27.06.2002, Hamburg, Aktion im Hambuger Senat
Heute haben sich drei Menschen an einer Aktion im Hambuger Senat beteiligt, um gegen die Einführung der EU-Terrorlisten und die Anhaltenden Zustände in den türkischen Gefängnissen zu Demonstrieren. Wir Veröffentlichen hier deren Pressemitteilung:

An die anwesenden PolitikerInnen, ihre KollegInnen auf Bundesebene, die Presse und die Öffentlichkeit!

Wir sind heute hier, um gegen anhaltende Menschenrechtsverletzungen in der Türkei, insbesondere die Einführung von sog. „F-Typ Isolationszellen“ und gegen die Unterstützung durch die Bundesrepublik Deutschland hierbei zu protestieren!

Um sich gegen die geplante Einführung von Isolationshaft in der Türkei zu wehren, traten am 20. Oktober 2000 mehrere Tausend politische Gefangene in einen Hungerstreik, den sie nach dreißig Tagen in ein Todesfasten umwandelten. Um das Todesfasten zu beenden und die Verlegung in die Isolationshaft gewaltsam durchzusetzen, stürmten am 19. Dezember 2000 8500 schwerbewaffnete Soldaten zeitgleich zwanzig Gefängnisse, in denen sich hungerstreikende bzw. todesfastende Gefangene befanden. Bei dieser „Militäraktion“ wurden 28 Gefangene brutal ermordet!
Trotz dieses Massakers und der daraufhin erfolgten Verlegung in die totale Isolation in Einer- bzw. Dreierzellen setzten die Gefangenen ihr Todesfasten fort. Bis auf den heutigen Tag, also seit über 600 Tagen dauert dieser Protest an. Zur Zeit führen noch ca. 30 Gefangene der Organisationen DHKP-C und TKEP/L das Todesfasten fort. Acht Organisationen brachen es Ende Mai 2002 zwar ab, veröffentlichten aber in einer Erklärung, den Kampf gegen die Isolationshaft mit anderen Mitteln fortsetzen zu wollen. 91 Gefangene/UnterstützerInnen sind bis heute gestorben, durch das Todesfasten selbst oder durch die Massaker des Militärs. Ca. 400 Gefangene erlitten aufgrund bewusst falsch verabreichter Zwangsernährung zum Teil irreparable gesundheitliche Schäden.

Die Rolle der Bundesrepublik: In ihrem Bestreben, die Isolationshaft einzuführen, wurde die Türkei von Anfang an von der BRD-Regierung unterstützt. 1990 besuchte eine offizielle türkische Regierungsdelegation die JVA Stuttgart-Stammheim, um sich dort über Isolationshaft zu informieren. Nach dem oben erwähnten Massaker in türkischen Gefängnissen im Dezember 2000 kam von Seiten der rotgrünen Bundesregierung kein Wort des Protestes! Einen Tag nach diesem Massaker gewährte der Internationale Währungsfond (IWF) der Türkei einen Milliardenkredit.
Einige weitere Beispiele:
  • Ende Februar d.J. flüchtete Nihat Aydogmus, Mitglied der in der Türkei verbotenen TKP ML nach Deutschland. Er hatte sich 138 Tagen am Todesfasten beteiligt und wollte sich hier nur medizinisch behandeln lassen. Er wurde je doch sofort nach seiner Ankunft in Abschiebehaft im Abschiebeknast Büren (NRW) genommen.(1)
  • Im Dezember 2001 überreichte der türkische Innenminister seinem deutschen Amtskollegen eine Liste mit insgesamt 155 kurdischen und türkischen Oppositionellen und wünschte deren Auslieferung(2). Die Bundesregierung wollte in einer Stellungsnahme den Auslieferungsantrag nicht „grundsätzliche ablehnen“. In der Vergangenheit hatte sie nur all zu oft solchen Anträgen zugestimmt. Über 8000 Flüchtlinge wurden in den letzten zwei Jahren in die Türkei abgeschoben.
  • Zur Zeit arbeitet die EU an der Einführung einer sog. „Anti-Terror“ Liste, auf der sich weltweit verschiedene linke, aber auch einige islamistische und religiös-fundamentalistische Gruppen und Einzelpersonen wiederfinden, unter ihnen auch die PKK und die DHKP-C, die seit Jahren gegen das Militärregime in der Türkei kämpfen. In Deutschland sind beide Organisationen schon seit Jahren verboten, im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern wie Belgien oder die Niederlande. Die „Anti-Terror“ Listen sollen damit auch in Deutschland geltendes repressives Recht in ganz Europa einführen. Die Türkei und andere diktatorisch regierte oder für Menschenrechtsverletzungen bekannte Staaten werden es ihnen danken.
Die Liste der EU-„Terrororganisationen“ gilt als verbindliche Befolgungsrichtlinie auch für NGO's, für Menschenrechts- und Entwicklungsorganisationen, denen sie förmlich zugestellt wird. Das Gleiche gilt für Banken, Stiftungen, Universitäten, Volkshochschulen und Schulen. Lehrer und Lehrerinnen, die im Unterricht z.B. kurdische Materialien benutzen oder kurdische SchülerInnen zu Worte kommen lassen die sich dazu bekennen, müssen mit Sanktionen rechnen.

Diese Liste ließe sich endlos fortsetzen. Wir fordern daher die anwesenden PolitikerInnen und ihre KollegInnen auf Bundesebene auf, sich für folgende Forderungen einzusetzen:

  • Unterstützen Sie die legitimen Forderungen von politischen Gefangenen nach Aufhebung der Isolationshaft!
  • Sofortiger Stopp aller Waffenlieferungen an die Türkei!
  • Sofortiger Stopp aller Abschiebungen in die Türkei!
  • Aufhebung des Betätigungsverbotes der DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) und der PKK. Schluss mit Durchsuchungen von Vereinen und Privatwohnungen, Anklagen gegen SympathisantInnen und Mitglieder der genannten Organisation und allen anderen GegnerInnen des türkischen Regimes!
  • Weg mit den „EU-Anti-Terrorlisten“ und Beendigung jeglicher Unterstützung für Diktaturen und faschistische Regime weltweit!
Quellenangaben: (1) Angehörigen Info v. März 2002
(2) Tageszeitung Junge Welt v. 14.02.02

Initiative zur Abschaffung von Folter weltweit
Hamburg, den 27.06.2002

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