~~==++ Antirassistische Gruppe Leipzig ++==~~
verteilt und gehalten bei der Auftaktveranstaltung des Forums "A-n-t-i-r-a-s-s-i-s-m-u-s a-u-s-b-u-c-h-s-t-a-b-i-e-r-t" am 1. August in Köln (im Rahmen des 6. Antirassistischen Grenzcamps)

Thesenpapier zur Auftaktveranstaltung

Die folgenden Thesen sollen unser Verständnis antirassistischer Politik und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen umreißen. Entstanden ist das Papier im Vorfeld des 3. antirassistischen Grenzcamps in Köln 2003.
  1. "Nützliche EinwanderInnen sind erwünscht, unerwünschte werden abgeschoben." Die Einteilung in die jeweilige Kategorie folgt der Logik kapitalistischer Verwertung und erfolgt nach rassistischen Mustern. Antirassistische Politik kommt entsprechend nicht umhin nach dem Zusammenspiel von kapitalistischer Verwertungslogik und Rassismus zu fragen.
  2. Dabei handelt es sich nicht um isoliert nebeneinander her existierende Herrschaftsverhältnisse, sondern es existieren zahlreiche Verschränkungen. Rassismus und Kapitalismus konstituieren und bedingen sich gegenseitig. Einerseits dient Rassismus als Ideologie, mit der erlebte Ungleichheiten im Kapitalismus scheinbar erklärt und ausgehalten werden können. Zum anderen regelt er faktisch den Zugang zu Ressourcen und Rechten und stützt das Konkurrenzprinzip über die Strukturierung des Arbeitsmarktes nach rassistischen und sexistischen Kriterien.
  3. Wir wollen deshalb Antirassismus in eine umfassende Gesellschaftsanalyse und -kritik eingebettet wissen. Für eine antirassistische Praxis heisst das immer auch mit zu thematisieren, dass das System als solches unser Problem ist und die Abschaffung des Rassismus allein noch keine befreite Gesellschaft bedeutet.
  4. So ist Solidarität mit Kämpfen z.B. gegen Abschiebungen selbstverständlich zu unterstützen, das mögliche Fehlen einer weitergehenden politischen Perspektive erschwert allerdings eine längerfristige, "gleichberechtigte" politische Zusammenarbeit, die über z.B. Anti-Abschiebe-Kampagnen hinausgeht.
  5. Innerhalb eines weiß-deutschen linken Antirassismus wird inzwischen richtigerweise auch (Arbeits)Migration thematisiert. Verschoben hat sich auch der Blick auf Flüchtlinge/ MigrantInnen , die zunehmend als handelnde Subjekte mit eigenen Interessen und Standpunkten wahrgenommen werden. Die Debatte um die relative Autonomie der Migration hat auch uns dahingehend wichtige und selbstkritische Anstösse gegeben.
  6. Diese Entwicklung schlägt sich konkret in der Thematisierung von prekären Arbeitsverhältnissen, der Forderung nach Recht auf Arbeit und dem Kampf gg. Lohnbetrug nieder. Das ist gut und richtig, weil Arbeit in einer bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft notwendig zum Überleben ist. Gleichzeitig reicht es aber nicht aus: Das Recht (=Pflicht) auf Arbeit ist ebenso ein wichtiger Pfeiler dieser Gesellschaft und damit nicht Bestandteil unserer Utopie. Dieses Spannungsverhältnis gilt es auszuhalten. Wie es aufzulösen ist, ist uns selbst noch unklar. Die Reduktion auf eins der beiden Argumente (überlebensnotwendig versus systemerhaltend) halten wir jedenfalls für falsch.
  7. Stattdessen möchten wir das Zusammenspiel von Rassismus, Sexismus, etc. im Kapitalismus offen legen und bekämpfen: Die Regelung des Zugangs zu gesellschaftlichen Ressourcen über die Staatsangehörigkeit (Nationalismus, Rassismus), geschlechtsspezifische und rassistische Aspekte bei der Prekärisierung von Arbeitsverhältnissen (Rassismus, Sexismus) sowie die Kritik an einer Gesellschaft, in der mensch arbeiten muss, um essen zu dürfen (Kapitalismuskritik).
  8. Der Zugang des "Antirassismus" erscheint uns nicht nur deshalb, sondern auch aus pragmatischen Gründen für eine umfassende Gesellschaftskritik geeignet. Verwiesen sei auf die bundesweite Organisierung bzw. Vernetzung unterschiedlicher antirassistischer Gruppen, sowie das Grenzcamp als Experimentierfeld gleichberechtigter politischer Zusammenarbeit und Diskussion.
Antirassistische Gruppe Leipzig

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09.11.2003
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