ist, so müssen wir doch sehen, dass es im Normalfall finanziell besser stehenden Menschen vorbehalten ist, die sich ihren Umweltschutz durch Erwerb teurer ökologischer Produkte leisten können. Und das gestiegene ökologische Bewusstsein der VerbraucherInnen wird ad absurdum geführt durch die im großen Stil stattfindende Umweltzerstörung der Unternehmen.
Die Atmosphäre wird durch Treibhausgase belastet, Böden und Grundwasservorräte vergiftet, Wälder vernichtet und immer mehr Landschaft unter Beton und Asphalt erstickt. Hunderte von Atomkraftwerken weltweit stellen tickende Zeitbomben dar. Der von ihnen produzierte strahlende Abfall muss noch für Jahrtausende sicher verwahrt werden – ohne dass heute irgendjemand wüsste, ob und wie Atommüll tatsächlich sicher gelagert werden kann. Diese Entwicklung folgt der Logik kurzfristiger kapitalistischer Profitmaximierung und ist zugleich Ausdruck eines patriarchalen Machbarkeitswahns.
Die in den letzten 25 Jahren intensivierte Kritik an der grenzenlosen Ausbeutung der Ressourcen hat zu einer gewissen Anzahl von Umweltschutzmaßnahmen geführt. Für das Kapital kommt darin auch das Interesse zur Geltung, die stofflichen Bedingungen der kapitalistischen Produktion nicht durch den von ihm selbst zu verantwortenden Raubbau an der außermenschlichen Natur vollständig zu gefährden. Als Reparaturwissenschaft unterliegt die Ökologie damit den gleichen Gesetzmäßigkeiten wie die kapitalistische Produktionsweise insgesamt. Sie muss in produktiver Anwendung Profit abwerfen, die gesellschaftlichen Kosten werden auf die Lohnabhängigen abgewälzt oder exportiert. In diesem Sinne versuchen Teile des Kapitals ihre Vorstellungen einer modernisierten kapitalistischen Produktion in den Diskussionen um nachhaltiges Wirtschaften zu platzieren.
Zudem stößt der Umweltschutz stets dort unmittelbar an seine Grenzen, wo Profite des Kapitals ernsthaft bedroht sind. Das lässt sich an der Umweltpolitik der rot-grünen Bundesregierung geradezu exemplarisch zeigen: Die groß angekündigte „ökologische Steuerreform" nimmt ausgerechnet die Wirtschaftsunternehmen, die am meisten Energie verbrauchen, von der Energieverteuerung aus, während RenterInnen und SozialhilfeempfängerInnen am stärksten belastet werden. Am deutlichsten aber ist das Trauerspiel „Atomausstieg": Da die Konfrontation mit der Atomwirtschaft gescheut wird, werden Restlaufzeiten von mehreren Jahrzehnten ausgehandelt. Der angebliche Ausstieg wird so zur Garantie für den jahrzehntelangen Weiterbetrieb der AKWs.
Die Durchsetzung des sofortigen und endgültigen Stopps der militärischen und „zivilen" Atomenergienutzung bleibt daher die Aufgabe einer außerparlamentarischen Bewegung. Gleiches gilt für andere ökologische Forderungen, z.B. den konsequenten Ausbau und die Verbilligung des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs zu Lasten des Individualverkehrs.
Der Kapitalismus hat „kein anderes Band zwischen Mensch und Mensch zurückgelassen als das nackte Interesse, als die gefühllose bare Zahlung" heißt es bereits 1848 im Kommunistischen Manifest. Denn die marktförmige Organisation der Gesellschaft hinterlässt in den Beziehungen zwischen den Menschen und der Psyche jedes Einzelnen tiefe Spuren. Wo alles – auch die menschliche Arbeitskraft – zur Ware wird und sich die Menschen überwiegend als Konkurrenten gegenübertreten, sind Ellenbogenmentalität und eigennützige Rücksichtslosigkeit keine individuellen Phänomene, sondern gesellschaftlich produziert. Die vorherrschende neoliberale Ideologie, wonach die Gesetze des Marktes quasi naturgegeben seien und sich Gesellschaft wie Individuen nach ihnen ausrichten sollen, verstärkt diesen Effekt noch. Doch neben den wenigen Erfolgreichen, gibt es vor allem jene, die bei dem Wettlauf um Leistung und Erfolg auf der Strecke bleiben. Zunehmend wird ihr Misserfolg als persönliches Versagen gewertet, um in der Konsequenz staatliche Sozialleistungen zusammenstreichen zu können. Unter vielen Menschen macht sich Hoffnungslosigkeit breit und nicht wenige flüchten sich in Drogenkonsum oder esoterische Heilslehren.
Solange nur wenige in der Solidarisierung gegen diese Verhältnisse eine Chance sehen, greifen Vereinzelung und Perspektivlosigkeit immer mehr um sich. Daher versuchen wir in und mit unserem politischen Handeln auch einen Beitrag zu einer neuen Kultur der Solidarität zu leisten.
Wir sind davon überzeugt, dass die Missstände und Probleme, die wir im vorigen Abschnitt – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – aufgezählt haben, ohne eine grundlegende, revolutionäre Veränderung nicht zu lösen sind. Über den genauen Charakter der heutigen Gesellschaftsordnung gibt es bei AVANTI zur Zeit unterschiedliche Auffassungen.
Die eine Position begreift Kapitalismus, Patriarchat und Rassismus als grundlegende Strukturen, die unsere heutige Gesellschaft wesentlich organisieren. (Wobei uns bewusst ist, dass es weitere Macht- und Herrschaftsverhältnisse gibt, wie z.B. die Ausgrenzung sog. „Behinderter" oder Homosexueller). Diese Strukturen bilden ein Netzwerk von Macht und Herrschaft: Sie sind miteinander verwoben, unterstützen sich gegenseitig und widersprechen sich auch manchmal.
Alle drei Unterdrückungsformen sind gleichwertig. Wesentlich dabei ist, sowohl den Macht- und Herrschaftsstrukturen die ökonomischen und materiellen Grundlagen zu entziehen, also die geschlechtsspezifische und internationale Arbeitsteilung (bzw. Ausbeutung) aufzuheben und die Produktionsmittel zu vergesellschaften, als auch sich gegen deren kulturelle Ausformungen zu richten.
Die andere Position sieht in Kapitalismus und Patriarchat die beiden Grundwidersprüche unserer Gesellschaftsordnung. Dabei bildet das Patriarchat eine gemeinsame Grundstruktur aller Klassengesellschaften von der antiken Sklavenhaltergesellschaft bis zum modernen Kapitalismus. Eine Gesellschaft, die durch das Privateigentum an Produktionsmitteln und geschlechtsspezifische Arbeitsteilung an ihrer ökonomischen Basis auf Spaltung und Konkurrenz beruht, bringt auch in ihrem politischen, kulturellen und ideologischen Überbau Ausgrenzungsmechanismen und Herrschaftsstrukturen wie z.B. den Rassismus hervor. Die Unterscheidung zwischen ökonomischer Basis und dem Überbau ist für das Verständnis von Gesellschaft von zentraler Bedeutung. Das wertet die konkreten Ausformungen der kapitalistisch-patriarchalen Gesellschaftsordnung nicht ab, sondern leitet sie lediglich analytisch her.
Einig sind sich beide Positionen darin, dass wir uns in unserer politischen Arbeit nicht nur auf die ökonomischen Verhältnisse konzentrieren dürfen, sondern auch gegen deren kulturellen Ausformungen wie z.B. die Ausgrenzung großer Bevölkerungsgruppen von öffentlicher, kultureller und politischer Teilhabe, eine sexistische oder rassistische Sprache, subtile und offene Gewalt, rigide (heterosexuelle) Sexualitätsnormen usw. kämpfen müssen.
Herrschaftsstrukturen sind nicht naturgegeben, sondern von Menschen geschaffen. Sie sind historisch entstanden, haben ihre materiellen Grundlagen und nützen bestimmten Gruppen bzw. Klassen. Daher sind sie von Menschen auch wieder abschaffbar.
Der Kapitalismus basiert auf der Spaltung der Gesellschaft in eine herrschende Minderheit, die das Eigentum an den Produktionsmitteln (also Fabriken, Arbeitsgeräten usw.) besitzt, und eine Mehrheit, die gezwungen ist, ihre Arbeitskraft als Ware anzubieten. Die Gesellschaft zerfällt somit in ökonomische Klassen, die je nach ihrer Stellung im Produktionsprozess völlig unterschiedliche Interessen besitzen. Die ökonomische Macht konzentriert sich in den Händen weniger, während die Mehrheit – solange sie sich nicht organisiert – fast ohne Einfluss bleibt. Die Triebfeder der kapitalistischen Wirtschaft ist das Streben der konkurrierenden Kapitalisten bzw. Kapitalgruppen nach der Maximierung des Profits.
Des Weiteren basiert der Kapitalismus auf der Trennung von Produktions- und Reproduktionsarbeit. Mit der Durchsetzung der bürgerlichen Gesellschaft wurde die Frau durch die Anbindung an die Kleinfamilie und das Haus erneut von der Geldwirtschaft und den öffentlichen Rechten ausgeschlossen. Trotz dieser Trennung gab es natürlich immer Frauen, die auch im Produktionsbereich tätig waren. Doch auch hier wurden ihnen nur bestimmte Aufgabenbereiche zugestanden, die zudem durch wesentlich schlechtere Arbeitsbedingungen und niedrigere Löhne gekennzeichnet waren.
Durch die Trennung von Reproduktions- und Produktionsarbeit wird unsichtbar gemacht, wie diese in Wirklichkeit zusammenhängen: Mit der Reproduktionsarbeit wird die „Ware Arbeitskraft" (die der Lohnarbeiter verkauft) erst hergestellt. Daher befindet sie sich eigentlich auch im Kreislauf der Mehrwertproduktion. Doch diese Form der Arbeit ist gesellschaftlich „unsichtbar" (manchmal auch für marxistische Theoretiker), sie erscheint lediglich als „Liebesdienst" in Form von Fürsorge, Zuwendung, Mutterschaft und Ehe.
Aller Reichtum entsteht letztlich durch die Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft. Denn Geld und Kapital können nicht arbeiten. Allein die menschliche Arbeitskraft ist in der Lage, mehr an Wert zu schaffen, als zu ihrer Erhaltung (Reproduktion) notwendig ist und daher an Lohn für die bezahlt werden muss. Es ist dieser Mehrwert, die Differenz zwischen dem Wert der Arbeitsprodukte und dem (Tausch-)Wert der Arbeitskraft, aus dem die Vermögen der Reichen stammen.
Auch Maschinen sind letztlich vergegenständlichte menschliche Arbeit. Ihr verstärkter Einsatz ändert daher nichts daran, dass die private Aneignung des Mehrwerts aus menschlicher Arbeit das Charakteristikum des Kapitalismus bleibt. Das Privateigentum an Produktionsmitteln – und die damit verbundene private Aneignung des Profits – ist eine gesellschaftliche Struktur mit weitreichenden Folgen. So ist eine gesamtgesellschaftliche Planung der Produktion, die auf den Interessen aller basiert, in der die Ziele technologischer Entwicklung demokratisch bestimmt werden und die verantwortlich mit den natürlichen Ressourcen umgeht, unter diesen Bedingungen undenkbar. Immer wieder erlangt das Unternehmen einen Vorteil, das zu geringeren Löhnen oder mit weniger Rücksicht auf die Umwelt produziert.
Die Konzentration von Geld und Kapital in den Händen weniger, die Entstehung immer größerer Konzerne, während kleinere Unternehmen verschwinden, gehört unvermeidlich zum Kapitalismus. Auch aus diesem Grund ist er mit umfassender Demokratie unvereinbar.
Die ökonomische Struktur einer Gesellschaft bildet ihre Basis, die ihre übrigen (sozialen, politischen, kulturellen) Strukturen entscheidend prägt. Eine solidarische und tatsächlich demokratische Gesellschaft ist auf der Basis von wirtschaftlicher Ungleichheit nicht erreichbar. Das kapitalistische Prinzip der Profitmaximierung, Ungleichheit und Konkurrenz ist letztlich die Wurzel von Krieg, Unterdrückung und rassistischer Diskriminierung.
Deswegen sagen wir, dass der Kapitalismus revolutionär überwunden werden und an seine Stelle der Sozialismus treten muss, der auf der Vergesellschaftung der Produktionsmittel und der demokratischen Organisation der Produktion und Verteilung beruht.
Unter Patriarchat verstehen wir die Vorherrschaft der Männer bzw. des patriarchalen Prinzips in allen gesellschaftlichen Bereichen: Politik, Ökonomie, Kultur, Sprache, Religion usw. Die Ursache für diese Vorherrschaft sehen wir nicht in biologischen Unterschieden zwischen den Geschlechtern, sondern in einem Herrschaftssystem, das systematisch Ressourcen wie Geld, Bildung, Prestige, Handlungsspielräume usw. an Männer (dabei nach Klassenzugehörigkeit und/oder ethnischer Zuordnung durchaus unterschiedlich) verteilt.
Die wichtigsten Eckpfeiler des Patriarchats sind die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung (also die Trennung zwischen meist männlicher Berufstätigkeit und meist weiblicher Haus- und Familienarbeit ebenso wie Differenzierung innerhalb der beruflichen Tätigkeiten und Funktionen), die Kontrolle über den Körper und die Sexualität der Frauen sowie die offene und subtile Gewalt gegen Frauen und Mädchen sowie die geringeren Chancen von Frauen auf gesellschaftliche Einflussnahme.
Patriarchat ist aber mehr als die Herrschaft der Männer über die Frauen. Das patriarchale Prinzip ist ein Wertesystem, an dem sich die Gesellschaft orientiert und das unser Leben prägt. So können sich z.B. auch Frauen patriarchal verhalten. Unter dem patriarchalen Prinzip verstehen wir z.B. die höhere Bewertung von Konkurrenz gegenüber Solidarität, von Rationalität gegenüber Emotionalität, von Produktions- gegenüber Reproduktionsarbeit. In unseren politischen Zusammenhängen kann sich das z.B. in einer starken Orientierung auf Produkte und Output zu Lasten sozialer Prozesse äußern. Darüber hinaus gibt es patriarchale Verhaltensformen wie dominantes Redeverhalten und patriarchale Organisationsformen wie Hierarchie, Kontrolle, Zentralismus oder Dominanz. Patriarchales Verhalten zeigt sich nicht nur in Gewalt gegen Frauen, sondern auch in unterschwelligen Verhaltensformen wie z.B. Nicht-Ernstnehmen, Nicht-Zuwortkommenlassen oder auch in der Art, wie Frauen angesehen werden.
Gleichgeschlechtliche Sexualitäts- und Lebensformen stellen – trotz gewisser Liberalisierungen in einigen (wenigen) Teilen der Welt – einen meist nicht akzeptierten, und damit diskriminierten bzw. unterdrückten Verstoß gegen patriarchales Rollenverhalten dar. Die freie Entfaltung von Sexualität und individuellem Zusammenleben ist für Millionen Männer und Frauen mit einem gesellschaftlichen Stigma bis hin zur Gettoisierung oder gar Bestrafung verbunden.
Gegen das patriarchale Prinzip des Zwangs zur Heterosexualität unterstützt AVANTI Initiativen oder Bewegungen, die für die freie Wahl der Lebens- und Liebesform eintreten. Der Kampf für die Homosexuellen-Ehe ist ein pragmatischer und nachvollziehbarer Kampf um gesellschaftliche Teilhabe. Die Forderung bleibt aber durch ihre Bezugnahme auf die Ehe als staatlich privilegierte Lebensform dem patriarchalen Prinzip verhaftet, da durch diese Privilegierung andere Formen benachteiligt und unterdrückt werden. Auch in Teilen der Frauenbewegung sehen wir diese Orientierung an patriarchalen Prinzipien, etwa dann, wenn sich die Teilhabe an der Macht auf Themen wie „Frauen in der Bundeswehr" oder das „Neue UnternehmerInnentum" bezieht.
Auch Männer sind durch das Patriarchat geprägt. Wenn sie den Erwartungen an ihr Rollenverhalten nicht gerecht werden, müssen sie mitunter damit rechnen, belächelt, verachtet oder ausgegrenzt zu werden. Der Spielraum zur Persönlichkeitsentwicklung ist also auch bei Männern und Jungen eingeschränkt. In diesem Sinne kann die Aufgabe ihrer Machtposition und die Entwicklung von gleichberechtigten Umgangsformen auch für Männer eine Form von Befreiung sein.
Es ist ein Irrtum zu glauben, dass die Unterdrückung des Menschen durch den Menschen schon immer bestanden habe. In vorgeschichtlicher Zeit gab es matriarchale Gesellschaften. Mit dem Patriarchat hat sich die erste grundlegende Spaltung der Gesellschaft in Männer und Frauen vollzogen. Es bildet – bei allen Veränderungen über die Jahrtausende – eine gemeinsame Grundstruktur der verschiedenen Gesellschaftsformationen von der antiken Sklavenhaltergesellschaft über den mittelalterlichen Feudalismus bis zum modernen Kapitalismus.
Zwar wird mit der Überwindung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung, des Kapitalismus und dem Ende des Klassengegensatzes dem Patriarchat die ökonomische Grundlage entzogen, doch damit verschwindet das Patriarchat nicht gleichsam von selbst. Es ist als Herrschaftsstruktur so weit in Kultur und Sozialisation integriert, dass es weit mehr als gesetzliche oder administrative Maßnahmen braucht, um es wirksam zu bekämpfen. Selbst revolutionäre und sozialistische Bewegungen waren und sind häufig männerdominiert und reproduzieren patriarchale Strukturen. Diese finden sich – so sehr wir es ablehnen mögen – auch in unserer Organisation wieder. Denn auch Menschen, die sich zur Überwindung von Ausbeutung und Unterdrückung organisieren, sind in einer patriarchalen Gesellschaft aufgewachsen und von ihr geprägt. Der Kampf um die umfassende Befreiung der Gesellschaft ist daher für uns mit dem gleichzeitigen Kampf gegen das Patriarchat verbunden. Ein wichtiger Teil dieses Kampfes ist die Reflexion und Veränderung unserer eigenen Denk- und Verhaltensweisen.
Im Zuge des Kolonialismus und der Herausbildung des Kapitalismus entstehen ab dem 17. Jahrhundert und verstärkt im 19. Jahrhundert pseudowissenschaftliche Theorien über die Einteilung der Menschheit in „Rassen" mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Wertigkeiten. Gegenüber früheren Ideologien der Ausgrenzung werden die eigene Überlegenheit und die Abgrenzung von Anderen nun an biologische Eigenschaften geknüpft, die für unveränderlich erklärt werden. Auch im neueren – eher mit kulturellen Unterschieden begründeten – Rassismus werden die zugeschriebenen Eigenschaften als quasi naturgegeben und unveränderlich betrachtet.
Eine Ursache für die Herausbildung dieser Theorien ist paradoxerweise gerade die Entwicklung der bürgerlichen Vorstellungen von Rationalität sowie politischer und rechtlicher Gleichheit der Menschen. Der Rationalismus verwirft metaphysische und religiöse Begründungen (die „gottgewollte Ordnung") und erkennt nur wissenschaftliche Erkenntnisse an. Damit verlieren auch religiöse Motive für die Unterwerfung anderer Völker („Bekehrung der Heiden") ihre Überzeugungskraft und müssen nun durch eine „wissenschaftliche" Rechtfertigung für den Kolonialismus ersetzt werden (die „rassische Minderwertigkeit"). Die geforderte politische und rechtliche Gleichheit der Menschen widerspricht der ganz offensichtlichen – und vom Bürgertum natürlich nicht abgelehnten – sozialen Ungleichheit und noch mehr der Unterdrückung und Ausplünderung der Kolonien. Die verschiedenen rassistischen Theorien finden eine „natürliche" Erklärung für diese Ungleichheiten. Die tatsächlich vorhandenen (Klassen-)Unterschiede werden durch den Rassismus (und/oder Nationalismus) unkenntlich gemacht.
Bis heute sind es rassistische Vorstellungen, die die Überlegenheit der weißen Länder des Nordens gegenüber dem Süden – und den von dort stammenden EinwanderInnen – rechtfertigen. Dem Rassismus kommt noch eine zweite Funktion als Ideologie zur Stabilisierung von Herrschaft zu. In der Abgrenzung von den „Anderen" und „Minderwertigen" entsteht eine ideologische Gemeinschaft der Weißen bzw. hierzulande der Deutschen. Insbesondere in Deutschland wurde das Verständnis von Volk und Nation häufig rassistisch unterlegt. Diese Ideologie wurde zunächst von den völkischen und antisemitischen Gruppierungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts verwendet, dann von der NSDAP aufgegriffen und weiter radikalisiert. Mit der Machtübertragung an die Nazis wurde sie schließlich Regierungsprogramm. Dieses Programm beinhaltete nicht nur die Umsetzung der rassistischen (Vernichtungs-)Ziele mit staatlichen, militärischen und polizeilichen Mitteln, sondern forderte und förderte auch die aktive Beteiligung der „arischen Volksgemeinschaft" hieran.
Mit der Niederlage des Faschismus ist auch der Rassismus in Verruf geraten. Die Theorie von menschlichen „Rassen" und ihren Unterschieden wurde von der UNESCO offiziell für unwissenschaftlich erklärt. Dennoch lebt der Rassismus – insbesondere in der Form des kulturellen Rassismus – fort. Er erfüllt noch heute die Funktion, die (ungleiche) Ordnung der Welt zu rechtfertigen und durch die Konstruktion von völkischer Identität und Präsentation „fremder" Sündenböcke von den realen sozialen Spaltungen abzulenken.
So ganz deutlich in der Kampagne zur faktischen Abschaffung des Asylrechts, in der die im Zusammenhang mit dem Anschluss der DDR rapide steigende Massenarbeitslosigkeit mit einer propagandistischen Offensive gegen Flüchtlinge und die von ihnen verursachten Kosten überdeckt wurde.
Durch seine lange Wirkungsgeschichte hat sich der Rassismus in hohem Maße verselbstständigt. Rassistische Vorstellungen werden über die Generationen weitergegeben, sind in politischen und sozialen Strukturen präsent, ohne dass dies zu jedem Zeitpunkt eine konkrete Funktion für das kapitalistische System hätte. Es kommt auch immer wieder vor, dass die Herrschenden große Mühe haben, die Geister, die sie gerufen haben, später wieder los zu werden. So geschehen, nachdem die Asyldebatte in Deutschland ihr Ziel erreicht hatte und durch die wachsende Kritik des Auslandes längst kontraproduktiv geworden war, aber die Kette rassistischer Anschläge nicht abreißen wollte. Auch die staatliche Unterstützung von Lichterketten und groß angelegte Werbekampagnen gegen „Ausländerfeindlichkeit" haben die rassistische Gewalt nicht wieder auf das Niveau vor der Hetzkampagne absenken können.
Rassistische Einstellungen werden auf der einen Seite durch die herrschende Politik (indem sie „Ausländer" definiert und ihnen nur eingeschränkte Rechte zubilligt) und den Mediendiskurs (der z.B. so etwas wie „Ausländerkriminalität" konstruiert) reproduziert. Auf der anderen Seite wird der Rassismus aber auch in Familie und Erziehung tradiert. Es gibt neben dem Rassismus „von oben" auch einen Rassismus „von unten". Vergleichbar dem Patriarchat erfordert daher auch die Bekämpfung des Rassismus eine kritische Auseinandersetzung mit eigenen Sichtweisen und Denkgewohnheiten. Der Rassismus findet zwar seine ökonomische Grundlage im Kapitalismus und wird daher auch erst mit dessen Abschaffung vollständig zu beseitigen sein. Seine relative Verselbstständigung als Herrschaftsstruktur verhindert jedoch auch in diesem Fall ein „automatisches" Verschwinden mit der Veränderung der ökonomischen Struktur, ebenso wie sie schon heute verstärkte Anstrengungen im antirassistischen Kampf erfordert.
Im Prozess der Herausbildung des Kapitalismus bestreitet das aufstrebende Bürgertum den auf Gottesgnadentum und ererbte Vorrechte begründeten Herrschaftsanspruch der Monarchen und Aristokraten. Es setzt dagegen Vorstellungen von Gleichheit und Freiheit – eine Freiheit, die jedoch für die Mehrzahl der Menschen die Freiheit von Besitz und damit den Zwang zum Verkauf ihrer Arbeitskraft als Ware bedeutet. Die bürgerliche Demokratie erhebt den Anspruch, die Herrschaft für das Volk und durch das Volk zu sein.
In der Tat gehen in den westlichen Industriestaaten die Regierungen und Parlamente zumeist aus allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen hervor. Bei Unzufriedenheit mit der Politik der Regierung besteht die Möglichkeit, eine andere zu wählen – und dies kommt hin und wieder auch tatsächlich vor. Dennoch sprechen wir vom Kapital als einer „herrschenden Klasse" und sagen, dass für die Veränderung der Gesellschaft eine Revolution notwendig ist. Wie passt das zusammen?
Bürgerliche Demokratie stellt nur einen gewissen Teil der gesellschaftlichen Entscheidungen zur allgemeinen Abstimmung. Die ökonomische Basis der Gesellschaft, die Produktion, wird jedoch von den EigentümerInnen der Produktionsmittel bestimmt und ist jeder demokratischen Kontrolle entzogen. Die großen Konzerne und Banken sowie die kapitalistischen Interessenverbände erhalten dadurch eine gewaltige gesellschaftliche Macht, die jeder gewählten Regierung deutliche Grenzen setzt. Nichts anderes meint Kanzler Schröder, wenn er sagt, man könne nicht „gegen die Wirtschaft regieren".
Der bürgerliche Staat mit seinen Institutionen hat einen Doppelcharakter. Er ist einerseits die Entsprechung des kapitalistischen Systems auf politischer Ebene und stellt das Funktionieren des Verwertungsprozesses sicher, indem er – über den kurzfristigen Interessen einzelner Kapitalisten und Unternehmen stehende – allgemeine Regeln für das Funktionieren kapitalistischen Wirtschaftens aufstellt und gemeinsame Interessen der herrschenden Klasse, z.B. durch die Organisation von Infrastruktur, durch Rechtsprechung oder Außenpolitik wahrnimmt. Zu dieser Funktion gehört es auch, die bestehenden Eigentumsverhältnisse – notfalls unter Einsatz des Gewaltapparates von Polizei und Militär – abzusichern. Gleichzeitig ist der bürgerliche Staat jedoch auch ein Terrain sozialer und politischer Auseinandersetzungen, der auch von dem gesellschaftlichen Kräfteverhältnis zwischen den Klassen geprägt wird.
So begrenzt die demokratischen Rechte auch sind, so stellen sie andererseits auch eine Errungenschaft dar, mit der sich die Bevölkerung zumindest einen gewissen Einfluss auf die Gestaltung der Gesellschaft erkämpft hat.
Diese fortschrittlichen Elemente des bürgerlichen Staates ändern jedoch nichts daran, dass er in erster Linie als politische Organisationsform der Kapitalsherrschaft konstruiert ist. Wir zielen daher auch nicht auf die Beteiligung am Parlamentarismus, sondern sehen die Perspektive in der Schaffung einer außerparlamentarischen gesellschaftlichen Gegenmacht. Die Geschichte der GRÜNEN hat eindrucksvoll gezeigt, dass der Vorsatz, nur die parlamentarische Vertretung einer unabhängigen Bewegung sein zu wollen, sehr schnell an der Integrationskraft der gesellschaftlichen Machtstrukturen scheitern kann und der Weg in die Parlamente meist zugleich der Weg in Prinzipienlosigkeit und Opportunismus ist. Dies gilt auch für Parteien mit sozialistischer Zielsetzung wie die PDS, deren Programmdebatte und Tätigkeit zunehmend vom Kriterium der Regierungsfähigkeit bestimmt wird und die dafür beträchtliche Abstriche etwa in der antimilitaristischen oder sozialistischen Programmatik vornimmt.
Die bürgerliche Demokratie ist nur eine der möglichen politischen Herrschaftsformen des Kapitals. Insbesondere, wenn die Eigentumsverhältnisse durch revolutionäre Bewegungen bedroht sind, in besonderen Krisensituationen oder zur Vorbereitung militärischer Expansion greift die herrschende Klasse oft zu diktatorischen Lösungen. Dies kann die Form einer Militärdiktatur oder auch – wie in der deutschen und europäischen Geschichte leidvoll erfahren – der Faschismus sein. Daher sieht sich die revolutionäre Linke immer wieder in Situationen gestellt, in denen sie die Errungenschaften der bürgerlichen Demokratie verteidigen muss.
Unser Ziel ist also nicht etwa die Abschaffung der Demokratie, sondern im Gegenteil die Ausweitung demokratischer Entscheidungen. Denn solange Produktion und Verteilung nicht ebenfalls demokratisch organisiert werden, bleiben die politischen Rechte ohne materielles Fundament und damit eng begrenzt. Zusätzlich geht es um die Erweiterung der repräsentativen Elemente (die Macht und Funktionen durch das vierjährliche Kreuz auf dem Wahlzettel nur delegiert) durch die Stärkung der Selbstbestimmung und aktiven Mitregierung. Dazu bedarf es u.a. einer Dezentralisierung von Entscheidungsstrukturen, die eine aktive Beteiligung aller Betroffenen ermöglicht und ihre Kompetenzen zur Geltung kommen lässt.
Um eine solche tatsächliche, aktive und umfassende Demokratie durchzusetzen, muss aber die demokratisch nicht legitimierte Macht des Kapitals gebrochen werden. Alle geschichtliche Erfahrung lehrt, dass das Kapital seine Macht nicht kampflos preisgibt, nur weil etwa die Bevölkerungsmehrheit es so will. Deswegen gehen wir von der Notwendigkeit einer Revolution aus, die neue demokratische Strukturen schaffen wird, wie dies in vorangegangenen Revolutionen in Form der Räte der Fall war.
Mit dem Zusammenbruch des Real Existierenden Sozialismus wurde die tiefe Krise der revolutionären Linken weltweit offenbar. Der Ende der bürokratischen Staatswirtschaften in Osteuropa schien die Idee des Sozialismus insgesamt zu diskreditieren und die Überlegenheit der kapitalistisch-marktwirtschaftlichen Ordnung eindrucksvoll zu bestätigen.
Viele linke Organisationen lösten sich auf oder schmolzen auf einen kleinen Kern von Aktiven zusammen. Die Anzahl der Menschen, die in der Hoffnung auf ein Ende der kapitalistischen Ausbeutung eine reale Perspektive sehen, nahm rapide ab. Gleichzeitig gab und gibt es für die revolutionäre Linke guten Grund, ihre Weltanschauung zu überprüfen und aus der Deformation und Niederlage der Sowjetunion Lehren zu ziehen. Alte Konzepte müssen überprüft und neue Antworten und Perspektiven gefunden werden.
Durch diese Schwäche der Linken wurde das Feld frei für die ideologische Offensive des Neoliberalismus. Nicht nur der Sozialismus, sondern auch der Versuch, den Kapitalismus durch staatliche Maßnahmen sozial abzufedern, wurde für rückschrittlich und überholt erklärt. Der freie Markt, in dessen Wirken nicht eingegriffen werden dürfe, wurde zum Götzen erhoben.
Durch den Wegfall des mächtigen Gegners im Osten entfiel für das Kapital auch die Notwendigkeit, durch soziale Zugeständnisse die Attraktivität der eigenen Gesellschaftsordnung unter Beweis zu stellen. Offensiv wurde und werden Lohnsenkungen und der Abbau von sozialen Schutzrechten verlangt. Der wachsenden Armut wird statt durch Sozialpolitik verstärkt mit staatlicher Repression begegnet.
In dieser Situation befinden sich nicht nur revolutionäre, sondern auch links-reformistische und liberale Vorstellungen auf dem Rückzug. Die Gewerkschaften – zum Teil durch die mangelnde Konfliktbereitschaft auch selbstverschuldet – verlieren an Einfluss und Mitgliedern. Neoliberales Gedankengut hält Einzug bei den meisten sozialdemokratischen Parteien. Das gesamte politische Spektrum verschiebt sich nach rechts. Die revolutionäre Linke ist daher in einer Phase der strategischen Defensive. (Was nicht ausschließt, dass wir in einzelnen Kampagnen oder Aktionen durchaus offensiv auftreten können.) Daraus ergeben sich andere Aufgaben und eine andere Strategie als in einer Situation des Aufschwungs revolutionärer Kräfte.
Eine wichtige Schlussfolgerung besteht darin, dass wir der Verteidigung von demokratischen und sozialen Errungenschaften besonderes Augenmerk schenken müssen, wozu auch die Abwehr des erstarkenden Neofaschismus gehört. Solche Abwehrkämpfe erfordern ein hohes Maß an Bündnisfähigkeit und sind der falsche Ort, um sich von anderen linken Kräften besonders scharf abzugrenzen. Gerade in der defensiven Phase sind revolutionäre Kräfte auf ein Umfeld von – zunächst notwendigerweise reformistischen – Bewegungen angewiesen. Durch gemeinsame Aktivitäten entstehen politische Erfahrungen und Erkenntnisse, die es ermöglichen, in Bewegungen oder Initiativen aktive Menschen für die verbindliche Mitarbeit in einer revolutionären Organisation zu gewinnen.
In der strategischen Defensive können wir unsere politische Erfahrung entwickeln und uns schrittweise, von unten nach oben, für die Aufgaben von morgen organisieren. Wir sollten diese Phase nutzen, damit wir in einer neuen Phase der Offensive gut verankert und handlungsfähig sind.